Tatort Konstanz: Ein Abschiedsbrief

Letzter Tatort aus Konstanz: Klara Blum (Eva Mattes) macht den Abschied leicht. © SWR/Patrick Pfeiffer Schon länger war die Stimmung zwischen der Kommissarin und ihrem Assistenten Perlmann (Sebastian Bezzel) unentspannt, das Ende deutete sich an. © SWR/Patrick Pfeiffer
Lieber Tatort aus Konstanz,
wir müssen nun Abschied nehmen. Beziehungsweise: Du musst, ich darf. Ich kann nicht behaupten, wirklich traurig darüber zu sein, dass wir uns am Sonntag zum letzten Mal sehen. Ich habe versucht, alle Vorbehalte und Ressentiments außen vor zu lassen und Deiner letzten Darbietung eine Chance zu geben. Allein, es hat nicht geholfen. "Wofür es sich zu leben lohnt" heißt Dein letzter Fall, und schon der Titel lässt ahnen, womit die 90 Tatort-Minuten gefüllt werden. Viel Bodensee, noch mehr Nebel, und mittendrin (im Nebel, nicht im See) Klara Blum, wie sie der Realität enthoben durch die Geschichte schwebt und stets den Eindruck vermittelt, mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein.
Wobei, in diesem letzten Fall kann man das sogar verstehen. Du, lieber Bodensee-Tatort, lässt Deine Figuren einigermaßen würdevoll abtreten. Doch Du kannst dabei nicht verheimlichen, woran es seit Jahren gekrankt hat und was möglicherweise letztendlich zu Deinem Ende geführt hat. Sowohl Klara Blum (Eva Mattes) als auch Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) sind völlig eindimensional geblieben. Seit Deinen Kinderschuhen, als Perlmann, der schnöselige Jung-Bulle im Kaschmir-Mantel, etwas Auflockerung in Klara Blum tristes und immer etwas esoterisch wirkendes Witwen-Dasein bringen sollte, ist nichts mehr mit den Figuren geschehen. Das seltsame Sie-Du-Durcheinander und die distanzierte Abhängigkeit sind leider weder interessant noch poetisch, sondern einfach nur anstrengend. Selbst unter Faber in Dortmund herrscht ein angenehmeres Arbeitsklima.
Auch die Geschichten, die Du aus Konstanz zu erzählen wusstest, waren selten überzeugend. Das kleine Örtchen war in all den Jahren schon Heimat von Schönheits-Tempeln, Casting-Stars, Sekten, Welt-Konzernen und Edel-Internaten. In der Realität ist hingegen schon der anstehende Weihnachtsmarkt ein Highlight. Meistens wurde eine Leiche im oder am Bodensee entdeckt, die Ermittler schlurften durch den Nebel und fuhren überdurchschnittlich oft zu Dauergast Matteo Lüthi (Roland Koch) in die Schweiz. Er war neben der entrückten Blum und dem planlosen Perlmann beinahe der einzig Normale am Bodensee – und mit seinem alten Land Rover überdies noch ein Sympathieträger. Dass sein Auftauchen in der Regel jeglicher Logik entbehrte, passt wiederum zu den Geschichten.
Konsequenterweise ist Lüthi auch in Deinem letzten Fall "Wofür es sich zu leben lohnt" dabei. Darin geht es… - ja, um was geht es eigentlich? Immerhin gelingt es Dir, lieber Konstanz-Tatort, in Deinem letzten Akt die großen Damen des Fassbinder-Clans Hanna Schygulla, Irm Hermann und Margit Carstensen gemeinsam vor die Kamera zu bringen. Diese WG durchgeknallter Seniorinnen bietet für die angeschlagene Klara Blum ein adäquates Auffangbecken. Wenig überraschend haben die drei dann auch was mit dem Mord zu tun, den es aufzuklären gilt.
Denn kurz zuvor wurde ein rechtsextremer Demagoge in einem auf dem See (natürlich!) treibenden Boot gefunden, geschmückt mit Kerzen und Blumen. Perlmann macht der schwer gestörten Witwe (Julia Jäger) schöne Augen, Lüthi sucht währenddessen den Mörder eines zwielichtigen Investment-Beraters mit nicht weniger durchgeknallter Witwe (Sarah Hostettler). Und irgendwie hat auch Maximilian Heinrich (Matthias Habich) etwas mit all dem zu tun, der zunächst als lieber Clown auftritt, sich dann aber als zynischer Klamotten-Fabrikant entpuppt.
Lieber Tatort aus Konstanz, Dein letzter Film " Wofür es sich zu leben lohnt" ist leider ein eindrucksvoller Beweis, warum es für Dich und für uns besser ist zu gehen. Voller Symbolik wird dementsprechend das Kommissariat um die Ermittler herum abgerissen. Es ist – das muss man so sagen – kein Verlust.
Ruhe in Frieden, Konstanz!