3.000 Euro Prämie für den VW T5 California

DUH beklagt hohe NOx-Emissionen: 3.000 Euro Prämie für den VW T5 California
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert Strafzahlungen gegen Fiat und will den VW T5 zurückrufen lassen. Der Grund: Zu hohe NOx-Emissionswerte beim Ducato und dem VW Bus. Was ist dran am Vorwurf?
++ Update 30.4.: VW will Nachrüstung von VW-T5-Reisemobilen unterstützen. Als Reaktion auf den Test der DUH stellt der Volkswagen-Konzern jetzt einen Zuschuss in Aussicht, um Abgas-Katalysatoren nachzurüsten. Bis zu 3.000 Euro sollen BesitzerInnen von California auf VW T5 zugutekommen, die noch mit Euro-5-Antrieben unterwegs sind – sofern die "technische Möglichkeit" dazu besteht. Das betrifft etwa 22.000 Exemplare aus den Baujahren 2009 bis 2015. Aktuell entwickle man nachrüstbare SCR-Kats mit Harnstoffeinspritzung für genau diese Modelle. ++
Die Deutsche Umwelthilfe, kurz DUH, wirft nach eigenen Abgasmessungen der Zulassungsbehörde und Verkehrsminister Andreas Scheuer vor, zu hohe Emissionswerte bei Wohnmobilen zu dulden. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch: "Diese ansonsten hochwertigen und langlebigen Fahrzeuge haben für die Halter gerade in Pandemiezeiten einen besonders hohen Wert. Minister Scheuer lässt sie im Dieselabgas stehen und ist dafür verantwortlich, dass gerade die an einer intakten Natur interessierten Wohnmobilnutzer unverschuldet mit den schmutzigsten Abgas-Schleudern fahren und so Atemluft und Natur gerade auch in den Urlaubsregionen verpesten."
Folgt man der Argumentation des Vereins, sind alle Wohnmobile Dreckschleudern. Stimmt das? Und: Worauf basieren die Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe? Wurden Wohnmobil-BesitzerInnen tatsächlich in puncto Abgas betrogen?
Welche Fahrzeuge hat die DUH getestet?
Das Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) der DUH hat Real-Abgas-Tests (RDE) an vier Fahrzeugen unterschiedlicher Aufbauarten durchgeführt:
- Teilintegriertes Reisemobil (Dethleffs), Fiat Ducato Multijet 150 PS, Euro 5
- Integriertes Reisemobil (Pilote), Fiat Ducato Mulitjet 150 PS, Euro 5
- Campingbus (Marke unbekannt), Fiat Ducato Multijet 130 PS, Euro 6b
- Campervan (VW California), VW T5 2,0 TDI 102 PS, Euro 5
Alle Diesel überschreiten laut DUH die Grenzwerte der jeweiligen Schadstoffklassen beim NOx-Ausstoß. Die Messwerte würden eine Überschreitung um den Faktor 4,6 bis 19 ergeben.
Das EKI hat laut DUH beim VW T5 2.0 TDI California mit der Abgasnorm 5 (NOx-Grenzwert von 280 mg/km) Emissionen von durchschnittlich 1.343 mg/km gemessen und damit eine Überschreitung um den Faktor 4,8. Die Messungen habe man bei Außentemperaturen zwischen +6 und +11 Grad Celsius durchgeführt.
Der Grenzwert für den Fiat Ducato 130 Multijet Euro 6b, der vor weniger als zwei Jahren erstmals zugelassen wurde, liegt bei 125 mg/km. Im Durchschnitt der EKI-Messungen liege der NOx-Ausstoß bei 1.520 mg/km. Damit überschreite das Fahrzeug den Grenzwert durchschnittlich um den Faktor 12,2. Insbesondere nach einem Kaltstart sowie bei geringen Außentemperaturen zwischen +1 und +2 Grad Celsius stiegen die NOx-Emissionen auf 2.377 mg/km (das 19-fache des Grenzwerts). Die DUH schließt daraus auf eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung. Allerdings ist gerade der Kaltstart für die Abgasreinigung besonders schwierig, das Abgasverhalten währenddessen ist aber auch nicht von langer Dauer.
Wie kann es zu erhöhtem Ausstoß kommen?
