Toyota Yaris Verso

Auf den Yaris folgt mit dem Verso ein so genannter Fun-Van, wie Toyota selbst seine jüngste, kastenförmige Kreation zwischen Micro- und Minivan typisiert.
Auf die Frage, wie viele Längenzentimeter man bei einem Automobil brauche, um vier Personen und ihr Reisegepäck unterzubringen, geben die Konstrukteure immer kürzere Antworten.
Längst benötigt man keine viereinhalb Meter mehr dazu, und immer öfter wird die Vier-Meter-Marke sogar deutlich unterschritten. Der neue Yaris Verso misst genau 3,89 Meter – 25 Zentimeter mehr als der Yaris, von dem er die Plattform und formal die Frontpartie übernommen hat. Doch das Längenmaß unter der Vier-Meter-Grenze ist nur die eine Seite.
Deutlicher wird die Distanz zu den Normalos in der Höhe. Knapp 1,70 Meter zeigt hier das Maßband. Das ergibt nicht nur viel Kopffreiheit auf den hinteren Rängen, sondern auch einen Einstieg, wie er müheloser nicht sein könnte. Es ist mehr ein seitliches Begehen der hohen Kanzel, die ein verblüffend üppiges Raumangebot vorn und hinten bereithält. Optisch ist das ausgezeichnete Raumgefühl durch große Transparenz und viel Licht gekennzeichnet. Ob man den Präsentierteller- Effekt schätzt, ist eine andere Frage. Die Übersichtlichkeit jedenfalls ist hervorragend, speziell nach hinten, wo ja normale Neuzeit- Limousinen fast unisono ihre Schwächen zeigen. Licht und Luft im Interieur, doch was das Auge nun genauer sieht, löst keine Begeisterung mehr aus. Wie schon beim kurzen Yaris dominiert eine öde Plastik-Landschaft, deren Materialien billig wirken und – wie im Falle des Testwagens beim Armaturenträger – links und rechts große Spaltmaß-Unterschiede erkennen lassen.
Auch Sitze und Sitzbezüge wirken armselig und sind, ähnlich wie die Anmutung des Interieurs, nicht die rechten Werkzeuge, um jenen emotionalen Fun im Fun-Van zu erwecken, den Toyota in der Erwartung vorgibt. Das Leben ist grau, sagt das Armaturenbrett ebenso wie die Türverkleidung oder das Lenkrad, und auch die digitalisierte Tempoanzeige samt Drehzahlmesser in einer tiefen Sicht- Höhle lässt kaum bessere Stimmung aufkommen.
Versöhnlich in solcher Tristesse wirkt allein die gute Funktionalität, welche die Bedienung zum Kinderspiel macht. Die Sitze selbst sind nur wenig profiliert und von geringer Bequemlichkeit.
Dies gilt insbesondere für den mittleren Platz im Fond, der sehr schmal ist und eher, wie vorgesehen, entweder als größeres Vesperbrett mit den unvermeidlichen Dosenhaltern oder in ausgebautem Zustand zu überzeugen vermag. Ein Beckengurt schützt im Ernstfall die mittlere fünfte Person nur unzureichend – im übrigen ist der Verso nicht nur mit Fahrer- und Beifahrer- Airbags, sondern serienmäßig auch mit Sidebags ausgestattet. Doch deswegen allein wird man ihn nicht kaufen.
Man kauft ihn, weil bei einem Radstand von 2,50 Metern und kompakten Außenmaßen auch im Fond und nicht zuletzt im Kofferraum eine Großzügigkeit erreicht wurde, die sehr beachtlich ist. Der Beinraum hinten ist üppig, das Kofferraum-Volumen mit 390 Litern großzügig. Mit versenkten Sitzen wächst es auf fast 2000 Liter an, und als besonders praktisch erweist sich die Tatsache, dass die Ladekante ungewöhnlich niedrig ist. Die Hecktür schwenkt zur Seite, was Nachteile hat, wenn der Hintermann beim Einparken zu nah aufrückt. Doch was wäre ein Fun- Van ohne Variabilität? Der neue Verso zeigt, dass auch hier Fortschritte möglich sind, selbst wenn nicht die Perfektion eines Opel Zafira beim Zusammenlegen des Mobiliars erreicht wird. Der Fortschritt besteht darin, dass im Sinne maximaler Transport-Kapazität nur noch ein Sitz hinten ganz entfernt werden muss, nämlich der zu kleine mittlere.
Die beiden größeren Sitze lassen sich nach Betätigung weniger Hebeleien unter demontierbaren Bodenplatten versenken. Nun ist wahrhaft Raum in der Hütte – neben den vielen kleinen Ablagen vorne und hinten, die man auch schon ohne Umbauten genießen darf.
Genau 1072 Kilogramm wiegt das kompakte, auf optisch viel zu kleinen 14-Zoll- Rädern laufende Gebilde, nicht gerade ein Pappenstiel für den 1,3 Liter großen Vierventiler mit variabler Ventilsteuerung und einer Nennleistung von 86 PS. Zu den Meriten des auch im Yaris angebotenen Vierzylinders zählt sein kultivierter Lauf, im Durchzugsvermögen wird mit 18,6 Sekunden von 80 auf 120 km/h nur Durchschnittliches geboten.
Immerhin, das absolute Temperament darf als lebhaft gelten. 12,4 Sekunden von null auf 100 km/h sind für ein Auto diese Art nicht schlecht, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 165 km/h. Auf der Autobahn schnürt man meist mit 140 oder 150 km/h dahin, der Motor summt zufrieden und lässt zusammen mit den vernehmbaren Windund Laufgeräuschen einen insgesamt moderaten Geräuschpegel entstehen. Bei 130 km/h zeigt das Phon-Messgerät 73 dB(A), ein Wert, mit dem es sich akustisch leben lässt. Auch im Konsumverhalten enttäuscht der Verso nicht. Mit einem Testmittel von 7,9 Litern pro 100 km ist er kein Sparwunder, aber gemessen an der Transportleistung akzeptabel.
Der kultivierte Antrieb und die munteren Fahrleistungen stehen also auch längeren Reisen nicht im Wege, und ebensowenig tut dies der Federungskomfort. Er ist unter dem Strich befriedigend, eine Einschränkung betrifft das Schluckvermögen auf kurzen Wellen, wo – wie speziell bei manchen maroden Autobahn-Abschnitten – Stöße an die Insassen rhythmisch weitergereicht werden. Eine exakte Servolenkung und ausgezeichnete Bremsen mit sehr guter Standfestigkeit zählen zu den weiteren Pluspunkten im dynamischen Teil.
Beim Kurvenverhalten werden aber auch negative, wenngleich harmlose Eigenschaften deutlich, zum einen eine ausgeprägte Untersteuerneigung, zum anderen erhebliche Traktionsmängel, wenn der Verso – Fun-Van, der er nun mal ist – nicht nutztierhaft bewegt wird. Leichte Lastwechsel-Reaktionen gibt es nur in voll beladenem Zustand. Als potenzielle Kunden des in der Basisversion 29 000 Mark teuren Verso erwartet Toyota sowohl Singles als auch junge Familien.
Was sie wiederum erwartet, ist weniger Fun, sondern mehr eine Art eierlegende Wollmilchsau, die von allem etwas kann und über ihrer schnöden Plastikwüste das gute Toyota-Gefühl vermittelt, man werde schon nicht liegen bleiben.