Franzosen klauen Island-Jubel: Woher kommt der "Viking-Chant"?

Jetzt gehen alle auf die Franzosen los: Wie kann man den armen kleinen Isländern nur ihren ganz speziellen und innovativen Jubel klauen? Doch stammt der "Viking-Chant" überhaupt von den Inselbewohnern oder haben sie sich selbst bei anderen bedient?
Es war der Aufreger nach dem Triumph der Franzosen im EM-Halbfinale gegen Deutschland: Die Equipe Tricolore baute sich vor ihren Fans auf und bat den Fanblock um Stille. Dann breiteten die Spieler martialisch ihre Arme aus und fingen an im Takt gemeinsam mit ihren Anhängern zu klatschen. Bei jedem Schlag donnerte ein Huh aus den Kehlen von knapp 70.000 Franzosen im beeindruckenden Stadion von Marseille. Moment: Das kennen wir doch irgendwoher...
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Klar, die Franzosen imitierten dabei den Schlachtruf der Isländer, die dieses Prozedere nach jedem EM-Spiel mit ihren Landsleuten und nach der Ankunft mit 20.000 Daheimgebliebenen in Reykjavik zelebrierten. Doch der Jubel-Klau von Griezmann und Co. kam im Netz überhaupt nicht gut an. Es folgte ein Shitstorm der besonderen Art:
Große Aufregung im Netz
Der Twitter-Account "Icelandic Football" - betrieben von zwei Sportjournalisten - reagierte umgehend auf die Jubel-Kopie: "Jesus Christus, Frankreich. Ihr habt uns geschlagen. Findet euren eigenen Weg, einen Sieg zu feiern." Garniert war der Tweet mit dem Hashtag #peinlich. Auch zahlreiche andere User regten sich mit Teils drastischen Worten über das Franzosen-Imitat auf. Auch der Isländische Fußballverband griff die Szene auf Facebook auf: "Schön zu sehen, dass Frankreich unseren Fangesang ehrt. Aber keiner macht es besser als Island."
Doch woher stammt der Island-Jubel eigentlich, der sich in das kollektive Gedächtnis der EM-Gucker gebrannt hat. Haben die Inselbewohner überhaupt das Patent auf diesen Schlachtruf? Ist es gar ein alter Wikinger-Brauch? Die kurze Antwort lautet: Mitnichten.
Woher kommt der "Viking-Chant"?
Fakt ist, dass die Isländer mit ihren tollen Fans diesen Schlachtruf bei ihrem überragenden EM-Auftritt publik gemacht haben. Erfunden haben sie ihn aber nicht. Das neuerdings im englischsprachigen Raum "Viking-Chant" genannte rhythmische Klatschen stammt ursprünglich nämlich aus Schottland.
Fans des FC Motherwell aus der schottischen Premier-League benutzten diesen angsteinflößenden Gesang bereits lange vor der EM 2016, zu Beginn ihres Vereinslieds "Since I Was Young". Am 17. Juli 2014 trat der damalige isländische Meister UMF Stjarnan Gardabaer in der Qualifikation für die Europa League gegen die Schotten an und die Fans waren offensichtlich von dem Schlachtruf begeistert. Die mitgereisten Fans nahmen ihn mit auf die eigene Insel und übertrugen die Huh-Rufe auf ihre Nationalmannschaft.
Fragwürdig bleibt natürlich dennoch, ob die billige Kopie der Franzosen sich imagefördernd auf die Nationalmannschaft auswirken wird. Dem eigentlichen Urheber, die Fans des FC Motherwell, wurde der Schlachtruf allerdings bereits lange vor dem gestrigen Abend stibitzt. Beeindruckend war die Performance der Isländer und ihre anschließenden "Viking-Chants" natürlich trotzdem.