Sein schlechter Ruf macht den Sharan zum Geheimtipp

Im Vergleich zu den sehr großen hinteren Klapptüren des Vorgängers bieten Sharan und Alhambra zwei serienmäßige Schiebetüren, die auf Wunsch sogar elektrisch funktionieren. Fensterheber und sonstige E-Funktionen können in seltenen Einzelfällen mal streiken. Dann stimmt etwas nicht mit den Türkontakten.
Wer sucht, findet im Netz viel Kritik über die Qualität der Van-Geschwister Seat Alhambra und VW Sharan – zum Teil nicht unbegründet. Trotzdem empfehlen wir sie als Gebrauchte für Familien mit Platzbedarf. Hier steht warum.
In früheren Zeiten waren Vans keine Seltenheit. Heute ist das zumindest hierzulande anders. Gerade was das Angebot in der Mittelklasse angeht – also die einstige Konkurrenz des Urgesteins Chrysler Voyager –, liegt das Angebot an Neuwagen brach. Zwischen VW Touran und dem vollwertigen VW Bus füllte zwischen 1995 und 2022, davon ab 2011 in zweiter Generation, der Sharan die Lücke im Van-Portfolio. Etwa zeitgleich gab es den eineiigen Zwilling von Seat, den Alhambra . Beide wurden in Portugal produziert und gewannen von Anfang an die Herzen der Familien – und das, obwohl die Urteile in Neu- und Gebrauchtwagentests nie lückenlos gut ausfielen. Das hat sich mit der Zeit zum etwas zweifelhaften Ruf manifestiert. Hier sind fünf gute Gründe, die dennoch für den Kauf eines der beiden Vans sprechen.
Diverse Reparatur-Anleitungen für den Seat Alhambra (bzw. VW Sharan)
1. Praktischer wird's nicht mehr
Dass heutzutage keine Nachfolger mehr im Mittelklasse-Van-Segment angeboten werden, erwähnten wir bereits. Wer es sich leicht macht, findet die Schuld beim SUV. Tiguan, Kuga und Co. sind so handlich und praktisch, dass Neuwagenkäufer mit Nachwuchs gern modebewusst kaufen. Und dabei außer Acht lassen, dass die einstige Van-Riege eben vieles noch ein Quäntchen besser konnte – freilich mit einer Optik, die eher nach Mehrzweckhalle aussieht, als nach Abenteuerlust. Und so verschwanden Voyager, Galaxy, Carnival oder auch der kompaktere, aber extrem geräumige Opel Zafira auf Pkw-Basis vom europäischen Markt.
Auch für den "Shalhambra" war 2022 nach äußerst mauen Verkaufszahlen Schluss. Noch über ein Jahr lang waren Bestandsneuwagen erhältlich, die sich auf den Händlerhöfen die Reifen platt standen. Wer sich trotzdem für ein Exemplar entschied, wird gute Gründe dafür gehabt haben – und die lassen sich auf Anhieb messen. In bis zu 2.430 Litern Ladevolumen nämlich. Wer fünf von sieben Sitzen aufstellt, packt beeindruckende 809 Liter und in (optional) voller Bestuhlung immerhin noch 267 Liter ein. Noch geräumiger sind Exemplare, die auf die flächig versenkbare dritte Sitzreihe komplett verzichten. Mehr packt auch heute keiner, der nicht auf irgendeine Weise Nutzfahrzeug-Gene trägt. Trotzdem bieten Sharan und Alhambra zwei große seitliche Schiebetüren. Je nach Ausstattung arbeiten diese sogar elektrisch. Das ist ein nobler Touch, aber zumindest für erwachsene Bediener kein Muss.
