Reise-Ziel für Gipfelstürmer & Genießer

Das Herz des beeindruckenden Nationalparks Hohe Tauern schlägt im Salzburger Oberpinzgau. Eine sommerliche Wohnmobil-Tour in die schönsten Sackgassen Österreichs.
Schleierartige Kaskaden überziehen die dunklen Felsen mit einem silbrig leuchtenden Netz. Sie strömen dem Hintersee entgegen, der die letzten Schneefelder der Hohen Tauern auf seiner stillen Oberfläche reflektiert. Das Felbertal im Salzburger Oberpinzgau ist ein Idyll, wie von einem Maler der Romantik-Ära auf die Leinwand gehaucht. Arnika und Margeriten, Kuckucksnelken und Glockenblumen sprenkeln die Bergwiesen. Eine Etage höher kämpfen sich Büschel von Enzian aus dem Boden. Die Schätze des Nationalparks Hohe Tauern zeigen sich in bestem Licht und lassen die Herzen der Naturfreunde höher schlagen.
Mit einer Fläche von 1856 Quadratkilometern bildet der Nationalpark das größte Schutzgebiet der Alpen. Drei Länder – Salzburg, Osttirol und Kärnten – teilen sich den Naturhappen. Zu den größten Attraktionen des Nationalparks zählen die von Gletschern ausgekerbten Seitentäler der Salzach, die in einem Riegel aus dunklem Fels und gleißendem Eis am Alpenhauptkamm enden. Ganz im Westen beginnt der Reigen im Krimmler Achental mit einem Naturspektakel ersten Ranges. Schon von Weitem erfüllt ein Brausen die Luft. Über drei Geländestufen und 380 Meter rauschen die Wassermassen der Krimmler Ache in die Tiefe. Beim Aufprall stülpt sich eine Glocke aus Gischt über die Spaziergänger, die "Österreichs Niagarafälle" auf dem mit Aussichtskanzeln versehenen Schaupfad in Augenschein nehmen.
Abwechslungsreiches Programm im Sommer
Die Nationalpark-Gemeinden legen sich tüchtig ins Zeug, um ihren Gästen die "schönsten Sackgassen" Österreichs näher zu bringen. Lehrpfade, Naturspielplätze, Wanderwege in allen Schwierigkeitsstufen, Almfeste und geführte Touren sorgen von Juni bis weit in den September hinein für ein buntes Programm. Im Auftrag des Tourismusverbandes Wildkogel-Arena begleitet Christoph Mösenlechner den Sommer über Familien auf dem Venedigerweg ins Obersulzbachtal. Auf einer Hängebrücke wird der rauschende Obersulzbach überquert. Bald schon haben die Wanderer gelernt, dass sich aus dem Pflanzenreich am Wegesrand eine kleine Hausapotheke zusammenstellen lässt. Dass ein Tee mit Spitzwegerich-Blättern gegen Husten hilft oder etwas über die guten Dienste der Heilpflanzebei Mückenstichen. "Kauen und auf der betroffenen Stelle verreiben. Das nimmt binnen Minuten den Juckreiz", erzählt der junge Bergwanderführer.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Nach eineinhalb Stunden ist die Berndlalm erreicht, wo das Tal erstmals Luft bekommt. Am südlichen Horizont spießen schneeumkränzte Gipfel Löcher in den Himmel. Wer noch Reserven hat, marschiert weiter und wird am Talende mit einem Blick auf den Großvenediger belohnt. Die örtliche Bergmajestät, 3657 Meter hoch, ist ein Ziel für geübte Alpinisten. Doch auch im Vorhof der Gletscher zeigt sich die Natur spektakulär genug. Wenige Meter über dem Berggasthof Berndlalm haben sich Murmeltiere in die Almwiese eingegraben und pfeifen um die Wette, wenn ihnen Wanderer – oder ein Steinadler – zu dicht auf den Pelz rücken.
Zwei Täler ostwärts rückt der Smaragdweg den sagenhaften Mineralienreichtum der Hohen Tauern in den Fokus. Der mit Schautafeln und Audiostationen ausgestattete Lehrpfad ins Habachtal klingt am Leckbach mit einem Urlaubserlebnis der besonderen Art aus. Das Rinnsal befördert Schuttmaterial aus einer alten Smaragdmine zu Tal. Wem der Sinn nach einem originellen Urlaubssouvenir steht, leiht sich am Gasthof Alpenrose Kelle und Sieb aus und begibt sich auf Schatzsuche. Schaufeln, sortieren, Wasser darüber laufen lassen – und mit Adleraugen begutachten, was sich im Sieb abgesetzt hat. Splitter des grünen Edelsteins sind im Geröll durchaus noch zu finden, allerdings nur für jene, die viel Sitzfleisch mitbringen.
