Abtriebsverlust schon halbiert
Eigentlich wollte die FIA den Abtrieb der neuen Autos durch die Beschneidung der Aerodynamik um zehn Prozent reduzieren. Doch die Gegenmaßnahmen der Teams waren so erfolgreich, dass Pirelli anhand der Test-Daten gerade mal einen Abtriebsverlust von vier bis fünf Prozent festgestellt hat.
Es ist immer wieder dasselbe Katz- und Maus-Spiel in der Formel 1. Die Regelhüter der FIA probieren alles, damit die Grand-Prix-Renner nicht zu schnell werden. Und die cleveren Ingenieure der Teams wollen sich partout nicht einbremsen lassen. Befürchtungen, dass die Reifen nicht mehr mit dem Speed der Autos mithalten können, führten vor der aktuellen Saison zu drastischen Maßnahmen.
Die Techniker bekamen gleich zwei Knüppel zwischen die Beine geworfen. Einerseits sollte der Abtrieb der Autos durch Einschnitte am Diffusor, an den hinteren Radträgern und dem äußeren Rand des Unterbodens spürbar reduziert werden. Darüber hinaus gab es aber auch noch neue Reifen mit einem veränderten Profil, die zwar weniger Grip liefern, dafür aber deutlich robuster sein sollen.
Eigentlich hatten die Experten gehofft, dass die Maßnahmen zu einer deutlichen Verlangsamung führen. Simulationen gingen von Rundenzeiten aus, die im Schnitt bis zu eine Sekunde über dem Vorjahr liegen. Doch die Realität beim Test in Bahrain zeigte ein anderes Bild. Die Pace der neuen Autos unterschied sich nur marginal von ihren Vorgängern, die Ende November beim Grand Prix in Bahrain zum Einsatz kamen.
Entscheidung für neue Reifen richtig
Pirelli-Sportchef Mario Isola stellte beim Blick auf die Telemetriedaten fest: "Der ursprüngliche Plan sah eigentlich eine Reduzierung des Abtriebs um zehn Prozent vor. Was wir in der Realität festgestellt haben, waren Abtriebswerte, die vielleicht noch vier oder fünf Prozent unter denen aus dem Vorjahr lagen. Die Teams haben also schon einen guten Teil zurückgeholt."
Der Italiener äußerte sich aber nicht sonderlich überrascht, dass die Ingenieure nun in so kurzer Zeit so viel Abtrieb zurückgewinnen konnten. "Das zeigt, dass es eine gute Entscheidung von uns war, parallel auch noch die Reifen robuster zu machen, damit wir auch noch im zweiten Teil der Saison auf der sicheren Seite sind."
Was die ersten Eindrücke vom neuen Produkt bei den Testfahrten angeht, gab sich Isola sehr zufrieden. Allerdings sorgten die wechselnden Bedingungen dafür, dass die Daten nicht einfach auszuwerten sind. "Am ersten Tag hatten die Piloten mit starkem Wind und einem Sandsturm zu kämpfen. Dabei war die Strecke nach den Formel-2-Testfahrten eigentlich zunächst in einem sehr guten Zustand", bedauert der Ingenieur.
Niedrigere Luftdrücke 2021
Dazu kamen auch noch sehr hohe Asphalt-Temperaturen, was den Verschleiß und die Überhitzungsgefahr steigerte. "Nach dem Blick auf die Daten haben wir den Mindestluftdruck der Hinterreifen zum zweiten Tag um 1,5 PSI gesenkt. Damit hat sich die Balance der Autos verbessert. Die Tendenz zum Untersteuern verschwand. Und auch die Gefahr von Überhitzungserscheinungen wurde reduziert, wobei aber auch die niedrigeren Außentemperaturen mithalfen, die 10°C unter den Maximalwerten vom Vortag lagen."
Isola stellte in Aussicht, dass die Luftdrücke durch die widerstandsfähigeren Reifen auch bei den kommenden Rennen runter gehen könnten. Gleichzeitig warnte der Reifen-Papst aber auch: "Wir gehen jetzt mit diesen Werten in die Saison. Wenn die Teams im Laufe des Jahres noch mehr Abtrieb zurückgewinnen und die Belastung der Reifen wieder steigt, behalten wir uns vor, nachzujustieren und den Mindestluftdruck wieder anzuheben."
Mit den Eigenschaften des neuen Produkts zeigte sich Isola sehr zufrieden. "Wir hatten in Bahrain kaum Probleme. Graining war gar kein Thema. Blasenbildung wurde auch nicht festgestellt." Die Einführung der neuen Reifen führt übrigens dazu, dass für das Comeback-Rennen in Zandvoort mit seinen Steilkurven und hohen Belastungen kein spezieller Gummi gebacken werden muss. Solch eine Maßnahme hatte man im Vorjahr erwägt, bevor das Rennen wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde."
Test mit Türkei-Reifen erfolgreich
Apropos Corona-Pandemie: In Bahrain testete Pirelli neben den Standard-Reifen aus der Fabrik in Rumänien auch noch Gummis, die in der Türkei hergestellt wurden. Dabei handelte es sich jeweils um die Sorte Medium (C3). Nach drei Testtagen konnte ein positives Fazit gezogen werden. Große Unterschiede wurden zwischen den beiden Produktionsstätten nicht festgestellt.
"Das war nur eine Sicherheitsmaßnahme", erklärt Isola. "Falls es einen Lockdown in Rumänien gibt und wir dort keine Reifen produzieren können, brauchen wir eine Ausweichfabrik. Wir können die Formel 1 ja nicht einfach stoppen, weil es keine Reifen gibt."