Tatort Saarbrücken: Familie ist die kleinste Terrorzelle

Tatort "Söhne und Väter" aus Saarbrücken: Kommissar Stellbrink (Devid Striesow, r.) rückt Koch Jean Callino (Jophi Ries) auf die Pelle. © SR/Manuela Meyer
Ist denn schon wieder ein Jahr vorbei? Immer noch zieht der Saarländische Rundfunk sein Tatort-Desaster irgendwie durch, mit einer Folge pro Jahr jedoch dankenswerterweise recht schwach dosiert. Es wird munter am misslungenen Set-Up herumgebastelt, in der Hoffnung die Ermittler doch noch irgendwie gesellschaftsfähig zu bekommen. Ist das im inzwischen sechsten Fall "Söhne und Väter" gelungen?
Nö. Nach wie vor sprechen fast alle Darsteller wie Grundschüler beim Vorlese-Wettbewerb, es fehlt vollkommen an Natürlichkeit und Realismus in den Äußerungen und Handlungen. Alles wirkt aufgesetzt, auswendig gelernt und übertrieben dargestellt. Und obendrauf gibt es noch dramatische Soundeffekte aus den frühen 80ern. Jede Abteilung dilettiert also gleichermaßen vor sich hin.
Dabei wurde auch für "Söhne und Väter" wieder an ein paar Schräubchen gedreht: Die unsägliche Staatsanwältin hat nur einen Mini-Auftritt (der aber immer noch schlecht ist), Stellbrink (Devid Striesow) ist inzwischen beinahe normal (Wer erinnert sich noch an die Wickelhosen aus dem ersten Fall?), die einigermaßen sympathische Kommissarsanwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider) bekommt mehr Raum, Lisa Marx (Elisabeth Brück) hingegen verkommt zur Stichwortgeberin und Stellbrinks Sohn Moritz (Ludwig Simon) taucht plötzlich in Saarbrücken auf.
Letzteres gehört zur etwas dick aufgetragenen Symbolik des Films: Es geht um " Söhne und Väter", und jeder hat so seine Probleme. Da wird von der Familie als kleinster Terrorzelle gefaselt und davon, dass Löwen-Männchen den Nachwuchs ihres Vorgängers totbeißen. Da es aber das eine oder andere Vater-Sohn-Pärchen zu viel gibt, gerät die Story recht unübersichtlich.
90 Minuten verwirrendes Laienspiel
Dirk Rebmann (Crisjan Zöllner, Vater 1) und sein Stiefsohn Karim (Emilio Sakayra, Sohn 1) lagen im Dauer-Clinch, nun ist Rebmann tot. Karim und seine Kumpel rächen sich mit einem makabren Scherz im Bestattungsinstitut, am nächsten Morgen wird Enno (Filip Januchowski, Sohn 2) tot in der Kühlkammer gefunden. Sein Vater (Klaus Müller-Beck, Vater 2) hat Enno mit Prügeln in den Suff getrieben. Der Dritte im Bunde war Pascal Weller (Emil Reinke, Sohn 3), seines Zeichens Klein-Dealer und Sohn einer Metzger-Dynastie, der sich im Gegensatz zu seinem verhuschten Erzeuger (Thomas Schweiberer, Vater 3) gegen die herrische Mutter (Christine Zart) auflehnt. Soweit alles klar?
Es wird noch besser: Pascals Schwester (Marie Bendig) hatte ein Verhältnis mit Karim, der wiederum in Starkoch Jean Carlino (Jophi Ries) einen – genau! – Ersatzvater gefunden hat. Alle drei Jungs gehen auf die Schule, an der der tote Vater 1 unterrichtet hat. Und auch Stellbrink ringt darum, ein Verhältnis zu seinem wiedergekehrten Sohn aufzubauen, der wiederum aber deutlich mehr Interesse für das Saarbrücker Nachtleben und Polizistin Mia zeigt.
Tatort-Standards und sinnlose Nackt-Szenen
So weit, so verwirrend. Immerhin greifen die Macher (Buch: Michael Vershinin und Zoltan Spirandelli, Regie: Zoltan Spirandelli) ansonsten auf Tatort-Standards zurück: Jede Menge Verhöre, ein 21:15-Uhr-Verdächtiger, die überraschend prominent besetzte Nebenrolle und Psycho-Spielchen des Kommissars. Das macht es aber auch nicht viel besser, denn die meisten Zuschauer dürften spätestens in der zweiten Hälfte den Überblick in dem heillosen Durcheinander verlieren.
Immerhin: Die zu Reichtum gekommene Metzgers-Familie hält mit einem starken Dialekt die saarländische Flagge so hoch, dass man ständig erwartet, gleich Gerd Dudenhöffer alias Heinz Becker zu erblicken. Und dieser Saarbrücken-Tatort darf sich rühmen, die vermutlich sinnloseste Nackt-Szene aller Zeiten zu zeigen.
Am Ende bleibt wohl nur ein Trost: Wenn Kommissar Stellbrink am
Ende den falschen Verdächtigen mitteilt, er sei frei und ein
bedrücktes "Tut mir leid" hinterherschiebt, könnte er auch uns und
diesen
Tatort gemeint haben.