M5-Alternative mit V8
Der erste 5er mit V8 ist eine günstige Alternative zum M5. Statt eines Reihensechsers sorgt der M60-V8 für Kraft, Kultur und Klang. Kaufberatung.
Noch fällt es schwer, im 5er-BMW der dritten Generation einen echten Klassiker zu sehen. Doch wenn wir den orient-blauen 540i auf diesen Seiten genauer betrachten, dann gibt es Stilmittel, die trotz aller Zeitlosigkeit auf eine vergangene Auto-Mode hindeuten: Die leicht keilförmige Karosserie wirkt breit und niedrig. Sie zeigt kantige Grundzüge, Rundungen sucht man trotz des kunstvoll herausmodellierten vorbildlichen cW-Werts von 0,31 vergebens. Die Fensterflächen sind groß, und die Gürtellinie ist niedrig, außerdem prägen die freigestellten Doppelscheinwerfer in der steilen Frontpartie das typische BMW-Gesicht. Stilist Ercole Spada, vormals Designer bei Zagato, gelang mit dem Fünfer E34 unter der Regie von Claus Luthe ein überzeugender Spagat zwischen Tradition und Moderne.
Mit einer Stückzahl von 1,3 Millionen Exemplaren sichert sich der dritte 5er vor allem als Touring immer noch eine gewisse Präsenz im Straßenbild, auch das lässt ihn nur zögernd zum Klassiker reifen. Vor allem einst gängige Modelle wie 520i, 525i und 525tds findet man immer noch in den hinteren Reihen der Kiesplatzhändler. Bei den 1992 erschienenen V8-Modellen, erkennbar an der breiten Niere und einem speziellen Frontspoiler mit Kanälen für die Bremsenkühlung, ist die Lebenslage gleich viel besser: Der sanfte 530i mit 218 PS und erst recht der furiose 540i mit 286 PS sind längst in den Garagen der Liebhaber feiner Automobilkultur angekommen.
Subtil aufgewertetes Interieur
Auch das Interieur der Achtzylinder-Autos zeigt sich aufgewertet. Hochwertige Veloursstoffe wie beim repräsentativen Topmodell Siebener E32 und mit Edelholzfurnier dekorierte Türverkleidungen samt Instrumententafel sorgen für Behaglichkeit. Auf der ebenfalls holzvertäfelten Mittelkonsole wohnt bei den V8-Brüdern meist ein lederbezogener Wählhebel für die ZF-Fünfgangautomatik mit Economy- und Sport-Programm. Begehrenswerte Schaltgetriebe-Versionen sind selten. Vor allem der später nachgereichte Sechsgang-540i für damals 82.200 Mark erhitzt heute die Fan-Gemüter, denn in ihm breitet sich schon vehement sportives M5-Feeling aus.
Zwar existiert immer noch dank kerniger 315 Hochdrehzahl-Pferde ein wackeres Leistungsplus von 29 PS zugunsten des legendären 3,5-Liter-Sechszylinders, der in direkter Linie vom Triebwerk des M1 abstammt. Aber dafür hat der Achtzylinder in unserem 540i zwei Zylinder und mit 400 Nm glatte 40 Newtonmeter mehr zu bieten. Vierventiler mit jeweils einer Nockenwelle für die Ein- und Auslassventile sind beide, unter den Nocken tragen sie Tassenstößel. Erst die zweite Ausbaustufe mit 3,8 Litern Hubraum, 340 PS und nunmehr 400 Nm vergrößert den Abstand zum abgehobenen, 124.000 Mark teuren Überflieger M5.
Atmosphäre von dezentem Luxus
Der orientblaue 540i empfängt seinen Fahrer mit dem dezenten Luxus der Executive-Ausstattung für die populäreren Sechszylindermodelle. Es ist eine besondere, funktionelle Ästhetik, die in diesem Interieur des vornehm gerafften Nappaleders herrscht, nichts wirkt übertrieben oder gar deplatziert.
Kopfstützen im Fond, vier elektrische Fensterheber, ein großer Bordcomputer und ein griffiges lederbezogenes Airbag-Lenkrad sind schöne Dinge, die von einem wertvollen Automobil künden. Die Sitzposition passt auf Anhieb, obwohl mannigfache Verstellmöglichkeiten geboten werden. Sofort nach dem Anlassen und ein paar gänzlich überflüssigen, aber Triebwerk wie Fahrer gleichermaßen stimulierenden leichten Gasstößen wird klar, dass man es mit einem Achtzylinder zu tun hat.
Dieser wohlig-sonore Klangteppich sorgt schon bei niedrigen Drehzahlen für eine aufregend spürbare Distanz zum Gemeinen. So ein leiser, fauchender und kurz vor dem Rot im Drehzahlmesser zornig brüllender V8 ist die höhere Weihe des Antriebs. Von der Fünfgangautomatik domestiziert, ohne jeglichen manuellen Eingriff oder gar Kickdown, liefert der bilderbuchhafte Vierlitermotor eine überaus lässige Mühelosigkeit des Dahingleitens. Sie weist schon transzendente Züge auf und wird als unerhört genussvoll empfunden. Verstärkt wird dieses Gefühl vom Bewusstsein, in einem gänzlich undramatischen Wagen unterwegs zu sein: Ein Jedermann-520i fährt scheinbar für die Außenwelt spazieren, aber der 540i-Fahrer zelebriert die hohe Kunst der Fortbewegung. Er reist komfortabel, kultiviert und elitär.
Eindrucksvolle Fahrleistungen
Aber die dynamische Nähe zum M5 ist nicht gespielt oder konstruiert, deshalb verfängt die oft geäußerte Demütigung nicht, der BMW 540i sei ein M5 für Arme. Tacho 250 km/h ist möglich, danach wird bei beiden abgeriegelt. Wenn man es darauf anlegt, stürmt selbst der automatisch geschaltete 540i in 7,2 Sekunden auf Tempo 100, was zumindest nahe an den 6,5 Sekunden des frühen 315-PS-M5 liegt. Das Fahrwerk der beiden Fünfer-Platzhirsche gehorcht genau wie das Design traditioneller BMW-Doktrin – vorne doppelte Querlenker und MacPherson-Federbeine, hinten die bewährte Schräg- lenkerachse ebenfalls an Federbeinen.
Eine komplizierte Mehrlenkerachse vermisst man nicht, sie zögert nur die ersehnte Übersteuerneigung im Grenzbereich, die einen BMW unter Kennern so fahrfreudig macht, unnötig hinaus. Aber es ist nicht nur das. Es ist der Gleichklang von Form, Ambiente, Sound, Leistung und Fahrgenuss, der den 540i ziemlich unerwartet zu einem begehrenswerten Automobil macht.