Vor Vortrag: Demonstranten kritisieren IOC-Präsident Bach

IOC-Präsident Thomas Bach muss sich weiter heftiger Kritik wegen seiner Haltung in der "Russland-Frage" erwehren.
Essen (SID) - IOC-Präsident Thomas Bach muss sich weiter heftiger Kritik wegen seiner Haltung in der "Russland-Frage" erwehren. Im Vorfeld seines Vortrags in der Philharmonie Essen zum Thema "Olympia im Spannungsfeld von Sport und Politik" kamen rund 150 Demonstranten zusammen, um gegen die diskutierte Wiedereingliederung russischer und belarussischer Sportler in den olympischen Sport zu protestieren.
"Wir fordern, dass die Sportlerinnen und Sportler erst dann wieder zugelassen werden, wenn dieser Angriffskrieg beendet ist", sagte Thomas Schiemann, ehemaliger Essener Sportfunktionär und Mitglied des organisierenden Vereins "Opora", am Rande der Demonstration dem SID: "Ich werde Thomas Bach fragen, warum er Wladimir Putin derart in Nibelungentreue verbunden ist."
Auch die Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf, Iryna Shum, äußerte sich vor Bachs Vortrag kritisch: "Eine Zulassung dieser Sportler ist inakzeptabel in einer Zeit, in der in unserem gemeinsamen Europa Krieg herrscht", sagte Shum dem SID: "Jeder dritte russische Athlet ist beim Militär - in solch einer Situation kann es keine Neutralität geben."
An der Demonstration, die der ukrainisch-deutsche Verein "Opora" organisierte, nahmen am Mittwochabend rund 150 Menschen teil. Sie postierten sich vor der Philharmonie, in der Bach auf Einladung des "Politischen Forums Ruhr" sprach, und verliehen ihren Forderungen mit Plakaten und Parolen Ausdruck - zudem wurden Videoaufnahmen mit Bildern des Krieges gezeigt.
Bach verwies anschließend bei seinem über einstündigen Vortrag zum wiederholten Male auf einen UN-Bericht, der eine Wiedereingliederung "neutraler Athleten" befürwortete, um eine "Nichtdiskriminierung aufgrund ihrer Nationalität zu gewährleisten". Er sprach von einem "Dilemma", in dem sich das IOC befände: "Wir verstehen die ukrainischen Menschen und Athleten, auf der anderen Seite haben wir als globale Organisation eine Verantwortung gegenüber Menschenrechten und der Olympischen Charta", so Bach: "Und beide untersagen eine totale Isolierung von Menschen mit einem bestimmten Pass."
Der Fecht-Olympiasieger von 1976 betonte zudem die politische Neutralität des olympischen Sports: "Wir haben in dieser Welt circa 70 Konflikte bewaffneter Art. Wir können keine Entscheidungen treffen über Krieg und Frieden." Es läge nicht in der Verantwortung des IOC, "die Probleme zu lösen, die Generationen von Politikern nicht lösen konnten - damit darf man den Sport nicht überfrachten. Die Politik muss diese verantwortungsvolle Autonomie des Sports respektieren."
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte Ende Januar die Möglichkeit ins Spiel gebracht, Wege zu prüfen, um Aktiven aus Russland und Belarus einen Weg zurück in internationale Wettkämpfe zu ebnen. Der 69-Jährige kritisierte anschließend auch die Boykott-Androhungen der Ukraine und anderer Länder sowie die Einmischung westlicher Politiker in die Thematik. Konkrete Leitlinien für die Sportverbände zum Umgang mit der Situation kündigte Bach für Mitte nächster Woche an.