Vom Campingplatz aufs Paddelboot

Sie liebt es, draußen zu sein und eine Region aus verschiedenen Perspektiven zu entdecken. Die Fotografin, Autorin und leidenschaftliche Paddlerin Katja Seidel ist mit ihrem Campingbus unterwegs zu den schönsten Flüssen Deutschlands. Einige ihrer Kanutouren zum Genießen stellt sie Ihnen hier vor.
Seit ich denken kann, bin ich ein echter "Draußenmensch". Ob Berge, Wälder, Seen oder Flüsse – sobald ich dem Alltag entfliehen und die Ruhe der Natur genießen kann, bin ich glücklich. Mein Campingbus spielt dabei seit nunmehr fünf Jahren eine tragende Rolle – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit ihm ist nun schon der Weg das Ziel. Stressfrei kann ich die Stationen meiner Reise spontan bestimmen und wenn nötig flexibel ändern. Zudem erlaubt er mir, mein ganzes Equipment dabeizuhaben, um unterwegs aktiv zu sein und Mikroabenteuer zu erleben – und gern auf dem Wasser.
Campingbus und Wassersport – die perfekte Kombination!
Mit dem Camper flammte gleichzeitig meine Leidenschaft für den Wassersport wieder auf. Denn anders als eine fremde Region zu Fuß oder auf dem Rad zu erkunden, schafft der Perspektivwechsel auf dem Wasser noch einmal ganz neue Eindrücke. Es fühlt sich jedes Mal an, als würde ich in eine andere Welt katapultiert werden, wenn ich im Boot oder auf dem Stand Up Paddle Board (SUP) von der leichten Strömung eines Flusses durch eine grüne Oase getragen werde.
Hinter jeder Kurve warten neue Eindrücke, die es am Ufer zu entdecken und manchmal auch auf dem Wasser zu bezwingen gilt. Denn gerade kleine Stromschnellen oder manchmal auch ein querliegender Baum schaffen die perfekte Kombination aus Abenteuer und Entschleunigung. Für mich ein echter Seelenbalsam im manchmal viel zu grauen Alltag! Denn grau ist es auf dem Wasser wirklich nicht – im Gegenteil. Selbst im heißen Spätsommer, wenn die Wiesen und Wälder schon (immer früher) ausgetrocknet sind, ist es um den Fluss herum noch saftig grün und noch dazu erfrischend kühler als an Land.
Logistische Herausforderungen
Nicht jeder Fluss oder See hat jedoch das Potenzial, solch einen Genuss zu bieten. Bei der Vielzahl an Literatur, Webseiten und Videos zu möglichen Kanutouren ist es gar nicht so einfach, die wirklich passenden Routen herauszupicken. Mal fehlt die Abwechslung, mal die Fließgeschwindigkeit, ein andermal ist der Fluss dann doch zu wild, die Tour zu lang oder zu kurz oder es müssen schlichtweg zu viele Wehre umtragen werden.
Hinzu kommt die Herausforderung, dass angenehm fließende Flüsse nur in eine Richtung befahren werden können. So stellt sich bei jeder Tour die Frage nach dem Rückweg zum Ausgangspunkt. Der einfachste Weg, neben dem Shuttleservice eines Kanuverleihs, ist natürlich ein zweites Fahrzeug – sofern Ein- und Ausstieg entsprechende Parkmöglichkeiten bieten. Alternative Optionen wie ein Taxi, Bus oder Bahn, die eigenen Füße oder ein Fahrrad stehen hingegen nur zur Wahl, wenn das zu transportierende Paddelequipment eines ist: portabel. Und das ist schließlich auch bei dem begrenzten Platzangebot im Campingbus ein entscheidendes Kriterium.
Kompakte Ausrüstung für kompakte Campingbusse
Nachdem ich einige Zeit mit einem Luftboot und SUP unterwegs war, bin ich auf eine besondere Bootsgattung gestoßen, die ideal für Camper ist: Packrafts. Die kleinen Rucksackboote haben das Packmaß eines Schlafsacks und wiegen meist nur zwei bis drei Kilogramm. Somit lassen sie sich optimal für kombinierte Land-Wasser-Touren nutzen und unkompliziert im Camper mitnehmen.
