Doppeltest VW Caravelle 2.5 TDI gegen VW Sharan 1.9 TDI

Obwohl sich VW rühmen kann, mit dem Transporter vor über 40 Jahren den Urvater aller Vans erfunden zu haben, gibt es nun eine ähnlich geräumige, aber modischere Alternative aus dem gleichen Haus?
Erst transportierte der VW Typ 2 Schutt und Trümmer, dann Dux Kaffeemittel oder Schweizers echte Bühler Stumpen, später sogar Weltanschauungen. Der Bulli, wie schon die erste Großraum-Limousine auf Käfer-Basis in den fünfziger Jahren liebevoll genannt wurde, war von Anbeginn nicht nur Lastesel und Arbeitspferd, sondern auch Freizeit- und Fluchtmobil. Mit seiner nüchternen Zweckform diente er als Visitenkarte für Aussteiger und Weltenbummler, und auf dem Weg nach Katmandu und Nepal herrschte zeitweise ein Verkehr wie auf dem Parkplatz einer VW-Vertretung.
Die vierte Generation des Transporters, seit 1990 auf dem Markt und intern als T4 geführt, hat mit der klassischen Heck.otor-Bauweise endgültig die technische Verwandtschaft zu den Personenwagen abgelegt. Sie ist geräumiger, komfortabler und vielseitiger als ihre Vorgänger, aber hinsichtlich Sitzposition und Design eher Nutzfahrzeug denn Pkw. In der Gunst lifestyleorientierter Familien und Hobbytreibender liegen jedenfalls die sogenannten Minivans vorn, die unterdessen fast alle europäischen Hersteller anbieten. Für rund 100 000 Käufer allein in Deutschland waren diese Autos 1995 die passende Antwort auf ihre Transport- und Mobilitätsbedürfnisse – Grund genug für VW, die Lücke zwischen Passat Variant und Caravelle mit einem zusätzlichen Modell zu schließen.
Seit einem Jahr entsteht deshalb im portugiesischen Ford/VW-Gemeinschaftswerk der Sharan, der vorgibt, das Beste beider Konzepte miteinander zu verbinden: von Personenwagen die Handlichkeit, der limousinenhafte Komfort und die Fahreigenschaften, von Transportern das großzügige Raumangebot und die vielfältigen Variationsmöglichkeiten. Schon auf den ersten Blick trennen die beiden Vans aus dem gleichen Haus nicht nur Zentimeter, sondern Welten. Während der Sharan geduckt und rundlich durch den Wind streicht, bleibt der hochaufragende Caravelle auch nach der jüngsten Überarbeitung seinem niedersächsischen Transporter- Charme treu.
Ein schlichter Kasten eben mit dem Aroma der reinen Nützlichkeit, die ihn zur Beförderung von Hotelgästen und Flugpassagieren so attraktiv erscheinen läßt. Aber zweifellos ist er praktisch, was sich bereits beim Einstieg zeigt. Dank seiner Scheitelhöhe von 1,94 Meter betritt man den Innenraum erhobenen Hauptes, vorne durch konventionelle Türen mit beleuchteter Trittstufe, hinten durch eine platzsparende, leichtgängige Schiebetür auf der Beifahrerseite.
Mit ihrer lichten Öffnung von 1,38 x 1,03 Meter sind neben den zwei mittleren auch die drei hinteren Plätze bequem zu erreichen. Selbst bei achtsitziger Bestuhlung fehlt es weder an Höhe und Breite noch an Ladekapazität, denn im Heck verbleibt jeweils ein Kofferraum von 540 Liter Volumen. Rückbank läßt er sich nochmals deutlich erweitern, während die umgelegte Lehne der mittleren Reihe als Tisch dient. Zudem verfügen die einzeln ausgeformten Sitze in der getesteten GL-Version sowohl über Kopfstützen als auch über verstellbare Armlehnen, doch die Wohnlichkeit eines komfortablen Reisewagens will im Innenraum nicht aufkommen.
Vor allem der Fahrer hockt hoch und aufrecht hinter einem großen, ziemlich flach angeordneten Lenkrad. Und das macht in Verbindung mit dem funktionalen, kantigen Armaturenbrett immer klar, daß man hier einen Bus steuert und keine Limousine. Gemütlicher, keine Frage, ist es im Sharan. Er bemüht sich um ein gefälliges Interieur und eine Sitzposition, die eher dem üblichen Personenwagen- Standard entspricht. Diesen Vorteil verspielt er allerdings durch seine kühn vorspringende, stark geneigte Frontpartie, die die Übersichtlichkeit erschwert und die Aufheizung begünstigt.
