Hotels nur bis Spanien gebucht
Corona zwingt die Teams weiter zu Flexibilität. Noch weiß keiner, wie viele Rennen in dieser Saison abgesagt werden. Wir haben mit Alfa-Romeo-Teammanager Beat Zehnder gesprochen, wie sein Rennstall in diesen unsicheren Zeiten eine Saison plant.
Die Corona-Pandemie hat die Formel 1 nun schon seit mehr als einem Jahr fest im Griff. Die Arbeit an der Strecke hat sich seitdem für alle Beteiligten komplett verändert. Überall gelten Maskenzwang und Abstandsregeln. Jeder, der ins Fahrerlager will, muss sich regelmäßig testen lassen. Externe Gäste dürfen gar nicht mehr rein. Und Fans wurden zuletzt auch nur sporadisch auf die Tribünen gelassen.
Noch weiß keiner, wie die Saison 2021 weitergeht und wann der Spuk endlich ein Ende hat. Der weltweite Reiseverkehr ist aktuell stark eingeschränkt. Quarantäne-Vorschriften und ein reduziertes Flugangebot macht auch dem Formel-1-Zirkus das Leben schwer. Der Kalender ist immer noch ein Provisorium. Gleich mehrere Rennen stehen auf der Kippe. Die Teams müssen bei der Planung also auf Sicht fahren.
"Normalerweise machst Du Anfang Dezember, bevor Du in den Weihnachtsurlaub gehst, alle Flug- und Hotel-Buchungen bis Ende September der folgenden Saison. Jetzt habe ich gerade einmal bis nach Barcelona gebucht", erklärt Beat Zehnder, der als Teammanager von Alfa Romeo für die Logistik von Fracht und Personal verantwortlich ist. "Früher hätte mir das fürchterlich auf den Magen geschlagen, dass wir so wenig gebucht haben. Heute muss man damit leben."
Während die Hotels zumindest reserviert sind und Anzahlungen bei Rennabsagen einfach auf das kommende Jahr verschoben werden können, ist die Lage bei Flügen nicht ganz so einfach. Zahlreiche Verbindungen wurden in den letzten Monaten gestrichen. Keiner weiß, welche Flüge in ein paar Monaten zu den Übersee-Rennen verfügbar sind. Deshalb wird erst in letzter Minute gebucht, was bei den großen Kontingenten eines F1-Rennstalls gar nicht so einfach ist.
Alfa Romeo mietet Charter-Flieger
Für die Europa-Rennen hat Zehnder eine außergewöhnliche Lösung gefunden: "Wir arbeiten mit Edelweiss zusammen, einer Tochter der Swiss, und chartern jeweils ein komplettes Flugzeug. Der Charter ist momentan nicht viel teurer als normale Economy-Flüge. Es ist eine Win-Win-Situation zwischen dem Anbieter und uns. Wir brauchen Flüge und die brauchen Flugstunden für ihre Piloten und die Crew, damit sie ihre Lizenzen behalten. Wir machen das aber nicht nur, weil es bequem ist, sondern damit wir uns in Covid-Zeiten in einer Blase bewegen."
Immer funktioniert der Plan mit dem Charter aber nicht. Nach dem Rennen in Barcelona muss ein Teil der Sauber-Mannschaft noch an der Strecke bleiben, weil Pirelli Testfahrten mit den neuen 18-Zoll-Reifen für 2022 angesetzt hat. Das Team fliegt also stufenweise in drei Etappen zurück. "Da nehmen wir dann Linienflüge mit Swiss. Ich kann ja nicht drei Mal einen Charter-Flieger organisieren", berichtet Zehnder.
Wie schwierig die Logistik in Corona-Zeiten ist, zeigte schon die Anreise zu den Wintertests in Bahrain: "Eigentlich hatten wir den Flug nach Bahrain mit Lufthansa gebucht. Doch dann haben die den Zubringer von Zürich nach Frankfurt gestrichen. Sie haben uns gesagt, dass wir einen Tag früher anreisen und im Flughafen-Hotel übernachten sollen. Doch am Ende wurde auch noch der Flug von Frankfurt nach Bahrain gestrichen."
Zur besseren Planungssicherheit rief Zehnder also wieder bei Edelweiss an, um eine Charter-Maschine zu buchen: "Der Flieger nach Bahrain war eine A320, die natürlich komplett mit Economy-Sitzen bestuhlt war. Normalerweise dürfen bei uns gewisse Mitarbeiter Business-Klasse fliegen. Von dem her war der Charter am Ende gar nicht teurer als das, was uns Linienflüge gekostet hätten."
Teure LKW-Transporte in Europa
Das Personal ist die eine Sache, die Fracht die andere. Vor allem wenn mehrere Rennen hintereinander ohne größere Pausen anstehen, wird es bei der Planung kompliziert und teuer. "Prinzipiell sind Double- und Triple-Header in Europa schlimmer als in Übersee", verrät Zehnder. "Bei Übersee-Rennen ist es zwar so, dass man etwas länger reist, aber in Europa brauchst Du für die LKW mehrere Fahrer, weil Du ohne Pause durchfahren musst."
Zehnder erklärt das Prozedere an den Grands Prix in Portugal und Barcelona, die an zwei Wochenenden in Folge auf dem Programm stehen: "Die Distanz zwischen beiden Rennstrecken beträgt 1.300 Kilometer. Da brauchst Du jeweils drei Fahrer, um ohne Pausen durchzufahren. Bei 20 LKWs musst Du also 60 Fahrer einstellen, die alle Covid-getestet sein müssen. Es können in einem LKW aber immer nur zwei mitfahren. Also organsiert man Schlafbusse mit Kajüten, die parallel fahren. Logistisch und organisatorisch ist Europa ein viel größerer Aufwand."
Aber auch die Rennen auf anderen Kontinenten bereiten den Logistikern Kopfzerbrechen. Die Seefracht muss stets mehrere Wochen im Voraus losgeschickt werden. Fallen Rennen aus, müssen die Container kurzfristig umgeleitet werden. Im letzten Jahr ließ Zehnder das Material zum Beispiel von Vietnam nach Dubai verschiffen, wo es dann bis zum Saisonfinale in Bahrain und Abu Dhabi eingelagert wurde.
Aktuell sorgt die mögliche Absage des Kanada-Rennens für Stress bei den Planern. "Eigentlich hätte die Seefracht nach Baku und Montreal am 21. April weggehen sollen. Jetzt haben wir aber noch drei Tage mehr rausgehandelt. Es ist also der 24. April. Bis dahin müssen wir uns entscheiden, wo die Seefracht hingeht."