"Hinter dem Spiegel" im Kreuzverhör: Soll die so oder kann die weg?

Traumpaar? Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) müssen sich im neuen Frankfurt-Tatort "Hinter dem Spiegel" erst zusammenraufen. © HR/Degeto/Bettina Müller
Ein Kommissar ohne Psycho-Macken, Familien-Tragödie oder sonstige Beschädigung? Kaum denkbar. So auch Paul Brix in Frankfurt: Nach dem durchwachsenen Debüt wühlt im zweiten Fall "Hinter dem Spiegel" die penetrante Kollegin Janneke in der Vergangenheut ihres neuen Partners. Dabei kommt so viel zutage, dass 90 Minuten Tatort-Zeit kaum reichen.
Worum geht’s?
Nach seinen tödlichen Schüssen im letzten Fall muss Brix (Wolfram Koch) Innendienst schieben, einen erhängten Architekten darf Anna Janneke (Margarita Broich) darum alleine bearbeiten. Kommissariatsleiter Riefenstahl (Roeland Wiesnekker) kommt es ohnehin ganz gelegen, dass alles auf Selbstmord hindeutet und er den Fall schnell abhaken kann.
Zwischen Aktenbergen bekommt Brix auf einmal Besuch von seinem alten Kollegen Simon Finger (Dominique Horwitz). Wir erinnern uns: Brix ist erst ganz frisch von der Sitte zur Mordkommission gewechselt und hat eine einigermaßen undurchsichtige Vergangenheit. Finger hat schmutzige Geschäfte gemacht und nun die Russenmafia am Hals, er bittet Brix um Hilfe und pocht mysteriös darauf, dass er Brix schließlich auch einmal gerettet habe.
Kurz darauf ist Finger verschwunden, dafür taucht ein ebenso segelohriger Doppelgänger (Henning Peker) auf. Der hat jedoch sehr schnell die Russen, zwei Rocker, die Polizei sowie Fingers schmierigen Kollegen Preiss (Justus von Dohnányi) an den Hacken. Anna Janneke findet heraus, dass Brix von den dunklen Geschäfte von Preiss und Finger wusste und fragt sich, ob sie ihm trauen kann. Als es einen weiteren Toten gibt, werden gleich mehrere Zusammenhänge deutlich…
Worum geht es wirklich?
Es geht um Paul Brix und seine Geschichte. Dass hier wieder mal ein neuer Ermittler mit einem Rucksack an Problemen ankommt – geschenkt. Stellvertretend für den Zuschauer bohrt eine unglaublich nervige und altkluge Anna Janneke in der Vergangenheit ihres Kollegen, für den sie offenbar große Sympathie hegt. Das alte Spielchen vom Odd Couple, dass sich erst zusammenraufen muss – neu ist diese Idee nicht, wurde aber auch schon schlechter umgesetzt. Überflüssig zu erwähnen, dass am Ende natürlich Friede, Freude, Eierkuchen herrscht.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Die engen Beziehungen zwischen Polizei und organisierter Kriminalität im Frankfurter Bahnhofsviertel, und ein Straßenhund wie Brix mittendrin, der dem Sumpf den Rücken kehren will, das ist ein spannender und vor allem realer Hintergrund für einen guten Krimi. Vor allem gibt es dadurch viel Frankfurter Lokalkolorit, was bei den Vorgängern bisweilen ein wenig unterging. Leider verzettelt sich "Hinter dem Spiegel" teilweise in zu vielen Details und lässt Fragen offen. Viele Dinge werden angerissen und dann nicht weiter ausgeführt, so dass die Handlung streckenweise etwas zerfasert wirkt.
Bester Auftritt
Den Theater-Pathos des ersten Falles hat zumindest Wolfram Koch inzwischen abgelegt. Auch ohne die mysteriöse Vorgeschichte wird die Figur des Paul Brix immer besser, selbst wenn er hier weniger ein Akteur als vielmehr Spielball der Ereignisse ist. Koch spielt Brix hier mit einer großartigen Lockerheit, die nur wenigen Darstellern gelingt.
Daran muss Margarita Broich noch arbeiten. Ihre Anna Janneke deklamiert Sätze wie ein Sprechroboter und kommt fast durchgängig besserwisserisch und altklug rüber. Soll das so? Als Psychologin kann sie offenbar auch Gedanken lesen, jedenfalls werden der Figur auffällig oft plötzliche Eingebungen angedichtet. Im realen Leben wäre solch eine Kollegin nach nicht mal einer Woche unten durch.
Was muss man sich merken?
Brix und seine Vergangenheit bei der Sitte, die krummen Geschäfte und die Beziehungen in die Unterwelt, das alles wird wohl noch häufiger thematisiert werden. Wie praktisch, dann kann immer wenn es mit der Story nicht weitergeht ein neuer Informant aus dem Hut gezaubert werden. Auch die Beziehung zu seiner Mitbewohnerin Fanny wird in "Hinter dem Spiegel" eher mysteriöser.
Demgegenüber bleibt Anna Janneke bislang ein aufgedrehter und penetranter Gute-Laune-Bär ohne Tiefgang. Immerhin darf sie jetzt selber Auto fahren. Und im nächsten Fall " Die Geschichte vom bösen Friederich" wird es wohl hauptsächlich um sie gehen. Vielleicht wird sie dann ja auch ein bisschen entspannter.
Soll man gucken?
Abgesehen von kleinen Schwächen und eines am Ende etwas unübersichtlichen Figurenkabinetts ist "Hinter dem Spiegel" ein ordentlicher Tatort, der durchaus mitreißen kann. Bei der Auflösung am Ende muss man gut aufpassen, um die Details der Zusammenhänge mitzukriegen. Schade aber, dass die Kommissare nicht wie beim Debüt bei Rückblenden in die Szenen einsteigen dürfen. Bis auf den Vorspann ist dieser Tatort bildmäßig weitgehend unspektakulär.
Mit Ausnahme von Anna Janneke wirken die Figuren angekommen, im Gegensatz zum ersten Fall herrscht eine viel größere Selbstverständlichkeit. Auch wenn die Kommissare mit Geschichte überladen sind – die Neugier auf weitere Fälle mit Brix und Janneke steigt. Wenn die beiden erstmal etabliert sind und sich nicht mehr um sich selbst drehen, könnte es aus Frankfurt wieder richtig starke Tatorte geben.