Das SID-Kalenderblatt am 1. September: Fischer bezwingt Spasski

Das SID-Kalenderblatt am 1. September: Fischer bezwingt Spasski
Hamburg (SID) - Der neue Weltmeister Bobby Fischer traf auf der Bühne der Laugerdal-Halle von Reykjavik ein, die 21. Partie, am Vortag unterbrochen, stand auf Gewinn für ihn. Da meldete sich Titelverteidiger Boris Spasski telefonisch beim deutschen Schiedsrichter Lothar Schmid und gab auf.
Es war der leise Schlussakkord eines Duells, das die Menschen weltweit in den Bann zog, nicht nur die Experten und Analysten des königlichen Spiels. Der exzentrische Herausforderer aus den USA gegen den linientreuen Sozialisten Boris Spasski - und das mitten im Kalten Krieg zwischen den beiden Supermächten.
Der Druck lastete vor allem auf Spasski, seit 1946 waren alle Schachweltmeister aus der Sowjetunion gekommen. Und nun schickte sich sich ein kapriziöser und meist übellauniger US-Amerikaner an, diese rote Bastion zu schleifen.
Fischer provozierte seinen Gegner, wo er nur konnte. Mal trat er zu einer Partie einfach nicht an, dann fand ein Duell in einem Nebensaal statt, weil sich der damals 29-Jährige von den 2500 Zuschauern gestört fühlte. Auch über die Qualität der Sessel, in denen die beiden Kontrahenten fast täglich Platz nahmen, wurde gestritten.
Spasski scheiterte mehrfach an seinen Nerven, das Ballyhoo Fischers setzte ihm mehr und mehr zu. Von den letzten zehn Partien gewann der seinerzeit 35-Jährige keine einzige mehr. "Fischer ist mir immer wieder wie ein Fisch aus den Händen geglitten", klagte Spasski nach seiner endgültigen Niederlage.
Genau 20 Jahre später trafen sich die beiden Kontrahenten in Belgrad. Es ging um keinen Titel mehr, nur um Geld. Fischer gewann erneut und kassierte dafür 3,65 Millionen US-Dollar.
Der finanzielle Reichtum machte ihn nicht glücklich. Rastlos vagabundierte er um den Globus, bis er 2008 an Nierenversagen starb. Auch Spasski verließ nach dem Jahrhundertmatch seine Heimat und lebte lange in Frankreich. Begegnet sind sich die beiden Schachgenies nach ihrem umstrittenen Rematch in Serbien nie wieder.