Ferraris Elektro-Debüt verzögert sich

Erlkönig Ferrari EV
Zum E-Ferrari gibt es schon Patente, auch Erlkönige wurden bereits erwischt. Doch nun kündigt der Markenchef an, dass das Modell später vorgestellt wird als gedacht.
Wann bringt Ferrari sein erstes Elektroauto? Diese Frage beantworten die Führungspersönlichkeiten der italienischen Edelmarke höchst unterschiedlich. 2020 sagte der Aufsichtsratsvorsitzende John Elkann: "In diesem Jahrzehnt werden wir keinen vollelektrischen Ferrari sehen." Nur ein Jahr später hörte sich das ganz anders an und Elkann stellte in Aussicht, der erste elektrische Ferrari werde 2025 vorgestellt. "Für einen solchen Meilenstein in unserer Geschichte werden die Designer und Ingenieure alles nur Vorstellbare umsetzen", so der Spross der Agnelli-Familie.
Ferrari-CEO Benedetto Vigna ergänzte dann im Rahmen der Vorstellung der Geschäftszahlen für das Jahr 2024, dass man beim Investoren-Meeting am 9. Oktober 2025 die "Zukunft von Ferrari" präsentieren werde. Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass Ferrari bei diesem Capital Markets Day sein erstes E-Auto enthüllen werde. Doch nun präzisierte Vigna seine Aussage. Bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das erste Quartal 2025 sagte der CEO, dass im Oktober lediglich das "technologische Herz" des Autos präsentiert werde, wobei es sich um den Antriebsstrang handeln dürfte. Das komplette Auto wird demnach erst im Frühjahr 2026 debütieren und, so alles nach Plan läuft, ab Oktober des kommenden Jahres verkauft.
Ferrari EV als Muletto
Einen ersten Ausblick auf den kommenden Elektro-Ferrari geben die ersten erwischten Erlkönige. Die kommen allerdings noch als wildes Muletto daher. Die Karosserie des Versuchsträgers mischt den Grundkörper eines Purosangue mit Anbauteilen von Maserati. Klare Hinweise auf den E-Antrieb liefern die über die Karosserie verteilten Elektro-Warnaufkleber. Die am Heck angebrachten Auspuffendrohre sind nur Attrappen; bei den Testfahrten sammelt sich dort auch der Schnee.
Details zum kommenden Elektro-Ferrari lassen sich vom Muletto-Auftritt noch nicht ableiten. Die verwendete Karosseriegröße deutet allerdings schon die Klasse an, in der der elektrische Ferrari einzusortieren ist. Ein Sportwagen scheint nahezu ausgeschlossen, ein Crossover- oder ein SUV wahrscheinlich. Die Kofferraumklappe ist weit oben am Dach angeschlagen; sehr zum Unmut der Testfahrer können wir auch schon einen Blick auf das Gepäckabteil werfen. An der linken hinteren Flanke befindet sich noch aufgesetzt der Ladeanschluss.
Geringe Überhänge sowie die dynamische Dachlinie geben dem Modell schon jetzt eine gewisse Präsenz. Aerodynamische Felgen im 23-Zoll-Format mit Reifen der Größe 265/35 sind standesgemäß. An der Front zeigen sich weit in die Kotflügel reichende LED-Scheinwerfer, eine tief hinunter ragende Frontpartie sowie massive Luftöffnungen. Augenfällig, als der Prototyp die Ladesäule ansteuerte: Die Dachantenne blinkte rot, nach erfolgreicher Strom-"Beladung" schimmerte die Finne grün. Noch ist unklar, ob es sich hierbei um einen Ladezustandsindex handelt, der auch in Serie kommen wird.
Elektrisch, mit Range Extender oder als Hybrid
Bereits im Januar 2020 hatte das Europäische Patentamt ein Ferrari-Patent veröffentlicht, das einen rein elektrisch angetriebenen Zweisitzer skizziert. Vorgesehen sind in der Patentschrift je zwei L-förmig aufgebaute Elektroantriebsmodule je Achse. Damit würde der Elektro-Ferrari zum Allradler, auch eine Momentensteuerung per Torque Vectoring wäre möglich. Die Antriebseinheiten an der Vorder- und der Hinterachse arbeiten dabei mechanisch völlig unabhängig voneinander.
