Regime des Schreckens

McLaren rangiert zwar noch auf dem fünften Platz in der
Konstrukteurs-Wertung, doch auf der Strecke rutscht das ehemalige
Erfolgsteam immer weiter ab. In China gab es für McLaren die zweite
Doppel-Null in Folge. Obwohl beide Fahrer die Zielflagge sahen. Im
Team scheint die Angst zu regieren.
McLaren lebt vom Saisonauftakt. Dort brachten der zweite und der dritte Platz von Kevin Magnussen und Jenson Button 33 Punkte auf das Konto. In Malaysia kamen noch einmal zehn Zähler dazu. Seitdem bleibt der Punktestand bei 43 eingefroren. In Bahrain fielen beide Autos mit Kupplungsdefekten aus. 14 Tage später sahen Button und Magnussen zwar die Zielflagge, landeten aber außerhalb der Top Ten-Plätze.
Der letzte WM-Punkt lag 9,069 Sekunden entfernt. Button wurde von Toro Rosso-Neuling Daniil Kvyat geschlagen. Mit einem Renault-Motor. McLaren ist auf der Rennstrecke klar die Nummer vier im Mercedes-Camp. Hinter dem Werksteam, Force India und Williams.
McLaren immer noch ohne Hauptsponsor
McLaren kann nicht mehr an die Leistungen von Melbourne anschließen, obwohl Ron Dennis großzügig eine halbe Sekunde Fortschritt für das letzte Aerodynamikpaket mit neuer Nase, Frontflügel und Seitenkästen angekündigt hatte. Der versprochene Zeitgewinn verpufft in den schnellen Kurven. "Wir haben uns zurückentwickelt", klagt Jenson Button.
Nach der enttäuschenden Saison 2013 weckte die Shanghai-Vorstellung ungute Erinnerungen. Dumm, wenn man in China neue Investoren für die Firma sucht und immer noch keinen Hauptsponsor vorweisen kann. Eigentlich wollte man in Shanghai den neuen großen Geldgeber präsentieren, den man der Öffentlichkeit seit Dezember schuldig ist. Teamchef Eric Boullier wollte sich nur so weit festlegen. "Er kommt noch in dieser Saison."
Keiner traut sich etwas zu sagen
McLaren wirkt wie ein totes Team. Der Auftritt bei der Presse-Veranstaltung "Meet the team" war erschreckend. Auf der Bühne saß ein Teamchef, der sich mit seinen Aussagen in Gemeinplätzen verirrt und zwei eingeschüchterte Fahrer. Seit Ron Dennis wieder an den Hebeln der Macht sitzt, baut sich Druck auf. Nicht, dass er offen ausgesprochen würde, aber er ist zu spüren.
"Es ist ein Regime des Schreckens. Alle scheinen Angst zu haben, etwas Falsches zu sagen", notierte ein früherer McLaren-Mitarbeiter. Die Ingenieure haben Redeverbot. Die englischen Reporter berichten, dass sich Dennis und Boullier bei der Beantwortung unangenehmer Fragen gegenseitig die Bälle zuschieben.
Magnussen ging in den letzten Wochen komplett der erfrischende Auftritt verloren, den er noch in der Testsaison gezeigt hatte. Angeblich wurde dem Dänen gesagt, dass er seine Fehlerquote reduzieren müsse. Dabei ist die bei einem Rookie normal. Es war auch nicht hilfreich, dass der zweite McLaren-Youngster Stoffel Vandoorne mit einem GP2-Sieg bei der Premiere einen Traumstart hingelegt hat.
Kein Abtrieb und weniger Power
Immerhin fand Altstar Button nach der Enttäuschung über das Resultat in Shanghai etwas deutlichere Worte. "Es hat ziemlich weh getan. Ich weiß nicht, was wir hier tun", meinte der Ex-Weltmeister desillusioniert. "Ich hoffe, dass sich keiner im Team entmutigen lässt. Das Auto braucht dringend ein paar Updates, denn das ist nicht gut genug." Dem MP4-29 fehlt es nach Aussagen der Fahrer an Abtrieb. Vor allem im Heck. Das rutscht viel herum, was die Reifen überhitzt. Und das kostet Grip. "Vorne bringen wir die Reifen dafür nicht zum Arbeiten", stöhnt Button.
Wie verloren die Ingenieure sind, zeigen ihre Experimente an der Hinterachse. In Bahrain wurde mit und ohne den als Zusatzflügel ausgelegten Querlenkern getestet. Man wolle aber bei der ungewöhnlichen Konstruktion bleiben, beteuerte Boullier, weil das Auto dafür konzipiert sein. Der Mercedes-Motor im McLaren soll weniger Leistung entfalten als in den anderen drei Autos. Kraftstofflieferant Mobil hinkt Gerüchten zufolge bei der Benzinentwicklung Petronas hinterher. Und die beliefern das Werksteam, Force India und Williams.
McLaren im Streit mit Red Bull./strong>
Jetzt liegt man auch noch im Clinch mit Red Bull. Es bahnt sich ein Rechtsstreit an, weil der Aerodynamiker Dan Fallows plötzlich nicht mehr seinen Dienst bei McLaren antreten, sondern zurück zu Red Bull will. "Wir haben einen bindenden Vertrag mit ihm", donnert Dennis. Kollege Horner kontert: "Keiner kann einen Angestellten zwingen, für seine Firma zu arbeiten. Es ist die freie Entscheidung von Fallows, wieder zu uns zurückzukehren. Die Sklaverei wurde meines Wissens schon lange abgeschafft."
Teamberater Helmut Marko schickt hinterher: "Bei McLaren haben sich über den Winter die Verhältnisse geändert. Und Fallows ist bei uns gegangen, weil er mit seinem Chef Prodromou ein Problem hatte." Den aber hätte er bei McLaren wiedergetroffen. Fallows und sein Ex-Kollege Peter Prodromou wurden noch vom alten McLaren-Chef Martin Whitmarsh engagiert.