Das SID-Kalenderblatt vom 9. Dezember: Ultsch erster deutscher Judo-Weltmeister

Das SID-Kalenderblatt vom 9. Dezember: Ultsch erster deutscher Judo-Weltmeister
Köln (SID) - Das altehrwürdige Stade Pierre de Coubertin zu Paris kochte an diesem 9. Dezember. Die Franzosen, das damals schon judoverrückteste Volk Europas, wollten einen der Ihren zum Weltmeistertitel brüllen. Michel Sanchis, 28 Jahre alt und ein Bulle von einem Mittelgewichtler, sollte sich und würde sich Gold abholen. Daran bestand kein Zweifel. Fast kein Zweifel. Denn sein Gegner hatte einen anderen Plan.
Detlef Ultsch, vier Jahre jünger, hieß Sanchis' Finalkontrahent. Und der Kämpfer aus der früheren DDR, vom Hauptstadtklub Dynamo Hoppegarten, um genau zu sein, jener Ultsch also, der diese fantastischen Ausheber im Repertoire hatte, ließ sich vom Lärm nicht beeindrucken. Wenige Minuten später war er der erste deutsche Judo-Weltmeister der Geschichte.
"Wenn Vater auf die Matte ging, war er wie ein Stier", sagte Sohn Christian, selbst ein Weltklasse-Judoka, später. Diese Mentalität, die Detlef Ultsch großmachte, musste jener aber zunächst zu nutzen wissen.
"Am Beginn meiner Laufbahn heulte ich nach jeder Niederlage noch wie ein Schlosshund, ehe ich lernte, meinen Ehrgeiz in die richtigen Bahnen zu lenken", sagte Ultsch: "Verlieren will genau so gelernt sein wie der Erfolg."
Erfolge hatte Ultsch große, nach 1979 wurde er auch 1983 Weltmeister. Schmerzhafte Niederlagen erlitt er aber ebenso: Siebenmal stand Ultsch bei Europameisterschaften auf dem Treppchen, Europameister wurde er nie.
Vor allem aber blieb ihm der so ersehnte Olympiasieg verwehrt: 1980, bei den ersten Boykottspielen in Moskau, gewann Ultsch Bronze. 1984, als er zum Abschluss seiner Karriere in Los Angeles ganz nach oben wollte, boykottierte die DDR die Spiele. Stattdessen siegte sein bundesdeutscher Rivale Frank Wieneke.
Diesen beerbte Ultsch 2008 als Bundestrainer, nachdem Wieneke Ole Bischof in Peking zum Olympiasieg geführt hatte. Unter Ultsch holte Bischof vier Jahre später in London Silber - dieses vermaledeite Olympiagold, es blieb Ultsch verwehrt. Anders als jenes vor 41 Jahren in Paris, welches der Auftakt zu großen Judo-Jahren - im Osten wie im Westen - war.