Silbereisen reicht Bohlen pathetisch die Hand - der frotzelt: "Kannst Helene zu mir sagen"

Pop-Titan Dieter Bohlen trifft auf Schlager-Titan Florian Silbereisen. Da lag Brisanz in der Luft. Weil ja damals der Flori dem frisch von RTL geschassten Dieter DSDS für eine Staffel wegschnappte. Jetzt, nach fünf Jahren, kam's zum ersten Wiedersehen, ausgerechnet bei Floris "Schlagerbooom Open Air" in Kitzbühel. Aber es machte nicht Booom zwischen den beiden. Auf der Bühne allerdings schon.
Drei Stunden lang ein Rhythmus, das muss man mögen. Aber das kennen Rocker ja von Status Quo - und das ist nur eine Band. Florian Silbereisen dagegen schob 25 Künstler über die Bühne im Tennisstadion von Kitzbühel. Und drei Lieder kamen auch in einem Nicht-Schlager-Rhythmus daher. Irgendwie witzig, dass das auch die stimmlichen Höhepunkte waren.
Und nein, Dieter Bohlens gehörte nicht dazu. Aber der Pop-Titan - er war mit 71 nach Mireille Mathieu, 78, und Bernhard Brink, 73, tatsächlich der älteste Künstler on stage - hat's immer noch drauf. Älter war nur noch Jürgen Drews, der im Publikum zum Auftritt seiner Tochter Jolina schunkelte und seinen 80. Geburtstag quasi nachfeierte.
Eine Menge erfahrene Schlagerstars. Aber die rockten den Laden. Das war eine wirklich großartige Show, bei der das Schlagerherz fröhlich hüpfte und dank Drohnen-, Pyro- und Fackelshow und Ballon- und Konfetti-Parade auch das Auge einiges geboten bekam. Das Publikum war dankbar und gut gelaunt und sang selbst nach Lungenkräften mit, wenn Flori um Vocalverstärkung bat.
Andreas Gabalier gedenkt der Opfer von Graz mit seiner schönsten Ballade
161 lange Tage war Florian Silbereisen off beziehungsweise als "Traumschiff"-Kapitän für die Senderkonkurrenz unterwegs. Das merkte man ihm in der Moderation ein bisschen an. Kapitänsdinner könnte einfacher sein. Jedenfalls wirkten vor allem viele Übergänge von einem Star zum nächsten konstruiert und teilweise gingen die Pointen in die Hose, was am Moderator lag.
Als der Grazer Andreas Gabalier wunderschön ergreifend sein "Amoi seg ma uns wieder" in Gedenken an die Opfer von Graz und deren Hinterbliebenen "zum Trost" sang, stand die Welt einen Moment still, die Tränen flossen im weiten Rund. Dann entzauberte Flori im Gespräch mit dem Alpenrocker den emotionalen Moment, indem er beiläufig erwähnte, dass der Auftritt genau mit diesem Song schon seit Langem, also vor der Tragödie, geplant gewesen war. Schade drum. Aber trotzdem schön.
Silbereisen hatte natürlich seine starken Momente. Ob als Rocker mit der steirischen Harmonika mit Alpenbarbie Melissa Naschenweng, oder als Hundesitter mit Sabbertuch für die Bernhardiner Bonnie und Ronja von Michelle. Wunderschön, wie er der großen Mireille Mathieu auf Knien huldigte. Eher peinlich geriet die Überraschung für Andrea Bergs Ehemann Uli, dem seine Frau zum 18. Hochzeitstag auf der Bühne mit Semino Rossi "Aber dich gibt's nur einmal für mich" sang. Der besungene Uli trippelte recht nervös an Silbereisens Seite, denn: "Ich hab den Hochzeitstag vergessen."
Vor Mireille Mathieu geht Florian Silbereisen in die Knie
Die Show war ein spektakuläres Schlagerfeuerwerk. Von der jüngeren Generation waren die Esteriore Brothers, Matt & Sam, Eric Philippi, Alina, Jolina Drews (mit Lucas Cordalis und Achim Petry) und Vincent Gross am Start, Voxxclub, Maite Itoiz & John Kelly und Ella Endlich vertraten die etablierten Erwachsenen und den Übergang zu den Kult- und Superstars wie Semino Rossi und Andy Borg.
