McLaren über Ajan: Im Gewichtheber-Weltverband herrschte "Kultur der Angst"

McLaren über Ajan: Im Gewichtheber-Weltverband herrschte "Kultur der Angst"
Köln (SID) - Autokratischer Führungsstil, versickerte Millionenbeträge und zahlreiche vertuschte Dopingfälle: Professor Richard McLaren (75) hat zum Abschluss seiner unabhängigen Untersuchung des Gewichtheber-Weltverbandes IWF unter Präsident Tamas Ajan (81) das erwartet düstere Bild gezeichnet. "Ich habe eine Organisation vorgefunden, in der eine Kultur der Angst bis in die höchsten Ebenen herrschte. Wer Ajan herausforderte, wurde entweder bestraft oder schikaniert", sagte McLaren am Donnerstag im Rahmen der Präsentation seiner Erkenntnisse.
Der umstrittene Langzeit-Präsident war im April angesichts der schweren Vorwürfe zurückgetreten. Aufgedeckt hatte den Fall die ARD-Dopingredaktion in der Dokumentation "Geheimsache Doping - Der Herr der Heber" im Januar.
McLaren bezeichnete den Vorstand der IWF unter dem Ungarn nun als "dysfunktional und ineffektiv: Dr. Ajan nahm jedem außer sich selbst die Möglichkeit, die Geschäfte und Angelegenheiten der IWF zu durchblicken." Bei den vergangenen beiden Wahlkongressen seien zudem im großen Stil Stimmen für den Präsidenten gekauft worden.
Die Kontrolle, die Ajan sogar nach seiner 90-tägigen Suspendierung im Januar noch im Verband hatte, stellte McLaren auch im Rahmen seiner Untersuchung fest. Aus den Spitzen der Mitgliedsverbände "fehlte die Kooperation", bei den Athleten sei "die Bereitschaft zu sprechen quasi nicht existent" gewesen.
In weiten Teilen widmet sich McLarens gut 120 Seiten starker Bericht zudem dem "finanziellen Missmanagement", hier empfiehlt der Kanadier eine tiefergehende unabhängige Prüfung der vergangenen zehn Geschäftsjahre. Die McLaren-Untersuchung stellte fest, dass der Verwendungszweck von insgesamt 10,4 Millionen US-Dollar in diesem Zeitraum unklar sei.
"Die Hauptquelle dieses Geldes waren Dopingstrafen, die direkt und in bar an den Präsidenten gezahlt wurden sowie große Mengen Bargeld-Abhebungen von den IWF-Konten, besonders im Vorfeld von Großereignissen oder Kongressen", hieß es im Bericht. Die Möglichkeit, Dopingstrafen cash zu begleichen, müsse der Verband abschaffen.
Mit Blick auf das Dopingsystem der IWF habe Ajan zweifellos an mancher Stelle Ermittlungen behindert, das echte Problem sei aber die "Doping-Kultur innerhalb des Sports". Allein McLarens Untersuchung habe 40 positive Fälle aufgedeckt, denen nie nachgegangen wurde, darunter auch Gold- und Silbermedaillengewinner bei Weltmeisterschaften. Die Informationen seien für tiefergehende Untersuchungen an die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) weitergeleitet worden.
Die Verfehlungen in diesem Zusammenhang seien indes nicht bei der ungarischen Anti-Doping-Agentur HUNADO zu finden. Diese habe korrekt und in Übereinstimmung mit dem WADA-Code gehandelt. In der ARD-Dokumentation war von einer möglichen Verstrickung der HUNADO die Rede gewesen.