"Ätzend" im Kreuzverhör: Dit is Berlin, wa?

"Ätzend": Die neuen Berliner Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) in ihrem zweiten Tatort. © rbb/Volker Roloff
Zweiter Fall für die neuen Berliner Kommissare Nina Rubin und Robert Karow. Wir erinnern uns: So richtig mögen sich die beiden noch nicht. Karow gibt sich unnahbar und mysteriös, Rubin wurde nach diversen Eskapaden in fremden Betten von Mann und einem Sohn verlassen. Wie schlagen sich die beiden nun in "Ätzend"?
Worum geht’s?
Berlin ist dabei, gründlich durchgentrifiziert zu werden, auch eine ehemalige Laubenkolonie muss einem Neubau-Komplex weichen. Die Bauarbeiter finden im Untergrund ein Fass mit Säure – und den Überresten einer darin aufgelösten Leiche. Die weitere Suche fördert noch einen Toten auf der Baustelle zutage, diesmal jedoch mit Schusswunde und in Folie verpackt. Haben die beiden Fälle etwas miteinander zu tun?
Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) stürzen sich in die Ermittlungen. Noch immer traut Rubin ihrem neuen Kollegen nicht über den Weg, seine Rolle beim Tod seines ehemaligen Partners Maihack ist weiter dubios. Gerichtsmedizinerin Nasrin Reza (Maryam Zaree) bringt die Berliner Tatort-Kommissare auf eine Spur: Bei der Salzsäure-Leiche wurde ein Herzschrittmacher entdeckt, die Seriennummer führt zu Ferhat Merizadi (Husam Chadat). Doch der Zahntechniker ist nicht, wer er zu sein vorgibt. Schnell kommt raus: Eigentlich heißt der Mann Saed Merizadi und hat die Identität seinen Bruders angenommen, um mit seiner Familie in Deutschland bleiben zu können. Aber hat er seinen Bruder auch umgebracht?
Die Identifizierung der zweiten Leiche ist da deutlich einfacher. Der Tote war ein bekannter Kleinkrimineller und wurde erschossen, die Kugel klebte noch an der Schädeldecke. Ein Racheakt unter Gangstern? Doch die Kugel stammt aus der gleichen Waffe, mit der auch Karows Partner erschossen wurde…
Worum geht es wirklich?
"Ätzend" verknüpft zwei Erzähl-Ebenen miteinander. Auf der einen Seite werden immer noch die Figuren Rubin und Karow vorgeführt, mitsamt Problem-Familie im Scheidungs-Streit (Rubin) sowie mysteriösen Machenschaften und nur angedeutetem Privatleben (Karow). Die andere Ebene zeigt das Leben von Illegalen in Berlin, die im Verborgenen leben und ständig davor zittern, in die Mühlen der Bürokratie zu geraten.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Zunächst mal: Wohl niemals zuvor wurde Berlin im Tatort so ungeschönt aber auch facettenreich gezeigt wie bei den neuen Ermittlern. Das gibt einen dicken Pluspunkt, endlich hat die Hauptstadt einen Tatort, der ihr würdig ist. Dit is Berlin, wa? Dazu passt der Merizadi-Strang hervorragend, auch wenn er nicht ganz verspricht, was der Leiche-in-Säure-aufgelöst-Auftakt verspricht.
Noch nicht ganz rund läuft es hingegen bei den Kommissaren. Auch wenn das Team durchaus sympathisch und unterhaltsam ist, sind die Kapriolen auf den Nebenschauplätzen ein wenig zu doll. Trennung, Bar-Mizwa, Boxclub und Versöhnung im durchgestylten Haus Rubin sowie der (manchmal gar nicht so) einsame Wolf Karow und seine Verstrickungen sind ein bisschen zu viel für 90 Minuten. Die Enthüllungen können durchaus spannend werden, sind aber noch zu langwierig erzählt.
Bester Auftritt
Noch bleiben fast alle Figuren außer den Kommissaren zu blaß, um wirklich glänzen zu können. Meret Becker und Mark Waschke hingegen wirken angekommen, man nimmt ihnen die ungleichen Ermittler sofort ab. Vor allem Meret Becker bringt dabei eine Natürlichkeit und lockere Art mit, die man leider selten im Tatort sieht! Wenn jetzt noch Karow ein wenig mehr Profil gewinnt und nicht mehr nur auf harsche Befehle und Geheimnistuerei beschränkt wird, kann das richtig gut werden!
Was muss man sich merken?
Wie gesagt, noch sind die neuen Kommissare am Tatort Berlin in der Findungsphase, da gibt es jede Menge Hintergrundgeplänkel. Die Geschichte um den Tod von Karows Partner ist seriell angelegt, ähnlich wie die Enthüllung zu Kommissar Fabers Familie in Dortmund. Wir – und auch Nina Rubin – erfahren in "Ätzend" ein wenig mehr, weitere Verstrickungen kommen ans Licht. Es kann sicherlich nicht schaden, dass beim dritten Fall der beiden im Hinterkopf zu haben. Zumal es am Ende einen Cliffhanger gibt, wie man ihn im Tatort selten gesehen hat. Ob man sich aber merken muss, wie es gerade um Ehe und Familie von Nina Rubin bestellt ist, darf bezweifelt werden.
Soll man gucken?
Ja, denn " Ätzend" ist ein ordentlicher und gut gespielter Tatort, der nur leider die Bürde trägt, neben dem eigentlichen Fall noch jede Menge Hintergrundinfos rüberbringen zu müssen. Für einen wirklich smoothen Einstieg sind die Figuren bei aller Sympathie leider noch immer mit zu viel Ballast bestückt. Das dürfte in Zukunft besser werden, dann haben Rubin und Karow sehr viel Potential – und man würde sich möglicherweise ärgern, zu Beginn etwas verpasst zu haben.