Das Verfahren, das in den zitierten Tests verwendet wurde, sind Verbrauchsfahrten im Real-Abgas-Test, kurz RDE-Test ("Real Drive Emissions"). Dafür werden Mess-Apparaturen (Portable Emission Measurement System, PEMS) am Auspuffrohr angebracht und die Emissionen der Fahrzeuge im Betrieb auf der Straße getestet. Dieses Testverfahren muss ein Fahrzeug bestehen, um die Abgasnorm Euro 6d temp oder höher zu bekommen.
Fahrzeuge, die Abgasnormen vor Euro 6d temp erfüllen, wie die oben genannten Testfahrzeuge, mussten für ihre Zulassung keinen RDE-Test absolvieren. Daher kann es zu großen Unterschieden kommen zwischen Grenzwert (zulassungsrelevant) und realen Messwerten.
Betrug bei den Emissionswerten?
Diese Frage stellen sich VerbraucherInnen seit dem Dieselskandal 2015. Deshalb wurde das RDE-Testverfahren von den Behörden eingeführt. Der Anlass: Bei Fahrzeugen des VW-Konzerns fanden eine amerikanische Universität und die US-Umweltbehörde unzulässige Abschalt-Einrichtungen für die Abgasreinigung (Stichwort: "Schummel-Software"). Die sorgten dafür, dass die Abgasreinigung vor allem auf dem Prüfstand gut funktionierten, wo die Messungen vor Euro 6d temp ausschließlich absolviert wurden.
Abseits des Prüfstands legte die Software weniger Wert auf die Abgaseinigung und mehr auf Leistung und Verbrauch, deshalb stiegen die Emissionswerte in der Praxis stark an. Real-Abgas-Tests decken diesen Zusammenhang auf. Das Problem: Auch ohne Schummel-Software können die realen Emissionswerte deutlich höher liegen als die Grenzwerte, denn eine Überprüfung auf der Straße war bis dahin nicht vorgeschrieben.
Alle früheren Euronormen, also auch die Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6, müssen die festgelegten Grenzwerte nur beim vorgeschriebenen Testzyklus auf dem Prüfstand bestehen. Außerdem reichte es hier noch, diese Werte beim alten NEFZ-Zyklus ("New European Driving Cycle") zu erreichen. Das Verfahren wurde bereits 1992 eingeführt und ist wenig anspruchsvoll, was Leistung und Dauer angeht.
Seit September 2017 gilt der WLTP-Zyklus ("Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure") bei Pkw als Prüfverfahren. Diesen Test muss ein Fahrzeug bestehen, um die Schadstoffklasse Euro 6c zu erhalten. Hier kommen zwar verschärfte Testkriterien zum Einsatz, beispielsweise sind die Prüfzykluszeiten länger, die Geschwindigkeiten sind höher und der Anteil von Standzeit ist geringer. Doch auch hier "fährt" das Auto den Zyklus nur unter Laborbedingungen auf dem Prüfstand.
Fazit: Die von der DHU getesteten Fahrzeuge haben eine ältere Schadstoffklasse 5 und 6b. Für die Zulassung mussten sie nur in NEFZ-Tests auf dem Prüfstand zeigen, dass sie die jeweiligen Grenzwerte nicht überschreiten. Real-Tests bestehen sie daher nicht. Rechtlich gesehen, ist das kein Betrug. Die Frage ist, ob bei Fiat verbotene Abschalteinrichtungen zum Einsatz kamen. Die Testreihen der DUH können das nicht direkt beweisen.
Sind die Vorwürfe neu?
Nein. Das Thema "Dieselgate" ist seit 2015 bekannt. Verschiedene Pkw hat auto-motor-und-sport schon 2016 im RDE-Verfahren getestet und die Abweichungen veröffentlicht. Solche Tests bei Reisemobilen hat promobil bereits 2017 mit verschiedenen Fahrzeugmarken durchgeführt und konnte auch hier teils starke Abweichungen, aber auch Unterschreitungen der Grenzwerte im realen Verkehr feststellen.
Fakt ist: Die verschärften Regeln mit RDE-Tests sorgen dafür, dass Fahrzeuge ab Klasse 6d temp tatsächlich weniger Emissionen verursachen. Doch was ist mit den alten Fahrzeugen?
Was würden Stilllegung, Nachrüstung und Strafzahlungen bringen?
