Das SID-Kalenderblatt am 3. August: Die Owens-Festspiele in Berlin beginnen

Das SID-Kalenderblatt am 3. August: Die Owens-Festspiele in Berlin beginnen
Hamburg (SID) - Jesse Owens kauert sich in den Startblock, die Augen weit aufgerissen, und nur auf das Ziel fokussiert, dann der Startschuss, Owens prescht nach vorne und trommelt auf Bahn zwei die Aschenbahn entlang zu Gold. 10,3 Sekunden über 100 m. Dieser 3. August 1936 war der spektakuläre Beginn der Owens-Festspiele bei den Olympischen Spielen in Berlin.
Owens stieg in diesen Tagen von Berlin zu einer Legende auf, zu einem Symbol. Ein schwarzer US-Amerikaner war der Star. Dort, wo Adolf Hitler und seine Nazi-Propagandamaschinerie der Welt die angebliche Überlegenheit der so genannten arischen Rasse demonstrieren wollten. Dabei trug auch noch ein deutscher Gegner zum Mythos Owens bei: Luz Long lag im Weitsprung mit olympischem Rekord vor dem Amerikaner und gab diesem dann Tipps, die laut Zeitzeugen zur eigenen Niederlage führten.
Ohne den Rat des Leipzigers wäre der damals 23-Jährige aus Alabama vielleicht nicht als dieser Athlet in die Geschichte eingegangen, vor dem sich Generationen bis heute verneigen. Als erster Leichtathlet gewann Owens 1936 über 100 m (10,3), 200 m (20,7), 4x100 m (39,8/Weltrekord) und im Weitsprung (8,06 m) vier Goldmedaillen bei den gleichen Spielen. Ein Kunststück, das seitdem nur einer schaffte: Owens' Landsmann Carl Lewis 1984 in Los Angeles.
Owens und Long wurden damals - ganz im Sinne der Nazi-Propaganda - nach dem Wettkampf wie gute Kumpels positioniert und abgelichtet. Aber die angedichtete Freundschaft gab es nie. "Das Traurige an der Geschichte ist, dass ich Luz nach Olympia nie mehr gesehen habe. Er wurde während des Zweiten Weltkriegs getötet", sagte Owens später.
Owens, der 1973 das Bundesverdienstkreuz erhielt und nach dem 1986 in der Nähe des Olympiastadions eine Straße benannt wurde, traf entgegen einigen Berichte wohl nie mit Hitler zusammen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte dem Diktator nach drei persönlichen Gratulationen an Olympiasieger an den ersten Tagen der Spiele solche Aktionen verboten. Darum musste Hitler eine Begegnung mit Owens meiden.
Eher fühlte sich Owens durch den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt verletzt, der im Wahlkampf steckte und offenbar Reaktionen aus den Südstaaten fürchtete, falls er Owens ehren würde. "Hitler hat mich nicht brüskiert, sondern Roosevelt. Der Präsident hat mir nicht einmal ein Telegramm geschickt", sagte Owens.
James Cleveland Owens, der den Namen "Jesse" von seiner Lehrerin erhielt, als er ihr sagte, man nenne ihn "J.C.", war als zehntes von elf Kindern eines Baumwollpflückers in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Er hatte nach Olympia Probleme, den Lebensunterhalt für seine Frau Ruth und den Nachwuchs zu verdienen. In 100-Meter-Schaurennen gab er Läufern aus der Region zehn oder 20 Meter Vorsprung und gewann dennoch. Er besiegte auch Rennpferde.
Owens, der 35 Jahre lang Kettenraucher gewesen war, starb im März 1980 im Alter von 66 Jahren im Krankenhaus von Tucson/Arizona an Lungenkrebs. Er wurde auf dem Oak-Woods-Friedhof in Chicago beigesetzt. Seinen Grabstein zieren die Olympischen Ringe und die Inschrift "Olympiasieger".