Sportwagen, Saugmotor, Cabrio - So gut ist die Kombination!

Der R8 Spyder V10 mit Plus-Paket sammelt nicht nur wegen seiner 70 Mehr-PS Punkte, auch sein Fahrverhalten gewinnt ganz entscheidend. Aber kein Plus ohne Preis-Plus: Sind 30.000 Euro mehr gerechtfertigt?
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Es gibt eine Theorie, die besagt, dass man wahre Qualität erst im Rückblick erkennt, wenn der Zeitgeist aus den Dingen gewichen ist und die Wahrnehmung nicht mehr trübt. Nach diesem System entscheiden Germanisten mit 20-jähriger Verspätung, was große Literatur ist – und was zeitverhafteter Schund. Die Ikonenbildung im Sportwagensektor funktioniert nach ähnlichen Mechanismen: Ohne ein eindeutig zu identifizierendes Highlight, das die eigene Epoche überstrahlt, ist kein Aufstieg in den Sportwagenolymp möglich.
Ketzerische Frage: Wäre der Audi R8 überhaupt ein Kandidat? Beim Design eher nicht, und als Sportwagen mit viel Vernunft und Komfort gewinnt man meist weder die Herzen der Fans noch Ikonenpunkte. Dazu ist er ein Huracán im anderen Kleid – womit man dem Audi R8 auch noch seine Originalität absprechen könnte.
V10-Sauger im Audi R8: Ein Relikt?
Allerdings steht der aktuelle R8 mitten auf einer Nahtstelle der Sportwagengeschichte: Es tobt der größte Grabenkampf der Geschichte, der Turbo vertreibt den Sauger aus dem Schlaraffenland – und die Elektrogötzen würden am liebsten beide sofort an die Wand stellen. Wer dieses groteske Unrecht am eigenen Leib spüren will, der muss sich in einen R8 V10 zwängen, am besten in einen offenen. Und die optimale Kombination ist jetzt verfügbar: Audi R8 Spyder V10 Plus.
Nur in dieser Kombination überflutet die V10-Akustik das menschliche Gehör, so als ob eine direkte Steckverbindung zwischen Motor und Ohr bestehen würde. Das Triebwerk ist ein Kunstwerk, das an die großen Werte der Vergangenheit mahnt. Der Turbo-Flächenbrand der letzten Jahre hat uns fast vergessen lassen, wie direkt Gasannahme sein kann, was Spontaneität wirklich bedeutet und worin die Faszination von Drehvermögen liegt.
Umgekehrt kommt einem der Bumms eines Audi TT RS plötzlich schon unverschämt vor, während der V10 bis gut 6.000/min zwar schön dreht und orgelt, aber konzeptbedingt nicht wirklich liefert. Dann jedoch räumt er alles ab, die letzten 2.500 Umdrehungen bis zum Gipfel von 8.700/min sind spektakulär – akustisch, saugend, hochdrehend, tief brüllend, trommelnd, pochend, fauchend. Dieser Motor reißt Wunden auf, und zwar viele!
Kaum Komforteinbußen im R8 Spyder
Seine Eineiigkeit mit dem Zwilling Huracán adelt den R8 jetzt für ein paar Jahre zur Ikone – wegen des Motors. Und der Spyder ist die perfekte Plattform, um den Motor zu erleben: Zwar entfiel der unverhüllte und narzisstische Blick auf das Triebwerk zugunsten des komplexen, aber schnieke funktionierenden Verdeckmechanismus, der in nur 20 Sekunden, Simsalabim, das Coupé zum Cabrio macht. Eine schöne Verpuppung und – noch wichtiger – ohne jede Einbuße beim Komfort: Frühestens ab 250 km/h sind Windgeräusche hörbar, die dem Softtop anzulasten wären. Aber auch nur dann, wenn man zuvor den Klappenauspuff abgewürgt hat …
Das offene Fahren im R8 Spyder profitiert von einigen prinzipiellen Verbesserungen, die mit dem zweiten R8-Modell ab 2015 eingeführt wurden: Das Gestühl wurde tiefer montiert, was Pilot und Copilot noch inniger in das Spinnenwerk des R8 hineinzieht. Das hat im Umkehrschluss den positiven Effekt, dass sich die Luftverwirbelungen im Spyder bis gut 100 km/h in engen Grenzen halten. Wer noch schneller offen fahren will, kann erstens die versenkbare Heckscheibe hochzwirbeln und/ oder das optionale Windschott montieren, das sonst im Kofferräumchen vor der Vorderachse seinen angestammten Platz hat. Auch mit Schott sind zwar keinesfalls alle Schotten dicht, aber zugfreies Reisen bis in höchste Speedbereiche ist absolut garantiert.
Die alte Regel, dass das fehlende feste Dach die Chose leider nicht leichter macht, gilt auch beim Audi R8: Zwar wiegt die Softtop-Konstruktion nur 44 Kilo, doch die Versteifungen bei Chassis, Vorderwagen und Windschutzscheibenrahmen sowie das ganze Geknödel mit Hydraulik, Kasten und Klappe summieren das Gesamtgewicht auf 1.755 Kilo – 80 Kilo mehr als beim Coupé.
Dafür hat der R8 eine lange Ausstattungsliste – Perfektion, Luxus und Komfort sind bei Audi wichtig, so ist auch der Spyder mit V10-Plus-Paket positioniert. Dieses Paket ist in mehrerlei Hinsicht eine gute Investition: Neben 70 PS mehr und vielen serienmäßigen Gimmicks wie den Schalensitzen oder dem R8-Performance-Lenkrad samt Performance-Modi ist es für Fahrfetischisten sicher die erste Wahl. Wir erinnern uns – mit ein wenig Schrecken – an die R8-Standardversionen ohne den Plus-Zusatz. Völlig egal ob als Coupé oder als Spyder, beiden Modellvarianten war eine gewisse Zickigkeit eigen: Die weiche Abstimmung sorgte für viel Rollneigung und eine entsprechend hohe Lastwechselempfindlichkeit.
Die insgesamt straffere Abstimmung bei der Plus-Version nimmt dieser Kritik zu einem guten Teil den Wind aus den Segeln, die Fahrbarkeit profitiert deutlich.