Toyota Camry 2.2 im Test

Der Toyota Camry ist eine unbekannte, aber dennoch interessante Alternative zu BMW Fünfer und Mercedes E-Klasse.
Obwohl schon die vierte Camry-Generation bei den Händlern steht, ist der noble Toyota hierzulande ein weitgehend unbekanntes Auto. Denn das rund 350 000 Einheiten starke Marktsegment der Oberklasselimousinen wird von den heimischen Größen Mercedes- E-Klasse und Fünfer- BMW beherrscht. Von diesem Kuchen will sich Toyota ein etwas breiteres Stückchen als bisher abschneiden. 1997 sollen in Deutschland 3500 Camry verkauft werden, bisher wurden jährlich gerade mal 1400 zugelassen. Ein Stolperstein auf dem Weg zu mehr Marktanteilen ist das reduzierte Modellangebot, mit dem der aktuelle Camry an den Start geht. Es gibt ihn nur noch mit Stufenheck, ein Kombi – bislang immerhin rund 40 Prozent- Anteil am Camry-Verkauf – ist nicht mehr lieferbar. Dennoch spricht einiges für den Erfolg des neuen Flaggschiffes der Toyota.Flotte, das in der Basisversion als Camry 2.2 mit 131?PS und Fünfganggetriebe für 44 900 Mark zu haben ist. Dabei gehören unter anderem Fahrer- und Beifahrer- Airbag, ABS, Servolenkung und Klimaanlage zur Serienausstattung. Produziert wird der Camry in den USA, und dort legt man Wert auf ein geräumiges Auto. Dem Wunsch nach Platz haben die Designer entsprochen, und so sitzt man im Oberklasse- Toyota auch als großgewachsener Nordeuropäer sehr kommod.
Die Beinfreiheit ist selbst dann noch reichlich, wenn vorn und hinten Personen über 1,90 Meter Platz genommen haben. Bei der Kopffreiheit wird es dagegen etwas knapp, wenn man das 1460 Mark teure Glasschiebedach ordert. Zum komfortablen Reisen gehört aber nicht nur ein gutes Raumangebot, sondern auch ein niedriges Geräuschniveau. Das bietet der Camry ebenfalls. Nur oberhalb von 150?km/h wird er laut. Im Bereich der A-Säule nerven Windgeräusche mit kräftigem Fauchen die Insassen. Der Motor verhält sich dagegen über das ganze Drehzahlband vorbildlich leise. Solch ein kultivierter Vierzylinder ist in ganz Europa nicht zu finden. Dank der hervorragenden Wirkung zweier Ausgleichswellen beeindruckt der 2,2 Liter- Vierventiler mit der Laufru he eines Reihensechszylinders.
Zusätzlich wird der Schallpegel im Auspuff mit einem Ventil gedämpft, das drehzahlabhängig die Länge des Abgasweges regelt. In erster Linie soll dieser technische Kniff aber das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen steigern. Tatsächlich schiebt der Motor den Camry so stark an, daß man ihm einen halben Liter Hubraum mehr zutraut. Auch beim Federungskomfort kann er überzeugen. Der Camry federt weich, aber nicht amerikanisch-schwammig. Lange Bodenwellen werden sehr sanft egalisiert, kurze Stöße weitgehend von Fahrer und Passagieren ferngehalten.
Etwas polterig geht es allerdings zu, wenn Kanaldeckel überrollt werden. Das Fahrverhalten ändert sich kaum, wenn man den Camry mit hoher Zuladung fährt. Auch grobe Unebenheiten lassen die Federn nicht durchschlagen. Schnell gefahrene Kurven auf schlechten Landstraßen sind hingegen nicht die Stärke des großen Toyota. Hier wird die Lenkung stößig, und auf kurzen Wellen beginnt die Vorderachse leicht zu stuckern. Immerhin läßt er sich dank der präzisen Servolenkung erstaunlich handlich bewegen. In puncto Fahreigenschaften wartet der Camry mit harmlosem Untersteuern auf, aber die Bremsen enttäuschen mit starkem Fading.
Der Bremsweg steigt von ordentlichen 43,3 Metern bei kalter Bremse auf nicht mehr akzeptable 67,7 Meter in warmem Zustand. Toyota will hier so schnell wie möglich nachbessern. Viele potentielle Käufer werden aber nicht die schwächlichen Bremsen abschrecken, sondern eher das unauffällige Äußere des Camry – sowie das fehlende Flair im Innenraum. Denn trotz Holzapplikationen und Lederlenkrads hat der Camry kaum mehr Charme als eine frisch geputzte Einbauküche.