Viele ihrer Preziosen haben die örtlichen Mineraliensammler dem Museum in Bramberg überlassen. Bergkristall-Brocken, Smaragde, Epidote, Sphene, Adulare – in allen Farben und in bizarren Formen leuchtet es aus den Vitrinen. Im selben Museumskomplex rund um das 700 Jahre alte Wilhelmgut stellt der Oberpinzgau auch sein reiches bergbäuerliches Erbe zur Schau. Prachtvoll bemalte Kästen und Truhen zieren die niedrigen Räume. Manch alte Handwerkstradition hat in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebt – etwa die Schafwollverarbeitung. Von Hüten über Walkjanker bis zu "Doggeln" – so heißen die Hausschuhe, die einem den Winter über die Füße kuschelig warm halten – spannt sich die Palette der modischen Erzeugnisse, die im "Wollstadel" nebenan zu erstehen sind.
Etwas außerhalb von Bramberg wagt der Weyerhof einen kulinarischen Brückenschlag zwischen Alt und Neu. Kasnocken, Kaiserschmarren und weitere Pinzgauer Klassiker werden in den vertäfelten Stuben des einstigen Herrensitzes kredenzt. Doch die überlieferten Rezepte aus der Region dienen Franz Meilinger und Andreas Stotter als Inspiration für allerlei alpine Überraschungen à la Saiblingsfilet mit Holundervinaigrette und Hirschtatar mit Preiselbeeren.
Auch im Winter ein Erlebnis
Von Krimml erstreckt sich der Oberpinzgau ostwärts bis vor die Tore von Zell am See. Die an drei Seiten von Bergen eingekeilte Region fristete lange ein touristisches Mauerblümchendasein. Das ist Schnee von gestern. Heute lebt die Region in erster Linie vom Wintersport, der für weit höhere Umsätze als der Nationalparktourismus sorgt. In den Kitzbüheler Grasbergen nördlich der Salzach finden Skifahrer traumhafte Bedingungen vor. Und wer im Sommer statt dem reinen Wandererlebnis auch mal mehr Action und Adrenalin bevorzugt, ist am "Erlebnisberg" Wildkogel an der richtigen Adresse. Von Bramberg aus schwebt man mit der Smaragdbahn auf über 2000 Meter Höhe. Hat man sich am Gipfelmeer der Hohen Tauern gegenüber einmal sattgesehen, kann man den Weg ins Tal entweder gemütlich zu Fuß oder eine Spur rasanter mit geländegängigen Mountaincarts zurücklegen.
Jodeln macht glücklich
Zu Österreichs Bergen gehört Jodeln wie Kaiserschmarren und Lederhose. Was liegt also näher, so fragten sich vor einigen Jahren Touristiker im Pinzgau, als auch den Besuchern der Alpenrepublik ein kleines Jodel-Einmaleins mit auf die Wanderung zu geben? Dieses Ziel verfolgt der nach eigenen Angaben "1. Jodelwanderweg der Welt" im Almdorf Königsleiten am Gerlospass. An Audiostationen erklingt das Original. Lauschen, Stimmbänder vibrieren lassen, und los geht’s mit Hollaröhdulliöh! Der mit Installationen wie Riesen-Alphorn und begehbarer Kuhglocke versehene Pfad startet an der Bergstation der Dorfbahn. Und mögen die Töne auch nicht auf Anhieb getroffen werden – gute Laune macht das Jodeln allemal! Der Jodelwanderweg ist im Sommer zu Öffnungszeiten der Dorfbahn Königsleiten kostenlos nutzbar. Jeden zweiten Mittwoch im Sommer gibt’s eine geführte Jodelwanderung. Anmeldung im Tourismusbüro, Telefon 00 43/65 65 82 43, www.jodelweg.at
Stell- und Campingplätze in der Region
Informationen
Zum Nationalpark und den Nationalparktälern: www.nationalpark.at, Telefon 00 43/7 20 71 07 30, www.wildkogel-arena.at
Schlechtwetter-Tipp: Nationalparkzentrum Hohe Tauern, Gerlosstraße 18, A-5730 Mittersill, geöffnet täglich 9–18 Uhr, Telefon 00 43/6 56 24 09 39, www.nationalparkzentrum.at