Event-Tatort aus Freiburg: Nett - aber mehr auch nicht

Heike Makatsch ist Kommissarin Ellen Berlinger, die im Tatort "Fünf Minuten Himmel" nach Freiburg zurückkehrt. © SWR/Ziegler Film
Aha, der sagenumwobene "Event-Tatort" mit Heike Makatsch, "Fünf Minuten Himmel". Angeblich überlegt man noch, ob es – Stichwort Weimar – eine Fortsetzung geben soll. Ob sich das lohnt, verraten wir im Kreuzverhör!
Worum geht’s?
Kabelbinder können nicht nur praktisch, sondern auch tödlich sein, wie wir spätestens seit Franziskas Tod wissen. In Freiburg erwischte es Holger Kuhnert (Michael Moritz) an seinem Schreibtisch im Jobcenter: Erst Sex am Arbeitsplatz, dann Mord. Kuhnert hatte nicht nur die Existenzen diverser Kunden in der Hand, sondern auch selber Schulden. Motive gibt es also reichlich.
Nach 15 Jahren London frisch zurück in Freiburg, beginnt Ellen Berlinger (Heike Makatsch) zu ermitteln. Cornelia Mai (Julika Jenkins) und Tochter Melinda (Rosemarie Röse) droht die Räumung, weil Kuhnert ihre Miete nicht gezahlt hat. Hat sich die depressive Mutter an ihrem Betreuer gerächt? Eine andere Möglichkeit: Vermieter Fest (Pierre Siegenthaler), der die Familie unbedingt aus dem Haus haben möchte, war die jahrelange Unterstützung durch Kuhnert langsam ein Dorn im Auge.
Die Kinder der betroffenen Erwachsenen - zufällig alle auf der gleichen Schule – beschäftigen sich indes mit anderen Dingen: Kuhnerts Sohn Titus (Oskar Bökelmann) und seine Freundin Harriet (Anna-Lena Klenke) suchen durch "Pass Out-Games" den Kick, Melinda und ihre ebenfalls aus dem Mietshaus vertriebene Freundin Ruth (Jochanah Mahnke) sind fasziniert. Mit in der Clique ist auch Niina Berlinger – die Tochter der Kommissarin, die diese vor 15 Jahren bei der Großmutter zurückließ.
Worum geht es wirklich?
Freiburg ist idyllisch? Pustekuchen. Auch hier wird munter gentrifiziert, ohne Rücksicht auf Schwächere. Die Jugend sieht zwar aus wie vom Ponyhof, lungert aber in Betonlöchern und alten Fabrikhallen rum. Also ein unbequemer Tatort, der das Image des Uni-Städtchens gegen den Strich bürstet? Nein, denn für eine ernsthafte Auseinandersetzung ist fast alles an diesem Tatort zu oberflächlich. Erst ganz am Ende kommt etwas Freiburg-Feeling auf, als die brave Niina Hasch kaufen will – für ihre kranke Oma.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Trotz der jungen Regisseurin Katrin Gebbe wirkt "Fünf Minuten Himmel" ziemlich angestaubt und hebt sich kaum vom Tatort-Einerlei ab. Dazu passt die überfrachtete, leicht wirre Handlung. Schon die Idee, die Kommissarin zur ignoranten Rabenmutter zu machen, deutet darauf hin, dass es eher um Sensationslust als um Realitätsnähe ging. Die Ausgangslage zu dick aufgetragen, die Annäherung dann ziemlich plötzlich – wenn schon solch ein Privat-Drama, dann auch konsequent, bitte. Noch besser hätte man aber ganz darauf verzichten können.
Bester Auftritt
Heike Makatsch passt gut zu Ellen Berlinger, sie spielt die Kommissarin mit genau den Kulleraugen und leicht quakender Stimmlage, die sie zu einer gefragten Schauspielerin gemacht haben. Leider gibt die Rolle trotz des über-konstruierten Hintergrundes bislang zu wenig her, was sie wirklich außergewöhnlich macht. Man kann es fast symbolisch nennen, dass Berlinger das stilvolle Saab-Cabrio mit Rechtslenkung nach wenigen Film-Minuten gegen einen öden Beamten-Kombi tauschen muss. Individualität bitte am Eingang abgeben.
Was muss man sich merken?
Erwähnten wir eigentlich bis hierher, dass Ellen Berlinger schwanger ist? Das müssen wir uns wohl auch noch merken, falls es in Freiburg mal weitergehen sollte. Am besten, man macht sich beim Schauen Notizen: Das Kennenlernen der Tochter, das Verhältnis zur Mutter, die Zusammenarbeit mit den Kollegen, das ungeborene Kind – es geht mehr um die Ellen Berlinger als den Fall an sich. Wer einen Strick-Pulli in der Mitte durchschneidet, hat weniger lose Enden als dieser Film.
Soll man gucken?
Nein möchten wir eigentlich nicht sagen, weil prinzipiell jeder neue Ermittler erstmal eine Chance verdient hat. Auch weil " Fünf Minuten Himmel" als "Event-Tatort" angepriesen wird, ist ein Blick darauf für jeden Fan eigentlich Ehrensache. Außerdem könnte es ein einmaliger Auftritt von Heike Makatsch in Freiburg sein, auch wenn offiziell noch nichts entschieden ist. Da von dort aus aber ja bald schon die Kommissare vom Tatort Schwarzwald ermitteln, darf leise an einem zweiten Fall für Ellen Berlinger gezweifelt werden.
Weimar schlug ein wie eine Bombe, weil Ulmen und Tschirner einen
eigenen Ton haben, einen besonderen Witz, der in der
Tatort-Landschaft seinesgleichen sucht. Ellen Berlinger hingegen
ist trotz des wirren Privatlebens eine Kommissarin wie viele
andere. Das lässt sich auch auf den ganzen Film übertragen: Ganz
nett, aber in fast jeder Hinsicht austauschbar. "Event" ist hier
gar nix.