Die Batterie würde nach der Patentanmeldung hinter den Passagieren vor der Hinterachse sitzen. Hier ist laut Patent aber auch ein Verbrenner als Antrieb für einen Generator denkbar. Für die Batterievariante sieht das Patent zudem die Möglichkeit eines Schnellausbaus durch die Heckklappe vor. Möglicherweise denkt Ferrari hier an ein Batteriewechselsystem. Als weitere Option sieht das Patent einen Hybridantrieb vor, bei dem der Verbrenner direkt die Hinterräder antreiben würde und von den E-Motoren unterstützt werden könnte.
Zweigeteiltes Batteriepaket
Zwei Jahre später, im Januar 2022, wurde vom US-Patentamt ein bereits im Dezember 2019 beantragtes neues Patent zum Ferrari-Elektro-Sportwagen veröffentlicht. Das schlicht mit "Electric or hybrid sport car" betitelte Papier zeigt ein Sportwagenchassis im typischen Zweisitzer-Mittelmotor-Design und beschäftigt sich mit der Unterbringung der Batterie. Der Energiespeicher sitzt in Plattenbauweise geschichtet wenig überraschend als Block hinter den Passagieren in dem Bauraum, den für gewöhnlich das Verbrennertriebwerk bei Mittelmotor-Bauweise einnimmt. Das Batteriegehäuse ist dabei so ausgelegt, dass es als strukturelles Bauteil in den Heckrahmen integriert, aber auch komplett ausgebaut werden kann. Weitere flache Batteriepakete sitzen ergänzend im Fahrzeugboden unter dem Passagierabteil. Diese Zweiteilung erlaubt ebenfalls den Einbau eines Verbrenners im Heck, der in einer Hybrid-Konfiguration nur die Batterien unter dem Fahrzeugboden nutzt.
Markant ist noch die leichte Anstellung des Heckrahmens, der die große Batterie (oder den Verbrenner) aufnimmt. Durch die Keilform stellt sich ein abtriebsfördernder Groundeffect ein. Zudem soll die damit nach hinten beschleunigte Abluft auch Luft aus dem Batteriebereich absaugen und so die Kühlung der Energiespeicher verbessern.
In Sachen Zellform benennt das Patent für den Unterbodenbereich Rundzellen als erste Wahl. Die große Heckbatterie kann dagegen mit zylindrischen, prismatischen oder Pouch-Zellen bestückt werden – je nach gewünschter Batteriecharakteristik.
Eigenes Soundkonzept
Wichtig für einen Elektro-Ferrari ist auch ein authentischer Sound. Der soll nicht wie bei verschiedenen Wettbewerbern komplett aus der Konserve kommen, sondern sich an der tatsächlichen Dynamik des Antriebs orientieren. Entsprechende Patente wurden im Sommer 2022 in Italien, im Januar 2023 in den USA und im März 2025 beim Europäischen Patentamt veröffentlicht. Ferrari will die Geräusche des Elektromotors sowie die von verschiedenen anderen Antriebskomponenten wie Getriebe, Differenzial und Rädern einfangen und dann elektronisch neu abmischen. Daraus sollen sich dann je nach Fahrzustand Geräuschkulissen darstellen lassen, die zur gebotenen Fahrdynamik passen. Übertragen werden die Lebensäußerungen per Resonatoren an den entsprechenden Bauteilen. Unter dem Strich ahmt diese Sound-Entwicklung dann das Geräuschverhalten von Verbrennungsmotoren nach.
Im Zuge dessen hat sich Ferrari ebenso ein Fake-Getriebe für sein Elektroauto patentieren lassen. Aus r Schrift mit der Nummer "EP 4 527 667 A1" geht hervor, dass Ferrari einen Elektromotor verwendet, um die Drehmomentabgabe eines Verbrennungsmotors und die Schaltvorgänge eines Getriebes zu simulieren. Wann die Technik "schaltet" und wann nicht beziehungsweise welchen virtuellen Gang sie wählt, hängt dabei vom jeweiligen Motordrehmoment und von der Gaspedalstellung ab. Es erlaubt aber auch "manuelle Schaltvorgänge", die sich über Lenkradwippen vornehmen lassen.
Ist der Preis selbst für Ferraristi zu hoch?
Bisher haben wir noch nicht einmal ein Auto gesehen. Trotzdem ist die Preisvorstellung aus Maranello bereits zu den Kollegen von Reuters durchgesickert. Und nicht nur für die gut betuchte Klientel dürfte das ein kleiner Schock sein. Der erste Elektro-Ferrari soll nämlich mindestens 500.000 Euro kosten. Hinzu kommen die üblichen persönlichen und individuellen Extras. Bleibt abzuwarten, welche Highlights die Italiener am Ende zu diesem Kurs zu bieten haben.