Möchte man dabei unabhängig vom ÖPNV sein oder den Aktionsradius gegenüber einer Wanderung vergrößern, bietet sich ein weiterer Trend an: das Bikerafting. Dabei werden Fahrrad und Packraft einfach kombiniert – das heißt, auf dem Landweg fährt das zusammengefaltete Boot auf dem Gepäckträger mit und auf dem Fluss wird das Fahrrad einfach aufs Boot geschnallt.
Am einfachsten funktioniert das mit einem Faltrad, aber auch normale Fahrräder lassen sich mit ausgebautem Vorder- und Hinterrad kompakt auf dem Packraft verstauen. Dank des großen Aktionsradius lassen sich die Bikerafting-Touren meist direkt vom Stellplatz aus starten. Mit ein wenig Ausdauer lassen sich auf diese Weise durchaus kombinierte Tagestouren von 50 Kilometern und mehr unternehmen. Für eine erholsame Paddeltour sind Flussstrecken zwischen zehn und 15 Kilometern mit angenehmer Fließgeschwindigkeit aber erfahrungsgemäß völlig ausreichend.
Unterwegs zu Deutschlands schönsten Flüssen
Diese Form der abwechslungsreichen Freizeitgestaltung während eines Campingtrips hat schließlich sogar meine 72-jährige Mutter überzeugen können. Das Ganze hat uns beiden sogar so viel Freude bereitet, dass daraus ein spannendes Projekt – oder fast schon eine Mission – entstanden ist: Auf unvergesslichen Mutter-Tochter-Roadtrips im Campingbus durch Deutschland möchten wir die schönsten Kanutouren entdecken und andere Menschen damit inspirieren.
Schlussendlich waren wir dazu im letzten Jahr insgesamt zehn Wochen und mehr als 500 Kilometer zu unterschiedlichen Jahreszeiten auf dem Wasser unterwegs. Wir haben dabei wunderschöne Regionen und Stellplätze im eigenen Land kennengelernt, zu denen wir ohne die Paddeltouren vermutlich nie gekommen wären. Zwei Packrafts, zwei Falträder und unser Campingbus haben uns dabei nicht nur maximal flexibel gemacht, sondern auch auf fast jedem Stellplatz für erstaunte Blicke und interessierte Gespräche gesorgt.
Ich möchte Sie nun mit auf die Reise nehmen – in drei Regionen Deutschlands, auf drei spannende Flusstouren, zu drei unterschiedlichen Jahreszeiten. Weiterführende Informationen zu den vorgestellten Touren finden Sie im Buchtipp am Ende des Artikels.
Leihen statt kaufen
Sie haben Lust, diese Art von kombinierten Land-Wasser-Touren einmal selbst zu probieren, wollen aber nicht gleich Geld in eine Paddelausrüstung investieren? Kein Problem – leihen Sie sich das nötige Equipment doch erst einmal aus. Packrafts und ihr Zubehör sind so klein und leicht, dass sie unkompliziert per Post versendet werden können.
Alternativ gibt es an den meisten Flüssen in Deutschland natürlich Kanuverleihe, die immer öfter auch die Option "Boot & Bike" anbieten. Dabei werden Kunden- oder Leihfahrräder nach der Paddeltour am Ausstieg bereitgestellt, so dass Sie eine Region ganz unkompliziert aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erleben können. Und sollte der Kanuverleih vor Ort die Option nicht offiziell anbieten, fragen Sie doch einfach mal nach, ob er Ihre Fahrräder zum Ausstieg der Flusstour bringen kann.
1. Das Taubergießen in Baden-Württemberg
Als "eines der letzten Paradiese Europas" gilt das Naturschutzgebiet Taubergießen – und das ist tatsächlich keine Übertreibung. Wildromantisch können Sie hier auf glasklarem Wasser bei meist angenehmer Strömung entlang einer vorgegebenen Strecke auf den Altrheinarmen durch eine einmalige Auenlandschaft paddeln. Neben drei spritzigen, aber gut fahrbaren Sohlschwellen zu Beginn erwarten Sie echtes Dschungelfeeling und viele tierische Begegnungen auf dem Wasser. Nach sechs Kilometern müssen Sie die Boote lediglich einmal auf einer Distanz von 400 Metern umsetzen. Ab hier beginnen auch die geführten Kahnfahrten durchs Taubergießen, falls Sie nicht mehr selbst paddeln möchten.
