Christiane Stenger: "Den Ausdruck Wunderkind mag ich gar nicht"

Christiane Stenger hatte mit 16 ihr Abitur in der Tasche, ist inzwischen Fernsehmoderatorin und mit 27 auch Bestsellerautorin. Warum sie trotzdem nicht als Wunderkind bezeichnet werden möchte, erklärt sie im Interview mit spot on news.
Mit ihrem Buch "Lassen Sie Ihr Hirn nicht unbeaufsichtigt!" hat Christiane Stenger (27) eine "Gebrauchsanleitung" für unseren Kopf präsentiert - mit der sie den Lesern zeigt, wie man genialer wird, seinen Alltag effizient gestaltet, konzentrierter arbeiten kann und entspannter durchs Leben geht. Sie selbst sei nach dem Verfassen des Buches auch ruhiger geworden, berichtet Stenger im Interview mit spot on news. Und sie verrät auch, warum sie den Ausdruck Wunderkind gar nicht mag.
Wie fühlt es sich an, mit 27 Jahren in den Top Ten der "Spiegel"-Bestsellerliste zu stehen?
Christiane Stenger: Langsam kann ich es glauben. Die ersten ein, zwei Monate ist es gar nicht angekommen, das war total unwirklich. Aber es ist toll und faszinierend und ich freue mich riesig, im März mit dem Buch als Bühnenprogramm auf Tour gehen zu können.
Sie haben einen IQ von 145 haben und mit 16 das Abi gemacht. Mögen Sie den Ausdruck Wunderkind?
Stenger: Nein, gar nicht. Den Ausdruck Wunderkind fand ich damals schon immer komisch und ich mag ihn heute auch nicht. Ich habe darüber schon mit anderen Erwachsenen gesprochen, die früher so bezeichnet wurden und bei vielen trifft das nicht zu. Bei den meisten steckt ganz viel Arbeit dahinter. Eine Geigerin, die als Wunderkind bezeichnet wird, muss auch mehrere Stunden am Tag üben. Bei mir ist die Bezeichnung ebenfalls unpassend: Ich benutze nur Techniken, die jeder erlernen kann.
Sie hatten in der Grundschule Probleme - haben Sie damals gemerkt, dass Sie anders ticken als andere Kinder?
Stenger: Anders ticken würde ich es nicht nennen. Tatsächlich wollte ich einfach nur normal sein. Ich habe mir gewünscht, so wie die anderen Kinder zu sein, weil ich gesehen habe, dass sie keine Probleme hatten. Für mich war das damals wie ein Fluch, weil ich nicht wusste, woran es lag. Ich habe nur gemerkt, dass ich nicht mehr in diese Schule gehen kann, weil ich mich da schrecklich langweile. Ich habe mir dann Krankheiten eingebildet, um nicht hinzumüssen.
Sie sind dann auf einem speziellen Internat gewesen, war das Ihre Rettung.
Stenger: Ja, das war wirklich meine Rettung. Dort gab es höchstens zwölf Schüler in einer Klasse - das ist ein ganz anderes lernen als in einer normalen Schule. Die Atmosphäre ist anders. Ich hatte dort immer das Gefühl, dass man ernst genommen und gefördert wird. Es gab auch feste Zeiten für Hausaufgaben - was zu Hause nie geklappt hatte. Zudem hat man mir in Aussicht gestellt, bei guten Noten zwei weitere Klassen überspringen zu können. Das war eine große Motivation - zuvor hatte ich in Mathe und Latein eine 5. Und es hat am Ende auch geklappt.
Sie sind Gedächtnisweltmeisterin, haben studiert, geben Seminare, schreiben Bücher, moderieren TV-Sendungen - sagen aber selbst, ein hoher IQ allein reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein. Haben Sie die richtige Mischung aus Intelligenz, Disziplin und Enthusiasmus für sich gefunden?
Stenger: Ja, für mich schon. Ich hatte auch das Glück, dass ich das Gedächtnistraining überhaupt kennengelernt habe. Der IQ ist meiner Meinung nach unwichtig. Es ist vielleicht ein Richtwert, aber tatsächlich kommt es viel mehr darauf an, dass man im Leben etwas findet, wofür man Leidenschaft entwickelt und das einem Spaß macht. Dann braucht man gar keine Disziplin, weil man einfach neugierig ist. Heutzutage ist das natürlich sehr schwierig, weil es so unfassbar viele Möglichkeiten gibt. Man sollte einfach möglichst viel ausprobieren.
Sie nehmen auch Schauspielunterricht. Sehen Sie hier Ihre Zukunft?
Stenger: Das weiß ich noch nicht. Ich mache das ganz alleine nur für mich, weil ich es schon als Kind sehr faszinierend fand und ich bisher noch nicht dazu gekommen bin. Mein Weg hat mich allerdings immer wieder zurück zum Schauspiel geführt. Im Moment sehe ich mich aber noch nicht als Schauspielerin. Das muss sich erst entwickeln.
Sie haben schon so viel gemacht, dass Sie mit Ihrem aktuellen Buch "Lassen Sie Ihr Hirn nicht unbeaufsichtigt" einen Ratgeber verfasst haben, wie man Stress reduziert. Sind Sie jetzt ruhiger?
Stenger: Ja, sehr. Durch diese neue Achtsamkeit stelle ich nun früher fest, wann mir etwas zu viel oder zu stressig wird. Und dann habe ich die Möglichkeit, Druck rauszunehmen und auch mal einen Termin abzusagen. Ich schaffe es auch immer noch zu meditieren, zumindest ein- bis zweimal die Woche - das macht mich einfach gelassener. Zudem habe ich mir angewöhnt, meine Sport- und Yogastunde in den Kalender einzutragen wie einen Geschäftstermin, den man einfach nicht absagen kann. Natürlich gibt es immer noch stressige Situationen, aber ich kann besser damit umgehen.
