Interview mit Jochen Mass

Jochen Mass war der zweite deutsche Grand Prix-Sieger nach Wolfgang Graf Berghe von Trips. Wir haben uns mit dem passionierten Seemann über eine bewegte Karriere unterhalten, in der Motorsport noch richtig gefährlich war. Und über Michael Schumacher, dem er 1996 zu Ferrari statt Williams riet.
In den 60er Jahren wurde die Formel 1 zum Sport der Engländer, Australier und Neuseeländer. Deutschland nahm praktisch nicht teil. Dann tauchten mit Rolf Stommelen, Jochen Mass und Hans-Joachim Stuck kurz hintereinander gleich drei Fahrer in der höchsten Spielklasse auf. Jochen Mass war der mit Abstand erfolgreichste. Der deutsche Rundstreckenmeister von 1971 begann seine Karriere im Team von John Surtees. Der Rennstall war notorisch knapp bei Kasse. Mass berichtet, warum er kein Geld bekam und warum er 1974 auf einen Start in Monte Carlo verzichtete, nachdem ständig Teile am Auto brachen.
Drei Jahre für McLaren
Dann ergab sich mit McLaren plötzlich die große Chance. Mass fuhr drei Jahre für den britischen Rennstall. Seine Teamkollegen Emerson Fittipaldi und James Hunt wurden Weltmeister, doch Mass fühlte sich unter Wert geschlagen. Wie ihm später Cosworth bestätigte, wurden die Nummer 1-Fahrer der drei Topteams mit deutlich stärkeren Triebwerken versorgt. Trotzdem gewann Mass einen Grand Prix. Der passionierte Seemann erzählt uns von einem tragischen Sieg beim GP Spanien 1975 und von einem verhinderten Triumph 1976 am Nürburgring.
Die beiden Geschichten stehen für eine verrückte Zeit, die brandgefährlich war. Die Autos wurden immer schneller, aber nicht sicherer. Und die Rennstrecken waren noch echte Trampelpfade. Mass bekam es am eigenen Leib zu spüren. Er überlebte einen schweren Testunfall 1978 im ATS in Silverstone und einen Sturz kopfüber in ein Getreidefeld am Österreichring 1980 in einem Arrows.
Nach einer Pause von einem Jahr kehrte Jochen Mass 1982 mit March wieder in die Formel 1 zurück. Eine Erfahrung, die er sich besser erspart hätte, wie er in unserem Interview erzählt. Die Kollision mit Gilles Villeneuve in Zolder und der Unfall mit Mauro Baldi in Paul Ricard waren es am Ende auch, die Mass dazu veranlasst haben, der Formel 1 den Rücken zuzukehren und sich auf Sportwagen-Rennen zu konzentrieren. „Ich hatte das Gefühl, da zeigt einer mit dem Finger auf dich“, sagt der Le Mans-Sieger von 1989.
Mass gibt uns interessante Einblicke in die Ereignisse der Saison 1982. Und ganz am Ende verrät er auch noch, wie er als Mentor von Michael Schumacher maßgeblich mit daran beteiligt war, dass der deutsche Superstar 1996 nicht zu Williams, sondern zu Ferrari gegangen ist. Hier ein paar Auszüge aus unserem Video.
„Michael wollte zu Williams“
„John Surtees wusste alles besser. Bei einem Test in Goodwood sagte ich zu ihm: Das Auto hatte Handling Probleme. John hat geantwortet: Unmöglich. Dann zog er sich um und setzte sich selbst ins Auto.“
„Silverstone 1973 war ein merkwürdiger Anfang. Ich dachte mir, wenn das Formel 1 sein soll, so witzig ist das ja nicht.“
„In Monaco 1974 war wieder mal hinten der Radträger gebrochen. Wo bist du dagegen gefahren?“, fragte mich Surtees. „Nirgendwo“, sagte ich und warnte ihn: „Wenn du mir das nicht erklären kannst, fährst du morgen selber.“
„Ich habe auf mein Geld bei Surtees verzichtet. Er schuldete mir fast 300.000 Pfund. Er konnte es natürlich nicht bezahlen. Ich habe darauf verzichtet, weil ich ihn nicht zugrunde richten wollte.“
„Ich sagte in Spanien 1975 zu meinen Kollegen: Warum fahren wir nicht behutsam? Gute Idee, meinten alle. Mit dem behutsam war es schon in der ersten Kurve vorbei.“
„Niki hatte mit seiner Kritik am Nürburgring nicht Recht. Es war für die Zuschauer zehn Mal schöner 14 Runden am Nürburgring zu sehen als 80 Runden anderswo.“
„James Hunt war ein Hallodri, aber ein liebenswerter.“
„Nach dem Testunfall mit ATS hätte ich eigentlich schon aufhören müssen, nach meiner Erfahrung mit Surtees.“
„Ich hatte in Paul Ricard einen ähnlichen Unfall wie Gilles in Zolder, aber mit glücklichem Ausgang. Ich frage mich heute oft: Wieso habe ich das alles überlebt?“
„Michael Schumacher ist immer klug gefahren. Der Stefan Bellof war ein bisschen zu leichtsinnig geworden.“
„Michael wollte zu Williams. Ich riet zu Ferrari. Ich habe zu ihm gesagt: Was du auf Williams gewinnst, ist das überlegene Auto und nicht du. Wenn du aber Ferrari wieder stark machst, dann wirst du König von Italien“
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