Briten gehen Emily an die Wäsche

Rolls-Royce steht kurz vor der Einführung des ersten Elektromodells Spectre. Die neue Ära begeht die Nobelmarke auch mit einer neuen Kühlerfigur.
Seit 111 Jahren ziert die Kühlerfigur Spirit of Ecstasy die Hauben der noblen Rolls-Royce-Modelle. Im Laufe der Jahre hat die vom Volksmund "Emily" getaufte Figur schon einige Designänderungen erfahren, nun steht die nächste an. Und die vollzieht Rolls-Royce im Sinne einer gesteigerten Aerodynamik. Kein Wunder: Das nächste Mercedes EQS – mit 0,20.
Ein Schritt nach vorne
Die neue Emily duckt sich im Dienste der Aerodynamik tiefer in den Wind und misst in der Höhe nur noch 82,73 Millimeter statt der bisherigen 100,01 Millimeter. Ihr wehendes Gewand, oft fälschlich als Flügel bezeichnet, wurde dezent nachmodelliert. Deutlicher fällt die Änderung der Körperhaltung auf. Bisher stand die Figur mit beiden Füßen nebeneinander, die Knie leicht gebeugt. Künftig macht sie einen Schritt nach vorn und wirkt damit eher, als wäre sie in Bewegung. Laut Hersteller wurde auch der Gesichtsausdruck überarbeitet, anhand der Fotos lässt sich das allerdings nur schwer ausmachen. Das müssen wir jetzt einfach mal glauben. Übrigens: In ihrer ursprünglichen Form reckte sich die Kühlerfigur stattliche 17,5 Zentimeter in die Höhe.
Apropos Ursprung: Über die Entstehungsgeschichte der Spirit of Ecstasy ranken sich unzählige Geschichten. Was alle eint, ist "Emily"-Initiator John Walter Edward Douglas-Scott-Montagu, Zweiter Baron Montagu von Beaulieu. Der Auto-Fan und Gründer des Magazins "The Car Illustrated" wollte seinen Rolls-Royce Silver Ghost im Jahr 1909 mit einer Bronze-Figur auf der Haube veredeln und erteilte dem Künstler Charles Robinson Sykes den Auftrag, eine solche anzufertigen. Die beiden kannten sich gut, schließlich arbeitete Sykes auch als Illustrator für Montagus Magazin. Dass eine junge Frau im wallenden Gewand als Vorlage dienen sollte, was der seinerzeit sehr populären Ästhetik des Jugendstils zu verdanken. Eleanor Velasco Thronton soll für die Figur Modell gestanden haben. Die Tänzerin und Schauspielerin war außerdem als Sekretärin für Baron Montagu und als Muse für Sykes tätig. Andere Quellen berichten, dass sie die Geliebte des Barons gewesen sei, und er seiner Zuneigung in Form der prominenten Kühlerfigur Ausdruck verleihen wollte.
Henry Royce verachtet die Emily
Fakt ist jedenfalls: Die Spirit of Ecstasy, deren originärer Name Whisper lautete, kam überall gut an. Schon bald traten weitere Rolls-Royce-Fahrer an die Künstler ihrer Wahl heran, um sich ebenfalls Kühlerfiguren anfertigen zu lassen. Eine Entwicklung, die der Hersteller selbst in all ihrer Wildwüchsigkeit so gar nicht begrüßte. Besonders Henry Royce soll sich darüber echauffiert haben und wollte die Anbauteile gänzlich verbannt wissen. Wohl auch, weil eine lasterhafte Liebes-Affäre die Initialzündung dieses Anbauteils gewesen ist. Sein Geschäftspartner Charles Stewart Rolls und der Geschäftsführer der Firma, Claude Johnson, überzeugten Royce jedoch schließlich vom identitätsstifenden Potenzial der Kühlerfigur und so erteilte man 1910 Sykes den offiziellen Auftrag, ein Design für alle Rolls-Royce-Fahrzeuge zu kreieren. Nur so nebenbei: Einige Jahre zuvor arbeitete Eleanor Thornton bereits als Sekretärin für Claude Johnson, als dieser noch beim britischen Automobilclub tätig war.
1911 registrierte die Firma Rolls-Royce das Maskottchen als geistiges Eigentum und bis heute ziert die Figur die noblen Fahrzeuge des britischen Herstellers. Ohne, dass Charles Rolls das jemals mitbekommen hätte, denn er starb 1910 bei einem Flugzeug-Unfall und Royce verachtete derlei Figuren auch weiterhin. So ist es am Ende wohl Baron Montagu, Charles Sykes, Claude Johnson und nicht zuletzt Eleanor Thornton zu verdanken, dass die Spirit of Ecstasy auch auf der Haube des ersten Elektroautos der Marke prangen wird. Wie der erste Prototyp des Sepctre aussieht, können Sie sich in unserer Fotoshow oben im Artikel ansehen.