Die Meditation ist auch einer der Tipps, den Sie in Ihrem Buch den Lesern mitgeben...
Stenger: Es ist faszinierend, damit zur Ruhe zu kommen und nur auf seinen Atem zu achten - das hilft, im Alltag gelassener zu werden. Bis man wirklich meditieren kann, dauert es wahrscheinlich mehrere Jahre. Aber was man alleine schon durch zehn oder zwanzig Minuten erreichen kann, ist viel Wert.
Auch um das ständige abgelenkt werden durch Facebook, Mails, etc. dreht sich Ihr Buch. Arbeiten Sie weiter mit der Pomodoro-Methode, bei der man sich 25 Minuten am Stück auf eine Sache konzentriert?
Stenger: Ja, tatsächlich. Das ist besonders nachmittags gut, wenn ich unmotivierter werde oder merke, dass ich gerade viel im Internet herumklicke und mich davon ablenken lasse. Dann stelle ich mir einen Timer auf 25 Minuten, um wieder in die Arbeit reinzukommen. Dadurch kann man lernen, sich wieder besser zu konzentrieren.
Was sollte man tun, wenn man sich schon am Anfang des Arbeitstages von der Last der Aufgaben erdrückt fühlt?
Stenger: Dann ist es immer gut, noch einmal Abstand zum Schreibtisch zu gewinnen, auf dem das Chaos herrscht. Am besten holt man sich einen Kaffee oder geht an die frische Luft und denkt an etwas ganz anderes - um dann mit einem klaren Kopf zurückzukehren. Anschließend sollte man von vorne anfangen und die Aufgaben sortieren, Prioritäten setzen, eine To-do-Liste schreiben, die man in Ruhe abarbeiten kann. Die unwichtigen Dinge sollte man bewusst bei Seite schieben, so dass man sich wirklich auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren kann. Wenn man versucht, alles gleichzeitig zu machen, verheddert man sich und es kostet einen viel mehr Zeit.
Multitasking nützt also gar nichts?
Stenger: Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, aber im Großen und Ganzen haben Studien tatsächlich gezeigt, dass man dadurch langsamer ist und schlechtere Ergebnisse erzielt. Man kann viel entspannter arbeiten, wenn man eins nach dem anderen macht. Unser Gehirn findet Klarheit total super. Es ist einen Versuch wert, mal auszuprobieren, Dinge ganz bewusst nacheinander abzuarbeiten.
Trainieren Sie Ihr Gedächtnis täglich?
Stenger: Ich habe keine täglichen Übungen oder Rituale. Das läuft unbewusst: Wenn ich zum Beispiel Zeitung lese, baue ich mir eine kleine Geschichte mit Begriffen, die ich mir merken möchte. Das ist kein bewusstes Training, sondern in meinem Alltag integriert. Auch durch meine Seminare, bei denen ich mir einiges merken muss, halte ich mich natürlich mental fit. Ich habe zudem eine App auf meinem Smartphone, mit der man sein Gedächtnis trainieren kann. Das mache ich aber eigentlich nur, wenn ich gerade tatsächlich irgendwo warte.
Sind Smartphones nicht auch ein großer Stressfaktor?
Stenger: Ich sage nicht, dass man nie wieder sein Smartphone benutzen darf. Man sollte nur bewusster damit umgehen und es nicht die ganze Zeit in der Hand haben. Vor allem wenn man gestresst ist, sollte man nicht in den sozialen Netzwerken oder auf Nachrichtenseiten rumsurfen, um sich immer wieder neue Informationen zu holen.
In Ihrem Buch geht es auch um Motivation: Der Jahreswechsel steht vor der Tür - haben Sie Tipps, wie man es schafft, seine guten Vorsätze einzuhalten?
Stenger: Hilfreich ist sicherlich, nicht gleich fünf Sachen ändern zu wollen. Dann tritt schnell Frustration ein. Studien haben bewiesen, dass es sich auf das ganze Leben positiv auswirkt, wenn man eine Sache diszipliniert angeht. Man muss auch nicht den 1. Januar als Starttermin festlegen. Da ist man ja meist nicht gerade fit. Lieber sollte man sich noch eine kleine Auszeit nach dem Jahreswechsel gönnen und dann wirklich versuchen, kleine Erfolgserlebnisse zu erzielen. Es müssen nicht sechs Tage die Woche im Fitnessstudio sein, ein bis zwei reichen auch. Diese Zeiten sollte man sich dann aber wie Geschäftstermine in den Kalender eintragen, die man nicht absagen kann. Gut ist auch, Freunde zu motivieren, mitzumachen.
Was nehmen Sie sich vor für das kommende Jahr?
Stenger: Im März bin ich mit "Lassen Sie Ihr Hirn nicht unbeaufsichtigt" auf Tour. Die Show steht schon, das möchte ich aber noch perfektionieren.
Was erwartet die Zuschauer?
Stenger: Natürlich wird ein bisschen gelesen. Aber es geht mir vor allem darum, Tipps zu vermitteln - und zwar so, dass man sie in Erinnerung behält und man damit am nächsten Tag direkt starten kann. Die Show ist zudem interaktiv, die Leute können also mitmachen, ohne dass jemand Angst haben muss, auf die Bühne geholt zu werden. Am Ende werden die Zuschauer einige Gedächtnistechniken kennengelernt haben, noch genialer sein und Spaß gehabt haben.
Tour-Termine
19.03. Köln, Gloria Theater +++ 20.03. München, Freiheiz +++ 25.03. Berlin, Admiralspalast Studio +++ 26.03. Hamburg, Markthalle