Was kann Suzukis erstes E-Modell?

Der grüne Suzuki spurtet die Gerade entlang, wirft sich durch das Schlammloch, fährt weiter, so ungerührt als habe er gerade in einer City-Tiefgarage eingeparkt.
Der elektrische Vitara, der auf das Suzuki EVX Concept zurückgeht, wird in Indien produziert und kommt im Herbst 2025 nach Deutschland. Wir haben Infos und Bilder sowie erste Fahreindrücke des Prototypen.
Wie fast jeder andere Autohersteller auch hat Suzuki eine globale Elektrostrategie. Im Rahmen dieser hatten die Japaner auf der Auto Expo in Indien Anfang 2023 das Suzuki EVX Concept vorgestellt. Eine Weiterentwicklung der SUV-Studie wurde im Oktober 2023 auf der Japan Mobility Show präsentiert. Ein gutes Jahr später enthüllen die Japaner mit dem e Vitara das Serienmodell zur Studie.
In ein paar Wochen, so heißt es, läuft im nordwestindischen Gujarat die Serienproduktion an. Im Herbst soll es den Suzuki e-Vitara dann in Deutschland zu kaufen geben. Doch jetzt dürfen wir den Suzuki e-Vitara schon mal ausgiebig beschnuppern und fahren. Und zwar nicht in Indien, sondern bei Dudenhofen in Hessen. Das ehemalige Opel-Testgelände firmiert seit einigen Jahren als Segula Technologies-Testcenter. Es bietet neben den unterschiedlichsten Testsparcours und -flächen auch einige Geländestrecken. So wie diese mit einer schlammigen Wasserdurchfahrt.
So fährt der Suzuki e-Vitara
Die soll unser Prototyp bewältigen, denn werkzeughafter Nutzwert gehört zur Suzuki-Markenidentität, da muss auch der neue Stromer durch. Also los. Per Knopfdruck wird der Trail-Mode angewählt (gibt es nur in der Version mit Allradantrieb), Wählknopf auf D und ab. Der grüne Suzuki spurtet die Gerade entlang, wirft sich durch das Schlammloch, fährt weiter, so ungerührt als habe er gerade in einer City-Tiefgarage eingeparkt.
Klappt also schon mal. 18 Zentimeter Bodenfreiheit und die beiden Elektromotoren vorn und hinten helfen. Suzuki nennt das System Allgrip in Anspielung auf die mechanischen Allradsysteme von Vitara, Jimny und Co., in Wahrheit hat es natürlich wenig damit zu tun. Es besteht aus den beiden Motoren an Vorder- und Hinterachse sowie einer intelligenten Steuerung, die das System-Drehmoment achsselektiv verteilen kann. Zudem können in einer E-Diff-Funktion griparme Räder gezielt eingebremst werden.
Das Schöne daran: Es funktioniert nicht nur im Dudenhofener Schlammloch, sondern ebenso bei der Fahrt auf trockenem Asphalt. Der zusätzliche E-Antrieb an der Hinterachse stabilisiert den Suzuki e-Vitara auch bei schneller Kurvenfahrt, reduziert das Untersteuern und lässt ihn neutral um langsame und schnelle Biegungen fegen. Auch das dürfen wir ausprobieren, ebenso wie die diversen Assistenzsystem wie etwa den aktiven Spurhalter und den Abstands-Tempomaten. All das beherrscht der e-Vitara, nicht weniger wird von einem modernen Elektroauto erwartet.
Was fiel noch auf bei der ersten Ausfahrt im Suzuki e-Vitara? Der Federungskomfort erweist sich als angenehm, selbst als es auf den weiten Wegen durch das Testcenter mitunter über holperigen Untergrund geht. Die Lenkung könnte mehr Rückmeldung vertragen, an der Präzision gibt es dagegen wenig auszusetzen. Auch Verarbeitung, Bedienung und Infotainment machen einen serienfertigen Eindruck.
Karosserie mit kompakten Abmessungen
Der viertürige Suzuki e-Vitara siedelt sich mit einer Länge von 4,28 Meter, einer Breite von 1,80 Meter und einer Höhe von 1,64 Meter zwischen den aktuellen Suzuki-Modellen Vitara und SX4 S-Cross an. Den Radstand geben die Japaner mit 2.700 Millimeter an, die Bodenfreiheit mit 18 Zentimeter.
SUV-typisch setzt der e-Vitara auf einen bulligen Auftritt mit klaren Kanten und Linien, hoher Fronthaube, abgesetzten Karosseriebeplankungen und Unterfahrschutz-Elementen. Das Serienmodell bleibt dabei nahe an der Linienführung der EVX-Studie. An der Frontschürze wurde der Unterfahrschutz etwas reduziert, dafür dürfen die Kühlluftschächte im Format zulegen. Entfallen sind auf dem Weg in die Serie die seitlich senkrecht verlaufenden Kiemen vor den Radläufen. Zusammengefasst zu einem Scheinwerfer wurden die drei einzelnen LED-Lichtstreifen.
Die Flanken tragen nun konventionelle Außenspiegel, eingefasste Seitenscheiben, eine sichtbare B-Säule sowie Bügeltürgriffe – der hintere versteckt sich dabei in der Fenstereinfassung. Die Alueinleger in den seitlichen Stoßleisten sind nun in Kunststoff ausgeführt. Am Heck gibt es ebenfalls weniger Unterfahrschutz, ein konventioneller gezeichnetes Rückleuchtenband und der geschrumpfte Bürzel unter dem Heckfenster ist nun mit einem Scheibenwischer bestückt.