2. Der Pkw-Vorteil
Wir lernen also: Mehr gibt kein Pkw her. Im Hyundai Staria oder Opel Zafira Life lässt es sich ganz prima in den Familienurlaub starten. Doch übersteigen diese bereits in einzelnen Fällen das Höhen- und Längenlimit von Tiefgaragen. Folgerichtig sitzt man fahrerisch und im Verbrauch zwangsläufig eine Etage höher. Für die schnelle Fahrt in die Innenstadt oder zum Supermarkt ist das nicht immer ideal, genauso wenig wie für zügige Autobahn-Etappen. Unser Oldschool-Van fährt dagegen nicht weniger handlich als Golf oder Passat. Kunststück, denn mit Letzterem (Generation 6 & 7) teilt er sich eine Plattform. Sitzposition und Bedienelemente erfordern ebenfalls keine Ehrfurcht, speziell für Fahrer, die sich in einem zu großen Wagen unwohl fühlen würden. Wer heute Probe fährt, schwelgt in der bedienerischen Klarheit, die einst das gesamte VW-Portfolio zierte. Ganz ähnlich ist es um die Annehmlichkeiten bestellt, die bei Pkws meist üppiger ausfallen als im Transporter. Das Cockpit ist wertig verarbeitet, verzichtet auf zu viel Hartplastik und lässt sich mit entsprechender Ausstattung außerdem richtig nobel gestalten. Die Geräuschdämmung ist viel besser als in vielen aktuellen Großraum-Vans und das Niveau der Fahrassistenz liegt zumindest nach zeitgenössischen Maßstäben angenehm hoch. Und das Beste zum Schluss: Sharan und Alhambra sind richtig sparsam. Weil sie eine zu große Stirnfläche und ein hohes Leergewicht vermeiden, sind mit den Diesel-Versionen problemlos Verbräuche um sechs Liter auf 100 Kilometer möglich. Auch das ist bis heute unerreicht.
3. Preise und Wertstabilität
Oftmals werden Automodelle ab dem Moment, an dem sie eingestellt werden, schmerzlich vermisst, obwohl sie zuvor als unbeliebt galten – mit Auswirkungen auf den Preis. Das gilt ebenso im Fall von Sharan und Alhambra. Gute Exemplare mit teils noch fünfstelligen Laufleistungen finden sich ab rund 15.000 Euro und selbst nobel ausgestattete Feinschmecker-Versionen im jungen Alter sind für unter 20.000 Euro zu haben. Das ist angesichts des gebotenen Nutzwertes ein ausgesprochen günstiger Preis. Dennoch ist beispielsweise ein Tiguan, der als beliebtes Familienauto signifikant für den Einbruch der Van-Verkaufszahlen verantwortlich war, im gleichen Alter und mit identischen Ausstattungen meist um rund 30 Prozent günstiger zu haben – und das trotz seiner großen Beliebtheit. Hinzu kommt ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Wo die Online-Suche nach frischen Sharan unter 125.000 Kilometern knapp 600 Ergebnisse ausspuckt, bringt es die gleiche Suche für Tiguans auf über 12.000 Exemplare! Das sind überdeutliche Indizien dafür, dass der Sharan als Gebrauchtwagen äußerst wertstabil ist. Das liegt in der Natur der Sache: Unabhängig von der Alters- oder Preiskategorie wird sich immer eine Familie finden, die auf seinen hohen Nutzwert angewiesen ist. Und wer ihn als reines Nutzfahrzeug auf Zeit verwenden möchte, darf sich sicher sein, dass bei pfleglicher Behandlung kein allzu großer Wertverlust entsteht.
