Klassischer gegen moderner Campingbus

VW stieg 2019 mit dem Grand California mit voller Kraft in den Markt der großen Campingbusse für Familien ein. Doch da lauern schon Vertreter wie der erneuerte Weinsberg Carabus 600 MQH. Auch mit Hochdach und Bett darunter. VW mit dem Grand California und Weinsberg auf Fiat – wer gewinnt?
Was sie eint, ist, was sie trennt. Beide sind sie Campingbusse mit sechs Meter Länge, einem Querbett hinten, Bad, Kochzeile, Essnische und einem Hochdach mit Bett darunter. Also mit vier festen Schlafplätzen. Unter dem hinteren Bett gibt es einiges an Stauraum. Die Betten lassen sich zudem hochklappen für den Transport von Sperrigem. Darüber Hängeschränke, in denen Kleidung für die ganze Familie unterkommt.
Weinsberg setzt beim Carabus 600 MQH als Basisfahrzeug auf den Fiat Ducato. VW baut den hauseigenen Crafter aus. Der fürs Campen wichtigste Unterschied: Der Ducato ist breiter, was das Querbett länger und den Innenraum wohnlicher macht. VW setzt hinten seitlich Karosserieverbreiterungen an und bringt so das Querbett auf eine maximale Länge von knapp 1,90 Meter – allerdings nur in den 90 Zentimeter breiten Nischen. Das Weinsberg-Bett ist auf der ganzen Breite über 1,90 Meter lang.
VW Crafter bietet mehr Ausstattung
Vergleicht man die beiden Basisfahrzeuge rein von der technischen, fahrerischen Seite her, gewinnt der VW die Wertung mit klarem Vorsprung. Was den Fiat aber bei Weitem nicht aus dem Rennen für eine Kaufentscheidung wirft. Der VW hat die bessere Ergonomie beim Fahren, und die Möglichkeiten, ihn mit modernen Assistenzsystemen auszustatten, sind umfangreicher. Aber das sollte man dann auch tun. Unser Testwagen hatte zum Beispiel keinen Abstandsregeltempomat und ein Lenkrad ohne Bedienknöpfe, da bekommt dann auch der Crafter schnell wieder Nutzfahrzeug-Charme.
Klar besser als beim Fiat ist die Vorderachsfederung, die beim Italiener recht direkt harte Schläge weitergibt. Der Crafter dämpft geschmeidiger. Der Fiat gefällt dagegen mit seiner direkteren Lenkung. Im Test hat der VW einen halben Liter weniger Diesel verbraucht. Und eine ganze Menge weniger Ad-Blue, von dem sich der Weinsberg-Fiat, der sich übrigens bei uns im Dauertest befindet, regelmäßig einige Liter gönnt.
Fiat überzeugt in puncto Raumgefühl
Was die Raumökonomie anbelangt, stellt der Fiat – bedingt durch seinen kompakten Vorderwagen – etwas mehr Innenraumlänge für den Ausbau zur Verfügung als der VW mit längerem Bug. Das kommt im Weinsberg unter anderem dem Bad zugute, das breiter und komfortabler ausfallen darf. Auch die Einstiegshöhe liegt beim Fiat ganze 14 Zentimeter niedriger. Die Karosseriemaße sprechen für den Fiat Ducato, die Fahreigenschaften aber für den VW Crafter, der voll ausgestattet als State of the Art unter den 3,5-Tonnen-Transportern gilt. Geschmeidiger als hinter dessen Lenkrad, mit Achtgang-Wandlerautomatik und Abstandsregeltempomat, rollt man in keinem ausgebauten Van durch den Urlaub.
Die markanten GfK-Hochdächer prägen den Auftritt beider Campingbusse. Ästheten mögen das Dach des Grand California als gelungener empfinden. Es folgt den Linien der Crafter-Basis harmonischer als die etwas verspielt wirkende, sickenreiche Haube, die Weinsberg dem Ducato aufsetzt. Doch das ist Geschmacksache. Beim Campen zählt vor allem das Innenleben, nämlich das Bett darin.
Beim VW läuft es als Option. Serienmäßig ist der Grand Cali nur ein Zwei-Personen-Camper. Der MQH hat es stets an Bord. Wer es nicht braucht, greift besser zu einem der sieben weiteren Carabus-Modelle. Als Box-Star XL findet man den MQH übrigens in ähnlicher Form auch bei der Muttermarke Knaus im Programm, etwas feiner ausgeführt und hochwertiger ausgestattet.
Konzeptionell sind die Dachbetten im VW und Weinsberg durchaus vergleichbar. Die Liegefläche ist jeweils zweigeteilt. Für den Fahrbetrieb stapeln sich beide Hälften sicher fixiert vorn in der Dachnase. Zum Bettenbau zieht man jeweils die obere Hälfte nach hinten und die Liegefläche wächst zu voller Größe. Beim Grand California springt dabei automatisch ein Halteanker aus der Wand, auf dem das Bett aufgelegt wird.
