Einmal im Jahr begeben wir uns auf die Suche nach der Perle der Fahrdynamik – dem Handling. Zwölf Teilnehmer wurden in diesem Jahr ernannt – alle so, dass sie nicht in einer direkten Konkurrenzsituation zueinander stehen.
Und alle, weil sie ihr Handlingtalent entweder schon unter Beweis gestellt haben oder über Qualitäten verfügen, die auf ein gewisses Handlingtalent schließen lassen.
Das Gerüst der Geschichte ist prinzipiell dasselbe wie beim letzten Mal. Ein Vergleichstest quer durchs Beet, der aber nicht alle Facetten der Autos einbezieht, sondern die alles entscheidende.
Wir haben die Messsektoren in Anneau du Rhin so angelegt, dass sich die Geradeaus-Passagen weitestgehend herausschneiden lassen, denn schließlich sind die für eine Handling-Analyse komplett irrelevant.
Heißt: Auch wenn es nicht so aussieht, wir haben uns was gedacht dabei. Es fehlte eigentlich nur noch das Wetter. Und das spielte am letzten Testtag dann auch mit.
Bis kurz vorm Grenzbereich wirkt der 208 wuselig, das letzte Stückchen jedoch ist die reinste Zitterpartie. Das ABS regelt tollpatschig, die Traktion ist fragil und das Handling dadurch eher eines der diffizileren.
Der Dreh und Angelpunkt des Focus RS ist sein Allradantrieb. Mit einer Kupplung pro Hinterrad verschiebt er die Kraft beim Einlenken Richtung Kurvenaußenseite.
In den winkligen Passagen fetzt das ordentlich. Mit der Lenkung reinrempeln, dann voll auf den Pin und quer rausziehen, bis der Außencurb anklopft. Ein Traum! Die weiten Bögen liegen dem Focus dagegen nicht so recht.
Mit dem M2 wird jede Kurve zum Kunstwerk. Freilich darfst du auch mit ihm nicht frei Schnauze durchs Eck schmieren, doch während ein Audi S5 die Ideallinie stets penibel nachzieht, pinselst du den M2 an ihr entlang.
Der gallige Turbomotor ist ein wesentlicher Bestandteil seiner kreativen Ader, die Fahrwerksverwandtschaft zum M4 der andere – und der entscheidende. Von ihm adaptiert er Vorder- und Hinterachse inklusive des Aktivdiffs, das sich wie ein Gelenk im Rückgrat anfühlt.
Normalerweise ist Handling bei einem sportlichen Auto nur der Weg zum Ziel, also das Werkzeug, mit dem sich die Dynamik herausarbeiten lässt. Bei manchen Kandidaten ist es andersrum. Sie wurden zum Spaß machen gebaut, Performance ist nur ein "Abfallprodukt".
Egal wie herrlich leicht der Mazda ist, wie gut balanciert, und wie wunderbar handlich er in Ecken baumelt, am Scheitelpunkt fehlt ihm einfach das Drehmoment, um sich wieder rauszuziehen.
Über Drehmomentmangel kann man sich beim Mercedes-AMG C 63 Coupé wahrlich nicht beklagen. V8-Biturbo, 3.982 cm3, 476 PS, 650 Nm, Hinterradantrieb, 1.793 kg, Gewichtsverteilung 54,7/45,3 %, 0–100 km/h 4,0 s, Vmax 250 km/h, 77.826 Euro
Wir haben uns bewusst für den "ordinären" C 63 AMG ohne "S" entschieden, da dieser mit einer klassischen Lamellensperre an der Hinterachse ausgestattet ist, statt dem E-Diff.
Und die arbeitet im Gegensatz zu ihrem ach so cleveren Pendant nicht nur völlig vorhersehbar, sondern auch derart akkurat, dass man den Driftwinkel übers Gaspedal praktisch gradgenau modulieren kann.
In engen Kehren zeigt der Alfa mit seiner extrem giftig abgestimmten Vorderachse und dem aktiven Differenzial, das aus der Hüfte mitarbeitet, seine dynamischen Qualitäten. In lang gezogenen Kehren wirkt er aber etwas zäh.
Der Audi hat reichlich Puffer zwischen Aktion und Reaktion. Die Kinematik ist softer, die Reifenflanken höher als bei den meisten Konkurrenten. Folge: Der ganze Kerl bewegt sich mehr.
Das mag das Fahrgefühl zwar aufweichen, aber es erleichtert dem Sportdifferenzial den Einstieg in die Choreografie. Endeffekt: Über die Runde holt der S5 drei Zehntel auf den Focus RS heraus, allesamt in kurvigen Sektoren – "kurvig" fett gedruckt.
Ganz in der Tradition dieses Tests, hatten wir auch einen SUV dabei. Range Rover Sport SVR: V8-Kompressor, 4.999 cm3, 550 PS, 680 Nm, Allradantrieb, 2.398 kg, Gewichtsverteilung 52,6/47,4 %, 0–100 km/h 4,7 s, Vmax 260 km/h, 129.600 Euro.