Innenraum für fünf
Im Innenraum trennt eine hohe, durchbrochene Mittelkonsole, die den Drehregler für die Antriebssteuerung aufnimmt, die Frontpassagiere. Der Fahrer greift in ein oben und unten abgeflachtes Zweispeichen-Multifunktionslenkrad. Davor streckt sich ein XXL-Display bis weit über die Armaturenbrett-Mitte. Das 10,25 Zoll große digitale Kombiinstrument und das zentrale Display im 10,1-Zoll-Format bilden hier unter einer Glasscheibe eine digitale Einheit, über die sich Navigation, Klimaautomatik und weitere Fahrzeugeinstellungen einfach und intuitiv steuern lassen. Smartphones können über Apple CarPlay und Android Auto kabellos mit dem Infotainmentsystem verbunden werden. In den höhreren Ausstattungsvarianten ist auch eine induktive Ladeschale an Bord.
Die horizontal ausgerichtete Armaturentafel wird von vier senkrecht ausgerichteten Lüftungsdüsen strukturiert. Im Fond nimmt eine Dreierbank mit geteilt umlegbaren Lehnen Passagiere auf. In der Studie schienen die vorderen Sitzschalen noch zu schweben. Gleiches gilt auch für die Rückbank, die bereits drei Plätze bot. Über allen Passagieren spannt sich auch in der Serie ein zweigeteiltes Glas-Panoramadach auf. Die Ambientebeleuchtung wird zeitgemäß über LEDs realisiert.
Die eigentliche Innovation des e Vitara ist aber seine neue Elektroarchitektur, die Suzuki Heartect-e nennt und die durch extremen Leichtbau glänzen soll. Entwickelt wurde die Plattform zusammen mit Toyota und Daihatsu. Das bekannte Allgrip-Allradsystem lebt auch im Elektrozeitalter als Allgrip-e weiter. Realisiert wird der Allradantrieb durch E-Motoren an beiden Achsen. Torque Vectoring optimiert die Antriebsmomentenverteilung.
Der Elektroantrieb
In der Basisversion tritt der e-Vitara als 2WD an, wobei der 106 kW (144 PS) und 193 Nm starke Elektromotor an der Vorderachse sitzt. Die im Unterboden platzierte LFP-Batterie bringt hier eine Kapazität von 49 kWh und eine Reichweite von bis zu 346 Kilometer mit. Alternativ steht auch ein 61 kWh großer Akku zur Wahl, der die Reichweite auf 428 Kilometer erhöht. Dann leistet die 2WD-Version 128 kW (174 PS) und 193 Nm. Die nur mit dieser Batterie verfügbare Allradvariante kombiniert an der Hinterachse einen 48-kW-E-Motor und bringt es so auf eine Systemleistung von 135 kW und 307 Nm. Die Reichweite soll hier im Bestfall bis zu 412 Kilometer betragen. Wurde im Vorfeld noch eine Kraftübertragung mit Zweigang-Getriebe angekündigt, so kommt das Serienmodell jetzt mit nur einem Gang. Das Gewicht für den e-Vitara gibt Suzuki mit 1.700 bis 1.900 Kilogramm an. Die Höchstgeschwindigkeit ist in allen Versionen auf 150 km/h limitiert. Die Spurtzeiten liegen zwischen 7,4 und 9,6 Sekunden.
Etwas schüchtern gibt man sich bei Suzuki mit der Angabe der Ladeleistung. Von 75 kW am DC-Lader und 11 kW am Wechselstrom ist die Rede. Wichtiger seien Betriebssicherheit und Lebensdauer des Energiespeichers. Ohnehin scheint der e-Vitara eher für den Nahbereich konzipiert, wo das Schnellladen so gut wie keine Rolle spielt. Dazu passt auch die Serienausstattung, etwa mit Wärmepumpe zur Innenraum- und Batterie-Temperierung oder innenbelüfteten Scheibenbremsen hinten, sonst bei preiswerten E-Autos eher die Ausnahme. Die Erklärung: Wenn man nach nächtlichem Vollladen per Wallbox losfährt, muss die hydraulische Bremse die volle Verzögerungsarbeit übernehmen. Mit rundum belüfteten Scheiben ist sie dafür bestens gerüstet. Was leider nicht so gut zu dem Szenario des e-Vitara im Einsatz passt, ist die bescheidene Anhängelast von 750 kg.
Produktion, Marktstart und Toyota-Bruder
Die Serienproduktion des e Vitara startet im Frühjahr 2025 im indischen Maruti-Suzuki-Werk in Hansalpur, Gujarat. In den Handel kommt der e Vitara dann ab Sommer 2025 in den drei Ausstattungsvarianten Club, Comfort und Comfort + zunächst in Europa, Indien und Japan. Später sollen dann auch andere Märkte bedient werden. Zu den Preisen hält sich Suzuki noch bedeckt. Wer eine Spanne von rund 30.000 bis 40.000 Euro erwartet, je nach Antrieb und Ausstattung, dürfte nicht so falschliegen. Bedient wird von Indien aus auch der Kooperationspartner Toyota, der den zugelieferten e Vitara dann unter dem eigenen Markenlabel anbieten wird. Einen Ausblick auf die Toyota-Variante hat bereits das Urban SUV Concept geliefert.