Russland bei Olympia: Dezimiert und geknickt

Russland bei Olympia: Dezimiert und geknickt
Russland ist bei den Olympischen Spielen zu einem Spagat zwischen Heimatliebe und Zurückhaltung gezwungen. Nicht überall gelingt er.
Es ist kein Russisches Haus. Das ist wichtig zu wissen. Man könnte sich schließlich durchaus leicht auf eine falsche Fährte locken lassen: vom Russland-Fanshop, dem omnipräsenten Motto "Russland im Herzen", der russischen Nationalhymne, der sechs Meter hohen Matrjoschka, der Ausstellung aller acht sowjetischen Eishockey-Goldmedaillen - oder einem Arrangement von elf Groß-Fotografien. Von deren acht grüßt Staatspräsident Wladimir Putin persönlich.
Aber: Nein, dies ist nicht das Russische Haus. Es darf nicht so heißen, weil das Internationale Olympische Komitee nach dem Dopingskandal von Sotchi sämtliche russische Hoheitszeichen untersagt. Fans dürfen siegreichen Athleten keine Fahne reichen, die Sportler tragen neutrale Mannschaftskleidung, das Schrumpfteam heißt OAR: Olympische Athleten aus Russland.
Aufgeheizte Stimmung
Im Haus des Sports, wie das sehr gut versteckte Klein-Moskau in einem Hochzeitssaal einige Kilometer abseits des Olympia-Parks benannt wurde, gibt es darauf keinen Hinweis. Aber es ist ein guter Eindruck davon zu bekommen, wie demütigend dies alles für das Riesenreich sein muss.
"Selbstverständlich sind wir wütend! Sehr sogar. Wie könnten wir nicht wütend sein? Was denken Sie denn?", sagt Eduard Subotsch, Vize-Präsident des nationalen Skisprungverbandes, dem "SID". Im Hintergrund posieren Landsleute mit einem Pappaufsteller der legendären Eishockey-Angriffsreihe Michailow-Petrow-Charlamow.
Vor dem Gespräch hat der Funktionär sich noch einigermaßen schnappend erkundigt: "Schreiben Sie negativ?" 1988 sprang Subotsch übrigens selbst in Calgary. Er wurde 38. von der Normalschanze.
Zwischen Patriotismus und Bescheidenheit
Es ist alles nicht einfach. Russland ist bei diesen Winterspielen von Pyeongchang zu einem atemraubenden Spagat gezwungen, den es sich selbst zuzuschreiben hat. Die Liebe zur Heimat pflegen, aber sie nicht zu offensiv zeigen, dabei bescheiden bleiben - das fällt ganz offensichtlich schwer. Zumal, da sich die Russen verfolgt fühlen. Verschwörungstheorien kursieren bis in höchste Kreml-Kreise.
Außenminister Sergej Lawrow behauptet entgegen erdrückender Beweislage, die Vorwürfe des staatlich gelenkten Dopings seien "ohne Skrupel" von den USA inszeniert worden, weil "sie uns nicht fair schlagen können". Damit dürfte klar sein, was die Politik für IOC-Sanktionen übrig hat: Verachtung. "Wir sind ein vollwertiger Teilnehmer der Spiele", darauf beharrt Alexander Timonin, der russische Botschafter in Südkorea.
Kurioserweise haben sich bisher die Olympia-Organisatoren den einzigen Ausbruch aus dem gestrengen Protokoll erlaubt. Auf der offiziellen Ergebnisseite wurden die drei russischen Fahrerinnen im Ski-Freestyle kurzzeitig mit den Nationalflaggen abgebildet. Der Fauxpas wurde schnell und leise aus der Welt geschafft.
Die Atmosphäre im Haus des Sports ist trotz allem angenehm. Es gibt Tee aus dem Samowar und Zuckergebäck. Kinder werden geschminkt, Volunteers verteilen T-Shirts mit dem Aufdruck: "Russland ist mein Leben." Man bleibt lieber unter sich.
Kaum Medaillenhoffnungen in Russland
Die wilden Olympia-Partys der Vergangenheit, auf denen der Wodka palettenweise gekippt wurde, sind vorerst vorbei. "Das geht diesmal nicht so", sagt Subotsch. Er scheint es zu bedauern. Ein äußerst herzhafter Schulterklopfer, dann ist er verschwunden.
Sonderlich viel zu feiern gibt es für die Russen derzeit allerdings auch noch nicht. Vergleichsweise bescheidene zwei Medaillen gab es an den ersten Wettkampftagen. Logisch: Viele Superstars sind gesperrt, 75 Prozent der Athleten im OAR-Team Olympia-Debütanten.
Entsprechend reisen fünf oder sechs der drei Dutzend Gäste beim Vortrag aus dem Hockeymuseum auf ihren Sitzsäcken ins Reich der Träume. Einer trägt eine weiß-rot-blaue Mütze. Aus Sotschi. Ausgerechnet.
Immerhin, versichert Eduard Subotsch: Am Abend gibt es noch eine Medaillenchance im Frauen-Skispringen. Er muss es ja wissen.