Zusätzlich muss hier noch ein kleines Brettchen umgeklappt werden, damit das Bett zumindest auf einer Seite erwachsenentaugliche 1,90 Meter erreicht. Sonst ist die Bettlänge mit 1,60 Meter nur für Kinder geeignet. Zwei davon sollten mit der Breite von 1,20 Meter zurechtkommen. Auch ein nicht allzu großer Erwachsener kann hier nächtigen, allerdings eher als Gästebett denn als Dauerlösung. Es ist eher ein Kinderbett. Eine Option für Familien, bis die Kinder nicht mehr mit in den Urlaub fahren. Oder für Großeltern, die gelegentlich mal die Enkel mit auf Reisen nehmen.
Das Dachbett im MQH ist da schon deutlich besser für zwei Erwachsene geeignet. Lediglich die aktuell mitgelieferte Leiter, die nach oben führt, ist etwas zu kurz und damit zu steil angestellt. Weinsberg will das nachbessern. Die Aufstiegshilfe kann übrigens zwischen Küchenschrank und Heckbett eingehängt werden und ist dort gut aufgeräumt. Beim VW fährt die Leiter auf dem zusammengeschobenen Dachbett mit, was allein optisch etwas stört.
Die Liegemaße im Dach des MQH schlagen mit 2,00 mal 1,30 Meter die Dachmansarde im VW deutlich. Dazu kommen fünf Zentimeter mehr Kopffreiheit – und hier zählt jeder Zentimeter. Große Dachfenster sind in beiden Probanden vorhanden, im Weinsberg sogar noch zusätzlich ein zweites Panoramadachfenster (Aufpreis) sowie zwei serienmäßige Seitenfenster. Während also im VW da oben eine sehr kuschelige Höhle auf die Kids wartet, bietet der Weinsberg gar ein kleines Schlafzimmer im Obergeschoss, wo auch mal gut ein Elternteil mit einem Kind schlafen kann. Und das dank Licht und Raum ohne größere Beklemmungen. In puncto Schlafkomfort schenken sich die beiden Dachbetten nicht viel. Hier wie dort sind die Matratzen mit einfachen Lattenrosten unterfüttert, jedoch nur zur Hälfte.
Beim Design entscheidet der persönliche Geschmack
Wo man sich wohlfühlt, ist eine sehr individuelle Sache. Die einen empfinden den nüchternen Chic des Grand California als modern und elegant, die anderen als kühl und glatt. Während mancher das Holzdekor des Carabus-Mobiliars für bieder und altbacken hält, würden es andere als wohnlich und gemütlich beschreiben. Vielleicht ist der Grand California eher das Multifunktionsfahrzeug für Alltag und Freizeit. Das schnelle Mittel zum Zweck. Flugs übers Wochenende in die Berge, Wanderklamotten rein und ab. Der Weinsberg zeigt sich eher als Bus für die längere Tour, für das Reisen, ja, für das Campen. Aber natürlich geht beides mit beiden. Auch wenn hier wie dort auf sechs Meter Länge – insbesondere wenn man wirklich zu viert unterwegs ist – der Spruch von dem Platz, der auch in der kleinsten Hütte vorhanden ist, ganz praktisch durchbuchstabiert werden muss.
Sitzen, Essen, Lesen, das passiert gern am Tisch. Bei beiden Campingbussen gibt es eine Halbdinette, also eine Rücksitzbank mit Tisch davor, und die beiden Fahrersitze werden dazu umgedreht. Das geht im Weinsberg etwas einfacher, auch weil der Ducato breiter baut.
Beim Weinsberg ist der Tisch schwebend aufgehängt. Es gibt kein Tischbein, das auf dem Boden steht, sondern eine Dreieckskonstruktion, die sich an der Wand abstützt. Das verhilft zu viel Beinfreiheit und funktioniert prima. Wenn man allerdings die Verlängerungsplatte herausschwenkt, um den Beifahrersitzplatz in die Runde einzubinden, wird der Hebelarm ziemlich lang und somit die Stabilität am Tischende eher gering. Der VW-Tisch steht fest mit einem Bein auf dem Boden, das am Ende auch nicht so gravierend stört.
Die Rücksitzbänke unterscheiden sich stark voneinander. Die VW-Bank ist konturiert und ergonomisch. Eine Fahrsitzbank, auf der sich aber auch abends noch gemütlich sitzen lässt. Die Weinsberg-Bank ist im Vergleich nicht ganz so bequem. Das Sitzpolster kann aber in drei Stufen ausgezogen werden, um es an die Beinlänge anzupassen – mehr Komfort, als solche Bänke sonst oft bieten. Dann fällt der Blick auf die Verdunkelungssysteme an den Fenstern. Beim MQH hängt ein klobiger Rahmen an der Wand, ein eher lieblos aufgesetztes Teil, während beim VW alles sauber aufgeräumt, automotiv integriert ist. Hier und da kann der Carabus seine Herkunft als Vertreter der Einsteigerklasse einfach nicht verbergen.