Trotz diverser Fahrdynamik-Maßnahmen eignet er sich eher dazu, eine Schneise in die Botanik zu treiben, als auf einem Asphaltband möglichst flott um sie herumzufahren. Das gilt für SUV im Allgemeinen und für ihn hier ganz speziell.
Beim Bremsen macht er fast einen Kopfstand, was binnen zwei, drei Runden die Bremse zermalmt, beim Rausbeschleunigen tritt ihm der Fünfliter-Kompressor dann derart in die Nieren, dass er entweder vorn den Huf hochhebt oder das Ladeabteil fliegen lässt.
Und dann gibt es Typen, wie den Porsche Panamera 4S, denen die Physik egal zu sein scheint. V6-Biturbo, 2.894 cm3, 440 PS, 550 Nm, Allradantrieb, 1.944 kg, Gewichtsverteilung 52,9/47,1 %, 0–100 km/h 4,4 s, Vmax 289 km/h, 113.027 Euro
Er ist ein Profikiller. Fehlerlos, abgebrüht, eiskalt und ausschließlich. Seine Waffen: ein ganzes Arsenal an Fahrdynamikspielzeug. Sein Opfer: die Physik, die ihn in jeder Kurve aufs Neue zu stellen versucht und jedes mal kläglich scheitert.
Dass er hier nicht in der Spitzengruppe mitturnt, hat einzig und allein mit seinem Motor zu tun. Der 2,9-Liter-Biturbo langt zwar durchaus kräftig zu, ist mit den fahrdynamischen Möglichkeiten des ganzen Drumherums aber völlig überfordert.
Der Jaguar hat sich seine exponierte Stellung hier keineswegs ergaunert, sondern geschickt erkämpft. Und wenn man sich nur mal kurz zurückerinnert, wie weit die F-Type bislang hinter der Sportwagenspitze hergurkten...
... setzt der SVR mit seiner Performance hier schon ein größeres Ausrufezeichen.Acht Zehntel verliert er über die Runden auf den Lamborghini, lediglich die Hälfte davon in Kurven
Der 911 mag ein komplexes Gebinde diverser Fahrdynamik-Systeme sein, bloß korrespondiert deren binäre Codestruktur offenbar eins zu eins mit der Fahrer-DNA. Virtuelle Realität? Nein, reale Virtualität!
Die querdynamische Brillanz des 911 zeigt sich vor allem in Sektor fünf, der nur aus einer einzigen Kurve besteht. Allein drei Zehntel knöpft er dem Lambo hier ab, viereinhalb gar dem F-Type SVR, der sich damit auch aus dem Kampf um die Spitze verabschieden muss.
Sind die Reifen warm gerieben, ist der Grip im Huracán fast unerschütterlich, die Präzision märchenhaft und die Traktion bestechend. Das einzige Problem: So hundertprozentig trauen willst du dem Frieden aus irgendwelchen dubiosen Gründen nicht.
Trotz der leichten Vorderachse keilt sich der Lambo unbarmherzig ins Eck, rüsselt innen am Curb entlang und huscht dann ins Nasse. Das leichte Wassergezischel der Reifen scheucht kurz das Kleinhirn auf.
Im Lambo fehlt einem in manchen Ecken das letzte Quäntchen Zuversicht, dieses Unterbewusstsein, das dir sagt: "Kannst stehen lassen, Kumpel, das geht sich aus." – Im Grunde fehlt demnach genau das, was einem so ein Porsche schon beim Einsteigen einimpft: Vertrauen.
Wie kriegt man etwas bewertet, das sich nicht in Werte fassen lässt? Einzige Möglichkeit: das Ausschlussprinzip. Enttäuscht hat uns keiner der Kandidaten. Eher überrascht - und das gilt vor allem für den S5, den Jaguar und den Lamborghini.
Racing mit Charme: Die Rennstrecke Anneau du Rhin liegt im Dreiländereck. Offiziell stehen vier Kurslayouts zur Wahl – das längste misst vier, das kürzeste gut einen Kilometer. Die von uns genutzte Variante ist speziell auf das Thema Handling zugeschnitten.
Die roten Zahlen markieren die Bestwerte in den jeweiligen Sektoren und den Rundenzeiten. Die Gesamtzeit der Geraden (Tabelle unten rechts) errechnet sich aus der Summe der Sektoren II, IV und VI, die Gesamtzeit der Kurven aus den Sektoren I, III, V und VII.
Oben: Zwei Extreme in einer Grafik, und der Peugeot mittendrin. Der Range Rover hebt sich auf den Geraden ab, der Mazda im Kurvenverlauf. Unten: Auf Geraden geben sich Audi und Ford nicht viel, Alfa übertrumpft beide.
Oben: Querdynamisch hat der kleinste M-BMW den C 63 im Griff – wenn auch nur knapp. Unten: Auf den Geraden ist die Leistung des hinterradgetriebenen Lamborghini Huracán keine Überraschung, in Kurven schon.