- Tourlänge: Zwischen 6 und 15 km, je nach gewähltem Ausstieg
- Einstieg: Rheinhausen
- Ausstieg: Wittenweier oder ein früherer Ausstieg nach 6, 9 oder 13 km
- Hindernisse: 400 m Umtragung nach 6 km
- Kanuverleih: Kanutour24, Elzmatten 16 a, 79365 Rheinhausen, kanutour24.de
- Parkplätze: Kostenlos vorhanden in Fußwegentfernung vom Einstieg sowie an den Ausstiegen nach 6, 9 und 13 km
Befahrungsregeln:
- Befahrung zwischen 8 und 20 Uhr auf der vorgegebenen Strecke mit dem Strom erlaubt
- Ein- und Ausstieg nur an den gekennzeichneten Stellen
- Befahrungen mit SUPs nicht erlaubt
Camper-Tipp: Stell-/Campingplatz am Europapark Rust
Weitere Aktivitäten: Neben einer unvergesslichen Paddeltour oder Fahrt mit dem "Stocherkahn" können Sie das wunderschöne Naturschutzgebiet Taubergießen auch auf verschiedenen Rundwegen zwischen 2 und 6 Kilometern Länge zu Fuß oder mit dem Fahrrad erkunden. Und wollen Sie neben den vielen Natureindrückennoch etwas Nervenkitzel erleben, so liegt der Europapark Rust nur wenige Kilometer vom Taubergießen entfernt. Zeitweise kann man sogar die Gäste der Achterbahn bis auf den Fluss schreien hören!
2. Die Diemel in Hessen
Nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen schlängelt sich dieser wunderschöne Fluss mit meist zügiger Strömung und einigen kleinen Stromschnellen durch eine wunderschöne Wald- und Auenlandschaft. Eine 9 Kilometer lange Kanutour lässt sich hindernisfrei zwischen Trendelburg und Wülmersen erleben. Gestartet werden kann dabei direkt vom dortigen Camping- oder Stellplatz und Kanuverleih. Alternativ bietet das Hofgut Stammen neben einem Naturcampingplatz auch Leihboote und sogar einen Radshuttle vom Ausstiegsort an. Diese etwas längere Tour ist mit einer kurzen Umtragung am Wehr in Trendelburg verbunden. Der Rückweg mit dem Fahrrad auf dem wunderbar asphaltierten Diemelradweg lohnt sich jedoch allemal. Mit einem kleinen Abstecher können Sie hier nämlich den 200 Meter langen Carlsbahntunnel (auch Deiseler Tunnel) durchfahren – den ältesten Eisenbahntunnel Hessens, der erst 1986 stillgelegt wurde.
- Tourlänge: 9 km bei Start in Trendelburg bzw. 10,5 km bei Start in Stammen
- Einstieg: Trendelburg bzw. alternativ am Hofgut in Stammen
- Ausstieg: Kraftwerk Wülmersen
- Hindernisse: Keine bzw. Umtragung am Wehr in Trendelburg beim Start in Stammen
- Kanuverleih: Kanu Schumacher (dort auch Stellplatz Trendulas Paradies), kanu-schumacher.de / Hofgut Stammen (dort auch Naturcampingplatz), Schloßstraße 29, 34388 Trendelburg, hofgut.de (Radshuttle wird angeboten)Parkplätze: in Trendelburg am Einstieg: Wanderparkplatz Diemelbrücke (dort ist ebenfalls ein Einstieg) oder am Kanuverleih
Befahrungsregeln:
- Befahrungszeit: 15.04. bis 15.10., jeweils zwischen 9 und 18 Uhr
- Mindestpegel: 45 cm in Haueda, 165 cm in Helmarshausen
- Ein- und Ausstieg nur an gekennzeichneten Stellen
- Kiesinseln betreten verboten
- Fahrt gegen den Strom verboten, außer bei Anlegern
- Kontingentierung auf insgesamt 75 Boote pro Tag für Privatfahrer und Bootsvermietungen
- Private Bootsfahrer müssen sich beim Hofgut Stammen (siehe "Kanuverleih") oder Campingplatz Conradi (siehe "Camper-Tipp") kostenlos für die Befahrung anmelden
Camper-Tipp: Campingplatz Conradi in Trendelburg
Weitere Aktivitäten: Der wunderschöne Campingplatz Conradi in Trendelburg liegt direkt an der Diemel und bietet mit etwas Glück ein tolles Schauspiel, wenn der Fischreiher sein Frühstück aus dem Wasser fängt. Der Platz ist zudem nicht nur ein idealer Ausgangspunkt für eine Kanutour auf der Diemel, sondern auch für andere Aktivitäten in der Umgebung. So lässt sich die Region auf dem 112 km langen Diemelradweg, der sogar vom ADFC als Qualitätsradroute mit 5 Sternen ausgezeichnet wurde, wunderbar mit dem Rad erkunden. Wer lieber wandert, kann die herrliche Natur auf dem 152 km langen Diemeltaler Schmetterling-Steig genießen. Aus Trendelburg führt dieser beispielsweise durch einen schönen Wald zu den sogenannten "Wolkenbrüchen" – trichterartige und mit Wasser gefüllte Krater in der Erde, die als Naturdenkmale ausgewiesen sind.