Spartanische Küche im Grand California
Damit was auf den Tisch kommt, gibt es eine Küche. Beim VW ist die relativ spartanisch konzipiert. Der Stauraum ist knapp. Es gibt keinen Oberschrank. Und da die Kühlbox als Schublade in den Küchenblock integriert ist, bleibt auch hier nicht mehr allzu viel Platz für Kochgeräte und Vorräte. In den Schubladen und Schränkchen des MQH verschwindet dagegen locker alles Nötige, um vier Personen einige Tage zu verköstigen. Der Kühlschrank ist griffgünstig über dem Kleiderschrank eingebaut. Wer auf Letzteren verzichten mag – er ist ohnehin nicht sehr groß –, kann alternativ auch einen größeren Kühlschrank ordern. Was die Kocher und Spülbecken betrifft, schenken sich die beiden nicht viel. Eine Besonderheit der VW-Küche ist allerdings noch die nützliche Arbeitsplattenverlängerung in Form eines Bretts, das zwischen Küchenblock und Bett ausgezogen und auf die Matratze gelegt werden kann.
Wenn das Bett nicht gerade als Topfablageplatz belegt ist, lässt sich ja drin schlafen. Die Platzverhältnisse sind hier im VW kompakter als im MQH, in dem man für einen Querbettgrundriss auch zu zweit exzellent schlafen kann. Leichte Einschränkungen beim VW, der hat eben die Ohren, und je nach Körperlänge der beiden Schläfer teilt man sich ein recht kurzes, breites Stück Bett. Dafür liegt man sehr gut. Matratze und Unterfütterung passen. Beim MQH war im Testwagen einen aufpreispflichtige Komfortmatratze. Auch sehr gut. Während des Test sind zwei Latten des Rosts gebrochen – laut Hersteller eine absolute Ausnahme. Trotzdem. Auch bei einem "Einsteigermodell" sollte die Verarbeitung sorgfältiger sein, Schrauben sind teils zu kurz oder falsch gesetzt und der Fensterrahmen löste sich an der Schiebetür. Immerhin: Ein auf der Messe inspiziertes Exemplar machte einen besseren und guten Qualitätseindruck. Der VW-Ausbau hat dagegen bei der Verarbeitung keine Schwächen gezeigt. Türen, Scharniere und Aufsteller taten das, was sie sollen. Kritik gibt es aber an der Fahrerhausverdunklung. Während die meisten Campingbusse, wie auch der MQH, mit fest installierten Faltrollos an den Fahrerhausscheiben bestückt sind, gibt es für den großen California nur einen labbrigen Vorhang.
Eher zurückhaltend zeigen sich beide Kontrahenten bei der Beleuchtung. Hier wie da kann man aber eine Ambientebeleuchtung optional ordern. Beim nüchtern weißen Interieur des VW ist dieses Extra fast schon obligatorisch, um durch Einstellen einer wärmeren Lichtfarbe eine gemütlichere Stimmung zu erzeugen.
In einem Sechs-Meter-Bus ist ein Bad stets ein Kompromiss. Doch beide Kandidaten überzeugen hier auf ihre Art. Der Weinsberg durch die ansprechende Größe und die fesche Gestaltung. Zum Duschen wird ein Vorhang vorgezogen. Im VW ist die Nasszelle mit Kunststoff ausgekleidet, daher kann man auf den Vorhang verzichten. Das Klappwaschbecken hier ist größer als im MQH. Der hat aber hier mehr Stauraum.
Am Ende muss noch ein Punkt angesprochen werden, an dem beide Fahrzeuge nicht besonders gut aussehen – und zwar in Sachen Zuladung. Gerade mal rund 300 Kilogramm bleiben bei beiden noch, mit voll gefüllten Tanks und Gasvorrat. Was für zwei Personen noch ausreichen kann, ist für die anvisierte Familiennutzung einfach zu knapp. Unverständlich, warum nur beim VW California eine Auflastung ab Werk angeboten wird. Beim Weinsberg Carabus bleibt diese Möglichkeit den 6,36-Meter-Modellen vorbehalten.
Testwertung
(maximal 5 Punkte möglich)
VW Grand California 600
Wohnen: 3,2 Punkte Beladen: 2,6 Punkte Technik: 3,6 Punkte Fahren: 3,8 Punkte Preis & Service: 3,4 Punkte
Weinsberg Carabus 600 MQH
Wohnen: 3,4 Punkte Beladen: 2,8 Punkte Technik: 3,0 Punkte Fahren: 3,3 Punkte Preis & Service: 3,7 Punkte