Kein Alpina, keine Niere, aber BMWs S58-6-Zylinder
Alpina haben die Bovensiepen-Brüder an BMW verkauft. Jetzt bauen sie Autos unter eigenem Namen. Auf dem Fuoriconcorso am Rande des Concorso d’Eleganza zeigen sie einen Gran Turismo mit M4-Technik und Design von Zagato.
Das Design des ersten Bovensiepen-Modells entstand in Zusammenarbeit mit dem Mailänder Designstudio Zagato und erinnert formal an 4er- und 8er-Coupé von BMW. Statt der typischen BMW-Niere sitzt zwischen den ein wenig an Peugeot erinnernden Scheinwerfern ein schwarzer Metallgitter-Kühlergrill, dessen Form an einen stilisierten Clowns-Mund erinnert. Zahlreiche Details des Designs verleihen dem Gran Turismo eine eigene Note. Das Auto entstand in Handarbeit in der hauseigenen Manufaktur in Buchloe, die Fertigungszeit geben die Bovensiepens mit über 250 Stunden an.
Die Länge von 4,94 Metern suggeriert, dass als Basis des Zweitürers ohne B-Säule eher das 8er-Coupé (4,85 Meter, Gran Coupé 5,08 Meter) diente als der 4er (4,77 Meter). Tatsächlich ist die größere Karosse aber um ein M4 Cabrio herumgeschneidert. Das Gewicht deutet trotz Kohlefaser-Karosse Richtung 8er: 1.875 kg ohne Fahrer ist mehr als beim 840i mit 3,0-Liter-Turbo-Sechszylinder.
611-PS-BMW-M4-Motor
Ein Turbo-Sechszylinder treibt auch den Bovensiepen Zagato an, allerdings in einer offensichtlich leistungsgesteigerten M-Version (S58). Der 3,0-Liter-Reihensechszylinder leistet laut Bovensiepen 611 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 700 Nm. Damit soll das Coupé in 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen sowie über 300 km/h schnell sein.
Das adaptive Fahrwerk mit Bilstein-Dämpfern und drei Fahrmodi (Comfort, Sport und Sport Plus) erinnert an BMW, das Design der 20-Zoll-Schmiederäder mit gewichtsreduzierenden Fräsungen in den Speichen zumindest entfernt an die klassischen Alpina-Felgen.
Die Titan-Abgasanlage und hat Bovensiepen zusammen mit Akrapovič entwickelt. Neben dem geringeren Abgasgegendruck soll die ganze Auspuffanlage 40 Prozent beziehungsweise rund 22 kg Gewichtsersparnis bringen. Vier runde Endrohre lugen am Heck unter dem Diffusor hervor.
Lederorgie im Innenraum
Besonderen Aufwand trieb Bovensiepen im Innenraum, der in der Manufaktur in Buchloe individuell nach Kundenwunsch entsteht. Die handgefertigte Ausstattung aus Lavalina-Leder gibt es in 16 Standardfarben oder in Sonderfarben im Rahmen des sogenannten Bespoke-Programms. Nahezu alle Flächen des Interieurs lassen sich mit Leder beziehen, die Fahrzeugsattler in Buchloe investieren allein dafür über 130 Stunden Handarbeit. Als Kombinationsmaterial steht unter anderem Alcantara zur Verfügung, das in 45 Farbvarianten wählbar ist. Individuelle Prägungen oder Stickereien sind ebenfalls möglich. Jedes Auto bekommt Schaltwippen aus gefrästem Aluminium, ein handgenähtes Lederlenkrad sowie ein individuelles Produktionsnummernschild.
Eine neue Marke mit eigenem Logo
Bovensiepen gönnt seinen handgemachten Autos, wie damals bei Alpina, ein eigenes Logo. Die zwei Rücken an Rücken stehenden "Bs" in der Mitte sind unschwer zu deuten: Den Nachnamen Bovensiepen tragen beide Firmengründer, die Brüder Andreas und Florian. Farben und Form spielen geschickt mit denen des BMW- und des Alpina-Logos.
Marktstart und Preise
Mit seinem ersten Modell will Bovensiepen nächsten Jahr an den Start gehen. Die Markteinführung ist für Ende des zweiten Quartals 2026 vorgesehen. Informationen zur geplanten Stückzahl sowie zum Preis sollen im vierten Quartal 2025 folgen. Angesichts des Aufwands für Handarbeit und Individualisierungsmöglichkeiten darf man davon ausgehen, dass Bovensiepen ein Preissegment deutlich oberhalb von Alpina anstrebt. Aktuell kostet ein Alpina B8 GT beispielsweise mindestens 225.000 Euro.
Die Marke Bovensiepen
Am 1. Januar 1965 gründete Burkard Bovensiepen die Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG und stand bis kurz vor seinem Tod am 12. Oktober 2023 der Geschäftsführung vor, der auch seine Söhne Andreas und Florian angehören. Schon Burkard Bovensiepens Vater betrieb bereits unter dem Namen Alpina einen Produktionsbetrieb, allerdings für Büromaschinen.
Bis 1977 war Alpina BMW-Tuner, 1978 avancierten die Allgäuer zum Hersteller von Personenkraftwagen auf Basis von Produkten der BMW AG. Seit 1983 ist Alpina als offizieller Automobilhersteller beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg registriert. Im Jahr 2014 hatte die Firma zirka 200 Mitarbeiter und verkaufte weltweit gerade mal etwa 1.700 Fahrzeuge. Damit erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 90 Millionen Euro. Die Montage von Alpina-Fahrzeugen erfolgte in Werken von BMW, wohin Alpina spezifische Komponenten lieferte. Anschließend gingen die fertigen Fahrzeuge zur Auslieferungsvorbereitung nach Buchloe. Zum zweiten Standbein des Familienunternehmens hatte Burkhard Bovensiepen den Weinhandel entwickelt.
Im März 2022 wurde bekannt, dass BMW die Markenrechte von Alpina übernehmen wird. Die Produktion der aktuellen Modelle wird noch bis 2025 weitergeführt. Bei Bovensiepen verbleibt die Wartung und Ersatzteilversorgung der bisherigen Modelle sowie der Weinhandel.
Bovensiepen baut Autos
Und jetzt kommt wieder Entwicklung und Fertigung von Fahrzeugen dazu. Die sollen laut Pressemitteilung den Anspruch von "Fine Driving" verkörpern. Im Pressetext heißt es weiter: "Der Start von Bovensiepen markiert eine neue Ära für das Unternehmen und zugleich die konzentrierte Fortführung der umfangreichen Entwicklungs- und Fertigungsexpertise aus Buchloe. Bovensiepen wird in Zukunft einzigartige Automobilprojekte realisieren, mit profundem Engineering und zeitlosem Design, verschmolzen zu einem präzisen, harmonischen Gesamtkunstwerk. Jedes Automobil wird dabei von Experten mit jahrzehntelanger Erfahrung, großer Leidenschaft und in umfangreicher Handarbeit gefertigt".
Der Sitz der Manufaktur von Bovensiepen ist Buchloe, der bisherige Alpina-Standort. Vom Design, über die Konstruktion, Entwicklung, bis hin zur Fertigung und Individualisierung von Hand sollen hier alle Fäden zusammenlaufen, so Florian und Andreas Bovensiepen. Von der Unterstützung durch BMW ist weiterhin auszugehen.