Histourie (23): 23. Juli 1989 - Finale für die Ewigkeit

Histourie (23): 23. Juli 1989 - Finale für die Ewigkeit
Köln (SID) - 23 Tage, 23 Geschichten: Der SID schaut in die Archive der Tour de France und erinnert an prägende Momente aus 114 Jahren Frankreich-Rundfahrt.
23. Juli 1989: Greg LeMond war ein Rennfahrer von altem Schrot und Korn. Von altem Schrot vor allem. 1987, ein Jahr nach seinem ersten Tour-Sieg, war der Amerikaner mit seinem Schwager auf die Truthahn-Jagd gegangen, und dieser hatte ihn unabsichtlich mit seiner Flinte förmlich zersiebt. LeMond kam so gerade mit dem Leben davon, einige Dutzend bleierner Kügelchen verblieben jedoch großflächig verteilt in seinem Oberkörper zurück.
Die schleichende Bleivergiftung, unter der LeMond fortan litt, war nicht unbedingt die beste Grundlage für eine erfolgreiche Rückkehr in den Profi-Radsport. Doch sie gelang ihm - und wie! Die letzte Etappe der Tour 1989 sollte das dramatischste Finale in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt werden.
Sehr auf Drama bedachte Männer hatten verfügt, dass die Schleife an jenem Sonntag mit einem Einzelzeitfahren und nicht mit der üblichen Tour d'Honneur ohne Angriff auf den Spitzenreiter zu Ende gehen sollte. Vor den letzten 24,5 km von Versailles zu den Champs-Élysées lag Frankreichs Publikums-Liebling Laurent Fignon, der Sieger von 1983 und 1984, 50 Sekunden vor LeMond - alles sah nach einem triumphalen Heimerfolg aus.
Doch LeMond lag die Jagd auf Gelb deutlich besser als die Jagd auf Truthähne: Wie von der Tarantel gestochen jagte er mit einem bei der Tour nie zuvor erzielten Schnitt von 54,545 km/h durch die Hauptstadt, der nach ihm gestartete Fignon verlor Zeit um Zeit. Als der Franzose die Ziellinie überquerte hatte er den Tour-Sieg um acht Sekunden verpasst. Fignon brach im Ziel zusammen, an den Gittern herrschte lähmendes Entsetzen.
Nach der knappsten Entscheidung in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt siegte LeMond 1990 ein weiteres Mal. Und als ob seitdem ein bleierner Fluch über der Grande Nation liegt, gewann bis heute kein Franzose mehr die Tour. Fignon starb 2010 an Krebs, LeMond kommentiert das Rennen inzwischen als Experte bei Eurosport.