Mehr Betroffene als in der Kirche: 200.000 Fälle von Kindesmissbrauch im Breitensport

Mehr Betroffene als in der Kirche: 200.000 Fälle von Kindesmissbrauch im Breitensport
Berlin (SID) - Dies geht aus einer bislang unveröffentlichten Studie der Uniklinik Ulm hervor. Demnach geht das Institut von einer hochgerechneten Anzahl von 200.000 Betroffenen aus. "Wir haben in Deutschland ungefähr doppelt so viele Fälle im Sport wie in der katholischen Kirche", sagte Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Ulmer Kinder- und Jugendpsychiatrie dem Deutschlandfunk.
Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche werden derweil auf 114.000 beziffert. Für die Studie, über die zuerst die Zeitung Die Welt berichtete, hatte Fegerts Team rund 2500 Menschen befragt. In der ARD-Dokumentation "Das große Tabu" erklärte Fegert die Resultate des Vergleichs von Sport und Kirche. "Mehr Kinder gehen in Sportvereine und deswegen ist es nicht verwunderlich, dass wir im Bereich des Sport ungefähr doppelt so viele Betroffene haben wie im Bereich der Kirchen."
Die Öffentlichkeit konzentriere sich jedoch mehr auf die Kirche "weil man sich sehr viel über die Missbrauchsfälle in den Kirchen unterhalten hat. Deswegen haben wir hier noch eine Bewusstseinsentwicklung nötig", so Fegert. Bereits im Jahr 2017 hatte die Ulmer Uniklinik im Zuge des Forschungsprojekts "Safe Sport" 1800 Athleten aus dem Leistungssport zu ihren Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch befragt. Der Anteil der Betroffenen lag damals bei einem Drittel.
Hinter der Vorbeugung von Missbrauch steht auf politischer Ebene bislang noch ein Fragezeichen. "Das i-Tüpfelchen muss sein, dass bis zum Mai 2021 in den Satzungen die Bekämpfung und Prävention einen Leitbildcharakter haben muss", sagte Markus Kerber, Staatssekretär im für den Sport zuständigen Bundesinnenministerium. Wenn die Verbände die Schutzmaßnahmen nicht umsetzen, soll ihnen Förderung gestrichen werden. Wie dies jedoch geprüft wird, ist unklar. Jan Holze, Vorstandsmitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist optimistisch, "dass wir da einen partnerschaftlichen Weg finden werden."