SID-Interview mit Ruderer Mertens: "In England kennt jeder das Boat Race"

SID-Interview mit Ruderer Mertens: "In England kennt jeder das Boat Race"
London (SID) - Der Hamburger Claas Mertens (26) spricht im SID-Interview über seine Teilnahme am Boat Race, sein Studium in Oxford und das Ende seiner Ruder-Laufbahn.
SID: "Herr Mertens, Sie rudern am Samstag beim legendären Boat Race für Oxford. Was bedeutet Ihnen die Teilnahme?"
Claas Mertens: "Unglaublich viel. Ich betreibe seit zwölf Jahren Leistungssport. Ich habe das Boat Race schon als Kind angeschaut, und jetzt bin ich dabei. Für dieses Ziel habe ich viel trainiert. Ich saß letztes Jahr schon im Reserveboot und habe die Faszination hautnah mitbekommen. Jetzt den Sprung ins erste Boot zu schaffen, ist großartig."
SID: "Welchen Stellenwert hat das Rennen in England?"
Mertens: "Das Boat Race ist hier ein ganz großes Ding. Rudern ist in England insgesamt ein bisschen bekannter als in Deutschland, wo man den Sport eigentlich nur durch Olympia kennt. In England kennt jeder das Boat Race zwischen unseren Unis, natürlich auch wegen der enormen Tradition von fast 180 Jahren."
SID: "In der Regel stehen 250.000 Zuschauer an der Strecke..."
Mertens: "Das ist unglaublich. Man kommt morgens zur Strecke, und alles ist schon voller Menschen, da kommt man kaum durch. Die letzten 20 Minuten bis zur Themse können wir in unseren Bussen nur Schrittgeschwindigkeit fahren, überall sind Zuschauer, alle sind begeistert. Es ist einfach wahnsinnig viel los."
SID: "Die Rivalität zwischen Cambridge und Oxford - ist das wie bei Dortmund und Schalke?"
Mertens: "Das kann man schon so sagen. Die Rivalität ist sehr groß, trotzdem haben beide aber auch viel gemeinsam. Die auf der anderen Seite machen im Prinzip ja genau das Gleiche wie wir. Ab und zu begegnen wir uns beim Training in London oder zuletzt beim offiziellen Wiegen, da schütteln wir die Hände. Diese Rivalität macht die Sache spannend, sie macht aber auch Spaß."
SID: "Wissen Sie aus dem Kopf, wie es insgesamt steht?"
Mertens: "Na klar, 82:80 für Cambridge. Also bald nur noch 82:81. Davon bin ich fest überzeugt."
SID: "Sind Sie extra nach Oxford gegangen, um es zum Boat Race zu schaffen?"
Mertens: "Eigentlich nicht. Ich wollte den Master machen, dafür habe ich mich an verschiedenen Universitäten beworben. Die Zusage aus Oxford hat sehr gut gepasst. Eigentlich wollte ich mit dem Rudern schon aufhören - aber dann habe ich natürlich weiter gemacht."
SID: "Bekommen Ruderer in Oxford ein Stipendium?"
Mertens: "Leider nein."
SID: "Was genau studieren Sie?"
Mertens: "Europäische Politik, das ist ein zweijähriger Master-Studiengang. Mein persönlicher Schwerpunkt liegt im Bereich Wirtschaftspolitik und Wirtschaftssanktionen."
SID: "Haben Sie bis zum Rennen überhaupt Zeit zum Studieren?"
Mertens: "Ehrlich gesagt, ziemlich wenig. Das Rudern nimmt viel Zeit in Anspruch, wir trainieren morgens und nachmittags, sind insgesamt rund acht Stunden pro Tag unterwegs. Abends hat man dann noch ein paar Stunden Zeit um etwas für die Uni zu machen. Nach dem Rennen habe ich ein bisschen was nachzuholen, aber das passt."
SID: "Sie sind erst 26 Jahre alt. Endet für Sie das Kapitel Rudern mit dem Boat Race?"
Mertens: "Das wird mein letztes Rennen. Ich habe zwölf Jahre Leistungssport gemacht, das Boat Race ist der perfekte Abschluss. Ich freue mich darauf, mich dann noch ein paar Monate auf die Uni zu konzentrieren und im Juni meinen Abschluss zu machen. Danach werde ich auf Reisen gehen und dann in das Berufsleben starten."