Droht ein Fahrverbot für 1.700 Diesel-Volvos
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat am 30. Juni 2025 einen verpflichtenden Rückruf für den Volvo XC60 2.0 D der Abgasnorm Euro 5 verfügt – es droht sogar ein Fahrverbot.
Betroffen sind 1.700 Fahrzeuge, die zwischen März 2011 und April 2013 erstmals zugelassen wurden und von dem 125 kW starken 2,0-Liter-Diesel nach Euro 5 angetrieben werden. Die Behörde beanstandet eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung (EGR), die außerhalb eines schmalen Fensters von 15 bis 30 Grad Celsius nahezu deaktiviert wird.
Volvo erhält vom KBA die Halterdaten und muss nun innerhalb von zwei Monaten sämtliche Besitzer anschreiben und anschließend binnen 16 Monaten eine wirksame technische Abhilfemaßnahme vorlegen. Für den aktuellen Rückruf gilt die sofortige Vollziehung; die Fahrzeugzulassung bleibt jedoch bis auf Weiteres bestehen.
Der Vorwurf
Im Bescheid heißt es wörtlich: "Bei den Fahrzeugen erfolgt eine Reduzierung der Abgasrückführung in Abhängigkeit von der Außentemperatur, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems hinsichtlich der Stickoxide verringert wird". Die Prüfer stellen fest, dass der Temperaturbereich so appliziert wurde, "dass die Reduzierung den überwiegenden Teil des Jahres erfolgt".
Eine solche Funktionsweise gilt als unzulässige Abschalteinrichtung, weil sie den Schadstoffausstoß jenseits des Prüfstands in erheblichem Maß ansteigen lässt. Thermofenster waren schon beim VW-Skandal ein zentrales Element; seither hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ihre Nutzung stark eingeschränkt.
Die rechtliche Grundlage
Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 untersagt Abschalteinrichtungen grundsätzlich. Eine Ausnahme greift nur, wenn die Maßnahme zwingend dem Motorschutz oder der Verkehrssicherheit dient und nicht länger als für den Startvorgang nötig aktiv ist. Nach Bewertung des KBA erfüllt Volvo diese Bedingungen nicht. Wenngleich die Homologation 2013 im EU-Land Spanien erfolgte und ursprünglich vom KBA nicht beanstandet wurde.
Der EuGH hat in mehreren Urteilen klargemacht, dass die Vorschrift eng auszulegen ist: Temperaturabhängige Strategien sind nur dann zulässig, wenn sie gezielt eine unmittelbare Beschädigung des Motors verhindern – das reine Einhalten von Komfort- oder Wirtschaftlichkeitszielen genügt nicht.
Die Reaktion von Volvo
"Wir sind uns bewusst, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Deutschland einen Rückruf für bestimmte ältere Volvo XC60 -Modelle angeordnet hat. Zum Schutz unserer Kunden und anderer Verkehrsteilnehmer legen wir gegen diesen Rückruf Widerspruch ein. Solange das Verfahren läuft, müssen Kundinnen und Kunden in Deutschland nichts unternehmen", so Volvo in einem offiziellen Statement gegen auto-motor-und-sport.de.
Man widerspreche den Ergebnissen der routinemäßigen Emissionstests des KBA bei bestimmten älteren Motorvarianten. Aus Volvo-Sicht wurde dabei rückwirkend eine neue Auslegung der Rechtslage auf ältere Fahrzeuge angewendet. Tatsächlich habe das KBA die nun beanstandete Technologie noch im Jahr 2017 selbst genehmigt., heißt es weiter.
"Alle Volvo-Fahrzeuge wurden gemäß den geltenden gesetzlichen und behördlichen Vorschriften zertifiziert und zugelassen. Die von uns eingesetzte Technologie zur Emissionskontrolle entspricht dem Branchenstandard und ist den Behörden seit Langem bekannt", so ein Volvo-Sprecher abschließend.
Die juristische Einschätzung
Der auf Abgasverfahren spezialisierte Rechtsanwalt Markus Klamert sieht weitreichende Folgen: "Diese Fahrzeuge hätten niemals eine Typgenehmigung erhalten dürfen. Sie sind illegal. Punkt", sagt er gegenüber dem Focus. Er erwartet, dass bei einer Bestätigung des Vorwurfs flächendeckende Stilllegungen drohen und Volvo für Rückabwicklungen in Milliardenhöhe haftet.
Auch Verbraucheranwalt Marco Rogert warnt dort vor einer neuen Klagewelle: Softwarebasierte Abschaltungen seien den Gerichten seit dem VW-Skandal bestens bekannt; die Rechtsprechung falle zunehmend verbraucherfreundlich aus. Halter hätten gute Chancen auf Rückerstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung.