Ideale Test-Bestzeiten
Rechnet man die besten Sektoren-Zeiten zusammen, dann war Nico Hülkenberg der schnellste Mann bei den Barcelona-Tests. Wir haben die Daten analysiert und geben einen Ausblick auf das Kräfteverhältnis.
Es gibt eine Tabelle, bei der nicht ein Ferrari oder ein Mercedes führt: Die der Idealzeiten. Also die besten Sektorzeiten zusammengerechnet. Da liegt Nico Hülkenberg mit weitem Abstand in Führung. Seine Zeit von 1.22,223 Minuten ist unerreicht. Es folgt Sebastian Vettel mit 1.22,708 Minuten, nur eine Tausendstelsekunde vor Teamkollege Kimi Räikkönen.
Hülkenberg kürzt in Schikane ab
Bei der vermeintlichen Superrunde von Nico Hülkenberg ging nicht alles mit rechten Dingen zu. Er ist die Sektorbestzeiten mit unterschiedlichen Reifen gefahren. Ultrasoft in Sektor 1 und 2, und Soft am Ende eines Longruns in Sektor 3. In der fraglichen Runde muss Hülk außerdem die Schikane abgekürzt haben. Sonst ist eine Sektorzeit von 28,342 Sekunden nicht möglich. Der nächstbeste Wert ist 28,915 Sekunden. Bei nur drei Fahrern war die Idealzeit auch die Bestzeit: Carlos Sainz, Valtteri Bottas, Esteban Gutierrez.
Das war das statistische Kuriosum. Bevor wir unsere große Longrun-Analyse starten, wollen wir die Bestzeiten, Idealzeiten und Reifenmischungen ins Verhältnis setzen. Natürlich geht das nicht allein. Dazu fehlen uns die GPS-Daten, die Messinstrumente und der Algorithmus, der aus einer Flut von 8.221 Runden das herausliest, was wir wissen wollen.
Wir haben wie jedes Jahr Hilfe bei einigen Teams gesucht. Und die haben uns geholfen, die Masse an Daten zu interpretieren. Auf den Punkt gebracht kam folgendes dabei heraus: Die Formel 1 ist eine Fünfklassengesellschaft mit deutlich geringeren Abständen von der Spitze zum Ende des Feldes und zwischen den einzelnen Gruppen. Weil die Abstände kleiner sind, kann sich das Kräfteverhältnis von Rennen zu Rennen und auch während der Saison aufgrund von Weiterentwicklung ändern.
Williams, Red Bull und Toro Rosso in Gruppe 2
Vorne fahren Mercedes und Ferrari. Die Frage, wie groß der Abstand der beiden wirklich ist, können nicht einmal die Beteiligten mit Bestimmtheit sagen. Bei Mercedes schätzt man zwischen null und 0,4 Sekunden. Der Unsicherheitsfaktor liegt darin, wie viel die Motoren im höchsten Motorenmodus leisten können, und wie groß das Upgrade sein wird, das Ferrari nach Melbourne bringt. "Unsere nächste Ausbaustufe kommt erst zum GP China", verriet Mercedes.Chefdesigner Aldo Costa.
Auch der Wind und Fahrfehler auf der Strecke beinhalten Fehlerquellen. Ein Mercedes.Ingenieur erklärt warum: "Räikkönens Zeit von 1.23,009 Minuten auf den Soft-Reifen war echt stark. Da konnte im direkten Vergleich nur Rosberg mithalten. Hamilton und Vettel sind mit dem gleichen Reifentyp deutlich schlechtere Runden gefahren. Lewis ist aber sicher keine 6 Zehntel langsamer als Nico. Die starke Streuung zeigt, dass die Verhältnisse nicht immer vergleichbar waren."
Zwischen 0,5 und 0,6 Sekunden hinter den beiden WM-Favoriten folgt ein Pulk mit Williams, Red Bull und Toro Rosso. Für Williams gegenüber Vorjahr ein deutlicher Fortschritt. Da fehlte noch eine Sekunde. Red Bull entzog sich in der zweiten Woche der Zeitenjagd.
Die Analysten sehen an den Kurvengeschwindigkeiten, dass Red Bull wieder ein sehr gutes Chassis hat. Aber es fehlt noch Power. Die soll ab dem GP Kanada kommen. Toro Rosso hat wie im Vorjahr wieder ein exzellentes Auto gebaut. Doch hier kommt vom Motor nichts mehr. Ferrari entwickelt das 2015er Triebwerk nicht weiter.
Schließt Manor noch auf?
2 bis 3 Zehntel hinter der zweiten Gruppe rangieren Force India und HaasF1. Die Einschätzung des US-Teams erstaunt, denn in den schnellsten Runden rangieren Romain Grosjean und Esteban Gutierrez am Ende des Feldes. "Die sind stärker als es die Bestzeiten sagen, heißt es bei Mercedes."
Ferrari hat ausgerechnet, dass der Abstand zu HaasF1 ungefähr bei einer Sekunde liegt. "Man muss sich nicht wundern", stichelt Force India-Technikchef Andy Green. "Ist ja mit Ausnahme der Nase eine Kopie des Ferrari."
Der nächste Pulk besteht aus McLaren-Honda, Renault und Sauber. McLaren hat hier am meisten Luft nach oben und wird wohl bald Anschluss an Gruppe 3 finden. Das Team aus Woking hat für Melbourne eine weitere Ausbaustufe angekündigt. Und etwas mehr Power vom Honda-Motor. Wann der große Schritt aus Japan folgt, steht allerdings noch nicht fest. Renault hat wenigstens schon ein Datum. Mit dem GP Kanada gibt es 35 PS mehr.
Manor hat sich zum Ziel gesetzt, beim ersten Rennen den Anschluss ans Feld zu finden. Dazu ist noch eine Aero-Evolution nötig. Wenn alles klappt, sollen bis Melbourne eine neue Nase und ein neuer Frontflügel kommen. Dann wäre das ehemalige Schlusslicht dran. Und dann würde aus einer Fünfklassen- eine Vierklassengesellschaft.