4. Mit Vorsicht fährt man besser
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und den teilen sich so gut wie alle Altersgenossen von Sharan und Alhambra, die aus dem VW-Konzern stammen. Während gerade die Dieselmotoren über alle Baujahre als ausgesprochen haltbar gelten, besitzen die bis Juli 2015 gebauten Sharans (Alhambra bis Mai 2015) des Benziner-Typs 1.4 TSI den zu Recht verteufelten EA111 in seiner finalen Ausbaustufe. Mit horrenden Steuerkettenproblemen und einer unnötig komplexen Aufladung durch Turbolader und Kompressor zugleich sorgt er nach einigen Jahren so gut wie immer für teure Werkstattbesuche bis hin zum kapitalen Motorschaden. Die Nachfolgegeneration (mit EA211-Motor) heißt ebenfalls 1.4 TSI und liefert mit 150 PS die gleiche Leistung, funktioniert aber mit Zahnriemen und herkömmlicher Turboaufladung fast immer problemlos. In den letzten zwei Baujahren war er die einzig verbleibende Antriebsoption.
Ein wenig Aufmerksamkeit sollten Automatikfreunde an die Doppelkupplungsgetriebe richten, die für fast alle Versionen als Option wählbar waren. Sechs Gänge sind hier Standard, bis auf die starken Allrad-Diesel ab einschließlich 177 PS; hier gab es sieben Gänge. Speziell bei ganz frühen Exemplaren kann es in Einzelfällen noch immer zu Lagerschäden kommen, die sich beim Dahinrollen in einer der zwei Gangwellen (also Gänge 1-3-5 bzw. 2-4-6) durch leise Heul- und Mahlgeräusche bemerkbar machen können. Spätestens ab 2015 gelten diese Probleme jedoch als beseitigt. Weil das DSG dennoch einem bauartbedingten Kupplungsverschleiß ausgesetzt ist, empfiehlt sich nach spätestens 60.000 Kilometern ein Getriebeölwechsel mit Spülung. Und noch ein wichtiger Wechsel wurde 2015 vollzogen: Dieselmotoren erfüllen seitdem die Euro-6-Norm.
5. Die Sache mit der Qualität
In knapp zwölf Jahren Bauzeit und unzähligen Tests gab es immer mal Anlässe zur Kritik, aber auch zur Nachbesserung im Detail. Dass die in Portugal gebauten Geschwister Sharan und Alhambra nicht bis in den letzten Winkel makellos ausfallen, zeigen Gebrauchtberatungen ebenso wie die Stimmen ihrer Eigner in Internet-Foren. Es gibt in Einzelfällen Rostansätze an Türkanten, der Heckklappe oder den vorderen Aufpralldämpfern hinter dem Stoßfänger. Die Elektroverbindungen der Schiebetüren können streiken und die Prüforganisationen monieren bei der HU gern den Zustand von Bremsen und Achsteilen. Diese Mängelliste findet sich so ähnlich bei vielen anderen Pkw, sodass man durchaus infrage stellen darf, ob ein qualitativ schlechter Ruf am VW-Van überhaupt gerechtfertigt ist. Der ebenfalls lang gebaute Vorgänger gilt als liederlich verarbeitet. Trotzdem ist er noch heute nicht von den Fernstrecken wegzudenken, für gewöhnlich voll beladen und mit biblischen Kilometerständen auf dem Zähler.
Wer einen sorgenfreien Sharan will, kann viele mögliche Probleme umgehen, indem er beim Kauf einfach sorgfältig nach Rost sucht beziehungsweise sein bislang rostfreies Exemplar ein wenig versiegelt. Dass Fahrwerk und Bremsen bei schweren Autos einem stärkeren Verschleiß unterliegen, sollte klar sein – doch die Ersatzteile kosten kein Vermögen. Wer dann noch die angesprochenen frühen TSI-Benziner meidet und idealerweise noch auf ein Schaltgetriebe setzt, kann nicht viel falsch machen. Wer dennoch zögert, erfreut sich vielleicht schlussendlich noch an zwei vielversprechenden Zahlen. VW gibt für den Sharan eine Durchrostungsgarantie über zwölf Jahre. Und wer gern schwere Ladungen an den Haken nimmt, zieht je nach Motorisierung bis zu 2,3 Tonnen vom Fleck. Da fängt es schon wieder an, das Nutzfahrzeug-Territorium – und das im feinen Pkw-Format.