Toyota Yaris

Mit dem ungewöhnlich gestylten Yaris will Toyota nicht nur den europäischen Kleinwagen-Markt erobern, sondern auch den Grundstock für eine Modellfamilie legen.
In Europa, so eine Toyota- Studie, sind rund 28 Prozent aller verkauften Autos Kleinwagen. Klar, daß der größte japanische Autohersteller da ein adäquates Stück vom Kuchen abbekommen will. Die Speerspitze der Europa- Offensive ist der neue Yaris, der nicht nur von europäischen Toyota-Ingenieuren und -Designern für Europa entwickelt wurde, sondern in zwei Jahren auch da gebaut wird: Nur die ersten Exemplare kommen aus Übersee, ab 2001 soll er im nordfranzösischen Valenciennes vom Band rollen. Die äußere Erscheinung des zwei- und viertürig lieferbaren Yaris läßt sich mit drei Begriffen charakterisieren: breit, hoch, kurz. Wäre er mit 3,62 Meter das letztere nicht, würde man ihm den Kleinwagen, der er sein will, kaum abnehmen.
Schließlich bietet er im Innenraum speziell auf der Rücksitzbank ein solches Maß an Platz, daß es für jeden anderen Kleinwagen buchstäblich eng wird. Die Fondpassagiere sitzen angenehm aufrecht, genießen genügend Kopf- und Beinfreiheit, und auch die unter den Vordersitzen verstauten Füße kommen nicht in Verklemmung. Vorne bescheren für Kleinwagen.erhältnisse üppig dimensionierte Einzelsitze eine ebenso kommode Sitzposition. Allerdings ist die Karosserie nach vorne vom Fahrersitz aus nicht einzusehen. An den Sitzen selbst gefällt die körpergerecht konturierte Lehne, während dem Sitzpolster eine etwas konkavere Ausformung guttäte. wenn man so will, der Gedanke des Micro-Vans noch konsequenter zu Ende gedacht als beim Vorreiter Renault Twingo, der innen eindeutig weniger Platz bietet. Wie beim kleinsten Renault ist auch beim Yaris die Rücksitzbank in Längsrichtung verschiebbar, und zwar gleich um 15 Zentimeter.
Damit ist der Yaris ein umschaltbares Auto: Er bietet entweder in der Stadt vier Erwachsenen mit Handgepäck (205 Liter Kofferraum) ordentlich Platz oder erlaubt zwei Personen dank 305 Liter Kofferraum auch eine längere Tour. Sind Kinder im Haus, lassen sich auch Zwischenstufen realisieren.
Befeuert wird der Yaris von einem neu konstruierten, 68 PS starken Einliter-Vierzylinder moderner Machart. Er verfügt nicht nur über Vierventiltechnik mit zwei obenliegenden Nockenwellen, sondern auch über stufenlos variable Steuerzeiten auf der Einlaßseite. Davon, daß dieses Aggregat äußerst leistungs- und drehmomentstark sei, wie Toyota propagiert, ist im Fahrbetrieb herzlich wenig zu spüren. Es herrscht im Gegenteil der Eindruck von mangelnder Durchzugskraft und zähem Hochdrehen vor, was von den Meßwerten untermauert wird: Statt wie versprochen in 13,6 Sekunden von null auf 100 km/h zu sprinten, läßt sich der Yaris für die Übung über 15 Sekunden Zeit.
Wenigstens läuft der kleine Motor nicht nur bei den für einigermaßen zügiges Fortkommen nötigen hohen Drehzahlen vibrationsarm, und auch die in dieser Wagenklasse häufig zu beobachtende Neigung der Karosserie zu störenden Dröhneffekten fehlt beim Yaris. Weniger gut gedämpft sind die Geräusche, die vom Fahrwerk kommen. Durchfahrene Pfützen machen sich ebenso hörbar bemerkbar wie Kanaldeckel und Schlaglöcher, die dem Fahrwerk ein trockenes Poltern entlocken. Das ist freilich nicht die einzige Art, in der sich Fahr- bahnunebenheiten bemerkbar machen. Vor allem bei kurzen Stößen spricht die Yaris- Federung schlecht an, während längere Bodenwellen besser pariert werden. Von Vorteil ist dabei die gute Dämpfung, die Karosseriebewegungen rasch zur Ruhe kommen läßt. Das tut auch dem Fahrverhalten gut, das von stabilem Untersteuern gekennzeichnet ist. Lediglich in Wechselkurven ist bei voller Beladung ein leichtes Drängen des Hecks nach außen spürbar, das sich jedoch problemlos korrigieren läßt.
Der Yaris darf auch als handliches Auto gelten, was aber mehr aus den niedrigen Betätigungskräften auch für die Lenkung resultiert.
Aus dem nur spärlich vorhandenen Fahrbahnkontakt, den die Lenkung vermittelt, kann er indes kein Kapital schlagen. In dieser Disziplin ist ihm beispielsweise ein Ford Ka spürbar überlegen. Nicht von schlechten Eltern sind dafür die Bremsen. Egal ob der Yaris leer oder beladen verzögert wird, ob die Bremse kalt oder nach zehn Vollbremsungen erhitzt ist, jeder einzelne Meßwert beginnt mit einer Neun vor dem Komma. Das ist für ein Auto dieses Zuschnitts ein überzeugendes Ergebnis – und das, obwohl dieser Yaris hinten nur mit Trommelbremsen ausgerüstet ist. Der ab Ende 1999 lieferbare Kompakt- Van Yaris Verso mit 1,3 Liter- Motor und 90 PS soll auch hinten Scheibenbremsen erhalten.
Also alles eitel Sonnenschein beim getesteten Modell Linea Sol? Keineswegs. Beim Yaris wurde auch an vielen Stellen sichtbar gespart. Die Qualität der im Innenraum verarbeiteten Materialien (Cockpit) macht einen billigen Eindruck, und die Matte im Kofferraum zeigt wie die Kartentaschen der Vordersitzlehnen die Konsistenz eines nassen Putzlappens. Viele Fahrer empfinden auch die zentral in einer dunklen Höhle angeordneten und bläulich schillernden 3D-Instrumente als Zumutung. Erstens liegen sie nicht gut im Blickfeld, und zweitens verursachen die dank einer eingebauten Optik scheinbar in weiter Ferne schwebenden Digitalanzeigen allerlei unangenehme Symptome, die von Augenschmerzen bis zu Schwindelgefühlen reichen. Selten wurde in einem Auto in so krasser Form die Funktionalität einem optischen Gag untergeordnet. Der billigste Yaris kostet als Zweitürer knapp 19 000 Mark.
Der viertürige Testwagen der Gattung Linea Sol, zusätzlich angereichert mit Klimaanlage (1980 Mark), Metallic-Lackierung (520 Mark) und Navigationsgerät (1980 Mark), brachte es auf 27 440 Mark. Das ist kein besonders günstiger Preis für einen Kleinwagen aus Japan. Doch der sehr niedrige Benzinverbrauch von 6,1 Liter auf 100 Kilometer und die Dreijahresgarantie dürften sicherstellen, daß wenigstens im Betrieb die Kosten im Rahmen bleiben.