Olympische Spiele: Krisen, immer wieder Krisen

Olympische Spiele: Krisen, immer wieder Krisen
München (SID) - Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Organisatoren in Japan haben sich in einer historischen Entscheidung auf eine Verlegung der Sommerspiele in Tokio ins kommende Jahr verständigt. Es ist die erste Verlegung oder Absage Olympischer Spiele in Friedenszeiten und die erste seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele andere Krisen hat das Weltsportfest im Zeichen der fünf Ringe schon überstanden. Eine Übersicht.
2020: Von China aus breitet sich das neuartige Coronavirus in der ganzen Welt aus. Fast der gesamte Sportbetrieb steht im März still, die Fußball-EM ist längst verschoben - doch das Internationale Olympische Komitee weigert sich lange, die Spiele von Tokio 2020 aufzugeben. Erst auf Druck vieler Sportler, Verbände und Politiker lenkt das IOC am 24. März ein. Die Sommerspiele sollen spätestens im Sommer 2021 nachgeholt werden.
2016: Seit Anfang 2015 grassiert in Brasilien das Zikavirus. Übertragen wird es vor allem durch den Stich infizierter Mücken, vorwiegend der Gelbfiebermücke. Sogar die Austragung der Spiele in Rio de Janeiro wird infrage gestellt, einige Sportler verzichten auf die Teilnahme. Die Hysterie erweist sich am Ende als unbegründet.
2002: Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 scheint die Austragung der Winterspiele in Salt Lake City gefährdet - sie finden schließlich unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Schon im Januar 1999 war bekannt geworden, dass sich mindestens 24 IOC-Mitglieder hatten bestechen lassen, um die Spiele nach Salt Lake zu vergeben.
1984: Die Sowjetunion und weitere 18 Staaten wie Kuba boykottieren die Sommerspiele in Los Angeles als Antwort auf den Boykott der Sommerspiele 1980 in Moskau durch die USA und 41 weitere Staaten, u.a. die Bundesrepublik Deutschland.
1980: Als Reaktion auf den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 boykottieren die USA und weitere 41 Staaten (u.a. BRD) die Sommerspiele in Moskau.
1976: Bei den Sommerspielen in Montreal fehlen insgesamt 16 afrikanische Länder. Sie verzichten auf die Teilnahme, weil Neuseeland zuvor den Bann gegen den Apartheid-Staat Südafrika gebrochen hatte - die All Blacks hatten gegen die dortige Rugby-Union-Nationalmannschaft gespielt.
1976: Knapp drei Jahre vor der Austragung der Winterspiele gibt Denver die Spiele zurück, nachdem sich die Bürger in einem Referendum gegen die Austragung ausgesprochen hatten. Die Wahl der möglichen Ersatzorte gewinnt Innsbruck.
1972: Die "heiteren" Sommerspiele in München werden durch das Attentat palästinensischer Terroristen am 5. September überschattet, elf israelische Athleten werden zunächst als Geiseln genommen und dann ermordet. Ums Leben kommt auch ein deutscher Polizist. Die Spiele werden nach einem Trauertag fortgesetzt. "The games must go on", sagt der damalige IOC-Präsident Avery Brundage.
1968: Zehn Tage vor Eröffnung der Sommerspiele in Mexiko-Stadt kommt eine bis heute unbekannte Zahl von Studenten beim sogenannten "Massaker von Tlatelolco" ums Leben. Verantwortlich sind das mexikanische Militär und andere Sicherheitskräfte.
1956: Spanien, die Niederlande und Schweiz boykottieren die Sommerspiele in Melbourne wegen des Einmarsches der Staaten des Warschauer Pakts in Ungarn nur wenige Wochen vor den Spielen. Ägypten, der Libanon und Irak boykottieren die Spiele wegen der Sueskrise. China gibt zwei Wochen vor den Spielen bekannt, dass es nicht teilnehmen werde, weil die Republik Taiwan zugelassen wurde. Die Reiterspiele finden wegen Quarantänebestimmungen in Stockholm statt.
1952: Die Sowjetunion nimmt nicht an den Sommerspielen in Helsinki teil. Sie hält Olympische Spiele für kapitalistisch und versucht im Gegenzug, die "ganefo" (Games of the new emerging forces) zu etablieren. Der Versuch scheitert nach den Austragungen 1963 in Jakarta/Indonesien und 1966 in Phnom Penh/Kambodscha.
1940/1944: Die Olympischen Spiele 1940 sollen in Japan stattfinden, Sapporo (Winter) und Tokio (Sommer) geben die Ausrichterrolle aber wegen des zweiten japanisch-chinesischen Krieges zurück. Als Ersatzschauplätze wollen Garmisch-Partenkirchen und Helsinki einspringen, dazu kommt es aber aufgrund des Zweiten Weltkriegs nicht. Auch 1944 (Winter: Cortina d'Ampezzo, Sommer: London) fallen wegen des Zweiten Weltkriegs aus.
1936: Der Präsident des NOK der USA, Avery Brundage, verhindert durch eine gesteuerte Abstimmung einen Boykott der Sommerspiele in Berlin unter anderem durch die USA, der nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze im Raum stand. Brundage sorgt auch dafür, dass die US-Mannschaft ohne jüdische Sportler antritt. Die Sommerspiele in Berlin und die vorherigen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen werden von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken missbraucht.
1932: Wegen der Weltwirtschaftskrise können sich zahlreiche Mannschaften die Teilnahme an den Winterspielen in Lake Placid und den Sommerspielen in Los Angeles nicht leisten, in Los Angeles sind nur etwa halb so viele Sportler am Start (1332) wie vier Jahre zuvor in Amsterdam.
1920: Die deutsche Mannschaft darf in Antwerpen wegen der Rolle Deutschlands im Ersten Weltkrieg nicht teilnehmen - ebenso Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei. Die Spiele können nur deshalb im völlig zerstörten Belgien stattfinden, weil ihnen der Amerikaner Gustavus T. Kirbyals, Verantwortlicher für die Versorgung Belgiens, oberste Priorität einräumt.
1916: Die für Berlin geplanten Sommerspiele fallen wegen des Ersten Weltkriegs aus.
1908: Das als Austragungsort vorgesehene Rom muss die Spiele zurückgeben, weil sich das Organisationskomitee im Januar 1906 auflöst. London springt ein.
1896 bis 1908: Nach den erfolgreichen Spielen 1896 in Athen gerät die olympische Bewegung in eine Krise. Die Spiele 1900 in Paris und 1904 in St. Louis sind Teil der Weltausstellung, ziehen sich über Monate hin und werden kaum beachtet. Bei den vom IOC genehmigten, später aber nicht anerkannten Zwischenspielen 1906 in Athen steht der Sport im Vordergrund. Sie tragen zum Wieder-Aufschwung der Bewegung bei.