Auch die Stummel am Lenkrad für Scheibenwischer und Blinker – Tribut an Partner Ford – wirken gegenüber den Hebeln im Caravelle weniger überzeugend. Das gilt erst recht für das Raumkonzept. Auf den drei mittleren Einzelsesseln sitzt man bequem, aber nicht besser als in einem Passat und schon gar nicht so gut wie im T4. Bei Ellenbogenfreiheit und Knieraum fehlen dem Sharan je zehn Zentimeter, und auch der Himmel ist acht Zentimeter näher. Soll der serienmäßige Fünfsitzer Platz für zwei weitere Personen (920 Mark) machen, wird es doppelt eng: für die Hinterbänkler wie für das Gepäck. Gerade 256 Liter passen dann noch ins Heck.
Pluspunkte sammelt er hingegen bei Variabilität und Ausstattung. Seine Einzelsessel sind schwer, lassen sich aber mit wenigen Handgriffen versetzen, zu Tischen verwandeln oder ganz entfernen. Ab GL Ausstattung hat der Sharan zusätzlich Drehsitze vorn, Klimaanlage und ABS an Bord, was im bereits 8000 Mark teureren Caravelle nochmals mit 5000 Mark zu Buche schlägt.
Der wiederum profitiert von Verbesserungen bei Karosserie.teifigkeit und Geräuschdämmung, die erforderlich waren, um den kraftvollen und sparsamen Direkteinspritzer- Turbodiesel von Audi einbauen zu können. Im T4 arbeitet der 2,5 Liter-Fünfzylinder zwar mit anderer Einspritzung, kleinerem Lader und geringerer Leistung (102 PS), spricht aber im unteren Bereich spontaner an. Das Ergebnis ist überzeugend: Sein stämmiges Drehmoment von 250 Nm bei 1900/min bringt selbst den vollbeladenen Zweieinhalbtonner auf Trab. Bis in den Bereich der Höchstgeschwindigkeit distanziert er den zwölf PS schwächeren, aber 161 kg leichteren Sharan nicht nur auf dem Papier. Denn während der 1,9 Liter- Vierzylinder-TDI in dem kleineren Van zäh und unwillig wirkt, marschiert der Caravelle fast ohne Anfahrschwäche über das gesamte Drehzahlspektrum munter drauflos. Unterstützt wird er dabei von einem neuen, gut abgestuften Fünfganggetriebe, das sich leichter und präziser bedienen läßt als die Schaltbox im Sharan.
Freundlicherweise zeigt der stärkere TDI dort, wo er den besten Durchzug hat, auch seine größte Laufkultur. Um 2500/ min fühlen sich Motor und Fahrer besonders wohl, wo der Sharan gerade unter Dröhnen und Vibrieren den ersten Hauch von Temperament entwickelt. Daß er aber trotzdem etwas leiser ist, liegt in erster Linie an den stärkeren Windgeräuschen und Resonanzen der Caravelle- Karosserie. Aufgewogen wird dieser Komfortmangel bei weitem von seiner Federung, die geschmeidiger anspricht und kurze Bodenwellen angenehmer glattbügelt. Im Sharan deuten spürbare Vertikalbewegungen der Karosserie darauf hin, daß der Wagen etwas unterdämpft ist.
Bei voller Zuladung (590 kg) schlägt die Federung bisweilen sogar auf die Blöcke. Dann zeigt er auch leichte Lastwechselreaktionen in Kurven und verliert etwas von seinem ansonsten guten Geradeauslauf. All das ändert nichts daran, daß die personenwagenähnlichen Fahreigenschaften sein größter Vorzug sind. Dank kleinerem Wendekreis (11,2 statt 12,4 Meter) und einer gefühlvollen, direkteren Lenkung läßt er sich handlicher manövrieren, und sein Kurvenverhalten gibt noch größere Sicherheitsreserven zu erkennen. Das gilt auch für die Bremsen, die nachhaltiger verzögern und das bessere Pedalgefühl vermitteln. Bei dem getriebenen Aufwand an Ideen und Material können die beiden Vans kein billiges Vergnügen sein.
Ihr Verbrauch hält sich mit 8,2 (Sharan) und 9,6 Liter Diesel/ 100 km (Caravelle) noch in maßvollen Grenzen, doch mit Preisen ab 48 500 Mark überfordern sie wohl das Budget der meisten Aussteiger und Jungfamilien. Mit seinem guten Komfort und Raumangebot kommt ihnen der T4 zwar weiter entgegen, aber finanziell entfernt er sich um so mehr. Die wahre Alternative zu herkömmlichen Kombis heißt deshalb Sharan, auch wenn der wünschenswerte TDI-Motor mit 110 PS noch einige