Seit 2016 wissen die Behörden in Deutschland von den teils deutlichen Grenzwertüberschreitungen im Realverkehr, recherchierte auch das ARD-Magazin Plusminus ( siehe hier). Gleichzeitig ermittelt die hessische Polizei in einem Strafverfahren gegen Fiat-Chrysler wegen Betrug.. Im vergangenen Jahr gab es bereits Razzien bei Fiat und Iveco wegen verbotener Abschalteinrichtungen. Die DHU fordert, dass die Automobilindustrie abgestraft wird.
Immer mehr private KundInnen reichen Klage gegen Autohersteller ein. Ihre Befürchtung: Dass ihre Campingfahrzeuge stillgelegt werden könnten oder ihnen ein herber Wertverlust droht, falls sie in der Schadstoffklasse herabgestuft werden oder im schlimmsten Falle die Stilllegung droht.
Strafzahlungen oder behördlich verordnete Nachrüstungen würden die Automobilhersteller empfindlich treffen. Laut Umwelthilfe hat FiatChrysler in den USA 259 Millionen Dollar gezahlt, um ein Verfahren wegen Betrug. bei den Diesel-Emissionstest einzustellen. Außerdem entschädigte die Marke die Verbraucher selbst: "Fiat-Chrysler hat in den USA bisher 800 Millionen Dollar in Zivilprozessen an US-Bundesbehörden und Fahrzeugeigentümer gezahlt."
Fiat sieht sich nicht in der Schuld
Auf Nachfrage bei Fiats-Automobilholding Stellantis während eines Roundtables zum Thema E-Ducato sagte Eric Laforge, Vorsitzender von Fiat-Professional Europa: "Wir sehen uns nicht verantwortlich, da alle Zulassungs-Regularien bei der Homologation beachtet wurden. Alle neuen Fahrzeuge erfüllen die Emissionswerte der Euronorm 6d temp."
Die hohen Emissionswerte der Tests können sie sich nicht erklären, sofern die Ducato-Fahrzeuge von den Wohnmobil-Firmen regelkonform zu Campingfahrzeugen umgebaut wurden: "Wir wissen nicht, wie die Testergebnisse zustande kamen und vermuten, dass die Fahrzeuge überladen getestet wurden." Eine Nachrüstung älterer Fahrzeuge werde man daher nicht anbieten.
Fiat sei darüber hinaus mit mehreren deutschen Wohnmobil-Marken in Kontakt, da Interesse bestehe, den E-Ducato zum Campingfahrzeug auszubauen. Konkrete Markennamen nannten die Vertreter von Stellantis nicht.
Was können Wohnmobil-BesitzerInnen tun, um Emissionen zu verringern?
Wer ein Reisemobil oder einen Campingbus neu kauft, sollte unbedingt darauf achten, dass das Neufahrzeug die Schadstoffklasse Euro 6d temp oder besser erfüllt. Manche aufgebaute Wohnmobile werden von den Herstellern als schwere Nutzfahrzeuge homologiert, sprich für sie gilt die Lkw-Schadstoffklasse Euro VI – hier gibt es keine Abstufung zwischen a, b, c und d. Technisch lassen sich auch hier niedrige Emissionen sicherstellen, indem das Fahrzeug einen SCR-Katalysator verwendet.
Der SCR-Katalysator sorgt unter Einspritzung von Harnstoff dafür, dass ein Dieselmotor tatsächlich viel weniger bis so gut wie kein NOx ausstößt. Ob ein Fahrzeug diese Technik verwendet, erkennt man an einem AdBlue-Tank und dem entsprechenden Einfüllstutzen meist neben dem für den Treibstoff. Wichtig bei dieser Art der Abgasreinigung ist allerdings auch die Einspritzung von Harnstoff in ausreichender Menge, wie unser Test 2017 ergab.
Die neuere Version des VW Transporters verfügt über eine solche SCR-Abgasbehandlung. Die neueste Version des Fiat Ducato ebenfalls.
Für den Kauf von Gebrauchtfahrzeugen oder für CamperInnen mit älteren Fahrzeugen interessant: Bei vielen Modellen lässt sich so eine SCR-Abgasnachbehandlung beispielsweise im Fiat Ducato nachrüsten – Kostenpunkt: 1.400 bis 3.300 Euro. Ein reines Software-Update, um das Fahrzeug sauberer zu machen, genügt häufig nicht, wie auto motor und sport bei Pkw feststellte.