3. Der Rheinsberger Rhin in Brandenburg
Abenteuerlich wird es bei einer Kanutour auf dem Rheinsberger Rhin. Dieser kurvenreiche und flott fließende Wald- und Wiesenfluss führt direkt durch einen märchenhaften Wald, was jedoch auch dazu führt, dass regelmäßig Bäume quer über dem Fluss liegen. In der Regel lassen sich diese allerdings gut mit dem Boot unter- oder überfahren. Manchmal zwingt einen der Rhin aber auch, das Boot zu verlassen – sei es, um einen Baum zu überwinden oder um die Fischtreppe als einziges offizielles Hindernis der Tour kurz zu umtragen. Belohnt werden Sie mit einmaligen Naturerlebnissen, die Sie vermutlich so schnell nicht vergessen werden.
- Tourlänge: 16 km oder 7 km bei Ausstieg in Rheinshagen
- Einstieg: Campingplatz an der Untermühle, südlich von Rheinsberg
- Ausstieg: Zippelsförde oder Rheinshagen nach 7 km
- Hindernisse: Umtragen an der Fischtreppe in Rheinshagen
- Parkplätze: Kostenfreier Parkplatz direkt am Ausstieg/ Parkmöglichkeiten beim Kanuverleih am Einstieg (auch mit eigenen Booten)
- Kanuverleih: BergerTours Kanutouristik, Am Hellsee 2, 16831 Rheinsberg, bergertours.de (Shuttleservice wird angeboten)
Befahrungsregeln:
- Befahrungszeit: 15.06. bis 31.10., jeweils zwischen 9 und 19 Uhr
- Einsetzen der Boote ausschließlich zwischen 9 und 12 Uhr
- Mindestpegel: 65 cm am Wehr Obermühle/Rheinsberg, Pegeltelefon: +49 33082/40716
- Befahrung nur in Fließrichtung
- Befahrung nur in 1er- und 2er-Kajaks (keine Kanadier!)
- Anlegen nur an den gekennzeichneten Stellen
- Kontingentierung auf 125 Boote für Bootsvermietungen und 20 private Boote je Tag
- Jedes Boot muss einen Befahrungsschein mitführen, der kostenlos und unkompliziert, jedoch rechtzeitig beantragt werden sollte: z. B. bei der Stadt Rheinsberg Tourist-Information, Tel. +49 33931/34940
Camper-Tipp: BergerTours Kanutouristik
Weitere Aktivitäten: Neben ausgedehnten Wäldern, die zum Spazierengehen und im Herbst zum Pilzesuchen einladen, ist das Schloss Rheinsberg im gleichnamigen Ort das kulturelle Highlight der Region. Malerisch am Grienericksee gelegen, kann es in einer 2,5 km langen Rad- oder Wandertour vom Campingplatz aus erreicht werden.
Buchtipp
In ihrem Buch stellt Ihnen die Autorin dieses Artikels 20 Genusstouren in ganz Deutschland sowie in Grenznähe vor. Hier gibt’s Beschreibungen, Tourenkarten und zahlreiche Fotos sowie alle Informationen, um startklar zu sein. Über QR-Codes gelangen Sie zu Online-Begleitinformationen zu jeder Tour. Es gibt GPS-Tracks der Paddel-, Rad- und Wandertouren zum Download, Vorschläge für Bike- rafting-Rundtouren, auch zu jedem Fluss einen konkreten Stellplatz-Tipp sowie Informationen zu Parkplätzen und ÖPNV-Anbindungen der Paddeltouren.
Katja Seidel (paddelgenuss.de), 252 Seiten, 1. Auflage 2023, ISBN 978-3-9825316-0-1, 24,90€