Viel stand unter dem Motto Jubiläum. Zum 25. Geburtstag seines "Hey, Baby" sang DJ Ötzi seinen Gassenhauer noch einmal. 50 Jahre alt wurde heuer "In 't kleine café aan de haven" von Vader Abraham. Kennt kaum einer. Die deutsche Version schon: "Die kleine Kneipe" sangen Andy Borg und Flori gemeinsam. Stefanie Hertel feierte ihr 40. Bühnenjubiläum. 60 Jahre alt ist Nicole, die in einem Medley ihre größten Hits präsentierte. Alle - auch "Ein bisschen Frieden" - im Schlager-Groove.
Nicole hat 60 Lebensjahre, Mireille Mathieu hat 60 Bühnenjahre! Der "Spatz von Avignon" begeisterte die Fans und Florian Silbereisen mit einer grandiosen Version von "New York, New York" - und dann einem live und a capella gesungenen "La vie en rose". Nicht weniger als hochverdient und angemessen, dass Flori ehrfürchtig in die Knie ging.
Eine großartige Leistung bot auch Michelle mit dem erstmals auf der Bühne vorgetragenen "Ich gehör nur mir" aus dem Musical "Elisabeth". Und natürlich war die Schlagerboom-Hymne "Sierra Madre" von Sigrid und Marina ein früher Höhepunkt. Der späte Höhepunkt war Gabaliers Abschieds-Ballade.
Silbereisen legt gegen Bohlen vor: "Bekannt für große Hits und große Klappe"
Dann aber - "Es muss ja weitergehen" - gab der Alpenvolksrocker noch ein schwungvolles Medley. Und bereitete so den Weg zum gehypten Höhepunkt. Den sagte um 23.15 Uhr nicht mal Silbereisen alleine an, sondern bekam Unterstützung von "Bild"-Unterhaltungschefin Tanja May: "Dieter hat Respekt vor dir, er schätzt dich. Er ist gut drauf, es wird ein Knaller." Wie schön, da wurde dem Flori leicht ums Herz. Hatte er doch noch drei Stunden zuvor noch gezweifelt: "Dieter ist nicht nur bekannt für seine großen Hits, sondern auch für seine große Klappe."
Die riss der Pop-Titan dann erst mal zu drei seiner großen Hits auf. Er klang bei jedem Song stimmlich anders. Drei unterschiedliche Playback-Voices - das kann auch nicht jeder! Routiniert und gesellig überstand er auch das gemeinsame Rocken mit Flori zu "You Can Get It, If You Really Want". Als ihm Silbereisen die Gitarre in die Hand drückte, meinte Bohlen: "Das ist ja wie bei Modern Talking, ich spiel wieder Gitarre."
Dieter Bohlen frotzelt Florian Silbereisen: "Kannst ab morgen Helene zu mir sagen"
Ein kleines verbales Sparring gab's dann doch noch. "Wir sollten mehr zusammen machen", meinte Bohlen und schlug "ne neue Show, ne Sendung" vor. Oder: "Hier ist doch sonst Tennis, wir könnten ja mal gegeneinander Tennis spielen." Flori nahm die Vorlage auf: "Wir können ja mal draufhauen."
Beim Übergang zum Finale mit "We Have A Dream", das Bohlen einst für die Top Ten der ersten DSDS-Staffel schrieb (und damit - natürlich - auf Platz eins landete), schwurbelte Silbereisen vom angeblich angespannten Verhältnis zwischen ihm und Dieter Richtung Weltfrieden: "Wir können uns die Meinung sagen, aber wir können uns auch vertragen. Es wäre wünschenswert, wenn wir uns alle mehr vertragen, auch wenn wir andere Meinungen haben." Dieter war's zu viel des Schmalzes: "Wo sind die Ringe? Du kannst ab morgen Helene zu mir sagen."