Schauspieler Oliver Wnuk: "Ich wünsche mir, dass wir einander wieder zuhören"

Als Ulf Steinke in "Stromberg" wurde Schauspieler Oliver Wnuk bekannt. Gerade entsteht ein Kinofilm zur kultigen Büroserie, mit dem "Personal" von einst. Doch "Stromberg"-Autor Ralf Husmann hat Oliver Wnuk auch noch eine neue Rolle auf den Leib geschrieben: die des Patchwork-Vaters Markus in der ZDF-Komödie "Die Bachmanns" (Montag, 28. April, 20.15 Uhr, in der Mediathek bereits ab Samstag 19. April). Im Interview mit Wnuk wird schnell klar: Der Schauspieler, den viele auch als tollpatschigen Kommissar Feldmann in "Nord Nord Mord" kennen, ist ein sehr nachdenklicher Mensch. Und er ist unglaublich produktiv. Was immer ihn beschäftigt, scheint der 49-Jährige schreibend zu verarbeiten: Wnuk verfasst Romane, Theaterstücke, Filme, Kinderbücher, Kolumnen, Hörspiele ... Und dann gibt es da noch eine persönliche "Werteliste", wie er verrät.
teleschau: Herr Wnuk, in der TV-Komödie "Die Bachmanns" hat Ihnen Ralf Husmann den schönen Satz in den Mund gelegt: "An Beziehungen muss man arbeiten - und wie oft hat man schon Spaß an der Arbeit?" - Könnte das auch von Ihnen stammen?
Oliver Wnuk: Der zweite Teil nicht. An Beziehungen muss man arbeiten, das stimmt. Aber das kann sehr wohl Spaß machen. Und es ist unerlässlich. Denn sonst gehen Beziehungen nun mal den Bach runter. So wie bei den Bachmanns.
"Für mich persönlich finde ich, dass eine Patchwork-Familie viel mehr Vorteile als Nachteile hat"
teleschau: Noch ein schöner Satz aus dem Film: "Es gibt einen Grund, warum es Patchwork heißt - und nicht Patch-Fun." Sie haben selbst zwei Kinder aus zwei Beziehungen. Stimmen Sie zu?
Wnuk: "Patch Fun" - nein, das kann ich jetzt auch nicht sagen (lacht). Aber für mich persönlich finde ich, dass eine Patchwork-Familie viel mehr Vorteile als Nachteile hat.
teleschau: Inwiefern?
Wnuk: Im Idealfall haben die Erwachsenen ihr Ego im Griff und wissen, dass es nicht um ihre Bedürfnisse geht, sondern um die Bedürfnisse des Kindes. Die Voraussetzung ist, dass man es schafft, eine Beziehung zu wandeln, zu sagen: "Lass uns diesen Weg zusammen weitergehen - nicht nur im Sinne unserer Kinder, sondern auch für uns. In einer anderen Beziehungsform." Das ist ein großartiges Ziel, finde ich. Die Frage ist immer: Wie sehr bin ich mir meiner Selbst bewusst in dieser Situation? Wenn es gut läuft, wächst das Kind mit drei oder vier Eltern auf, beziehungsweise mit zwei Eltern und den jeweiligen Partnern, vielleicht noch mit Kindern aus anderen Familien. Plötzlich hast du mehrere Menschen, die du als Ansprechpartner in schwierigen Situationen hast. Das ist was Wunderbares. Und es macht den Blumenstrauß nur vielfältiger.
"Wenn ich 'Liebe durch Leistung' sage, wird es bei einigen klingeln"
teleschau: Das Thema Eltern beschäftigt Sie nicht nur im Film, sondern auch in Ihren Büchern und Kolumnen. Sie haben polnische und spanische Wurzeln. Wie haben Ihre Eltern sich gefunden?
Wnuk: Mein Vater ist Konstanzer, seine Ahnen waren russisch-polnisch. Meine Mutter immigrierte aus Francos Spanien nach Frankreich. Dort hatte sie die Möglichkeit, als Soldatin entweder nach Französisch Polynesien zu gehen oder ins etwas nähere Konstanz. Sie hat sich für Konstanz entschieden. Dort lernte sie meinen Vater kennen.
teleschau: Eine Figur mit Mädchennamen Ihrer Mutter taucht in einem Ihrer Kinderbücher auf. Über Ihren Vater haben Sie ein Theaterstück geschrieben ...
Wnuk: Es geht mir allgemein um das Thema Vater sein: Was bedeutet das? Was bedeutet es, Sohn zu sein? Was ist der Unterschied? Darüber habe ich drei Filme und einen Roman geschrieben. Die Frage, wie man die Kinder meiner Generation, Mitte der 70er-Jahre, erzog, welche Glaubenssätze, man ihnen mitgegeben hat: all das beschäftigt mich sehr. Wenn ich zum Beispiel "Liebe durch Leistung" sage, wird es bei einigen klingeln.
"Als Kind wollte ich Papst werden"
teleschau: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?
Wnuk: Als Kind wollte ich Papst werden. Oder Pfarrer, wie mein Onkel. Davon erzähle ich oft an meinem Abend "Wnuk denkt laut und liest was vor". Ich habe meinen Onkel oft beobachtet und fand es faszinierend, dass ihm die Leute zuhörten. Ich lernte dann relativ früh, welche meine Werkzeuge sind, um gut anzukommen, um Freunde zu gewinnen. Mir war klar, dass das nicht meine Körpergröße, meine Sportlichkeit oder mein Aussehen sind. Sondern dass es eher der Humor ist. Also habe ich sehr viel Anlass gegeben, dass die Leute über mich lachen.
teleschau: Sind Sie deshalb Schauspieler geworden?
Wnuk: Der Grund, warum ich Schauspieler geworden bin, ist sicherlich, dass ich damit etwas gefunden habe, womit man begeistern kann. Nicht so sein zu wollen wie jeder: Das war vielleicht etwas, das aus einem kindlichen Minderwertigkeitskomplex herauskam. Offenbar hatte ich damals einen gewissen Mangel. Das ist heute nicht mehr so. Aber ich denke schon, dass Schauspieler zu werden, immer etwas damit zu tun hat, dass man gerne auf einer Bühne steht, im Mittelpunkt. Wenn jemand sagt: "Ich mache diesen Beruf, um Geschichten zu erzählen", habe ich immer Zweifel. Schauspielerei ist wunderbar. Aber sie hat auch immer etwas mit gehört werden, gesehen werden wollen zu tun.
"Mir wird wahnsinnig schnell langweilig"
teleschau: Was bei Ihnen bestens funktioniert hat: Die Krimireihe "Nord Nord Mord", in der Sie seit 15 Jahren Kommissar Feldmann spielen, hat hervorragende Einschaltquoten. Oft schalten an die zehn Millionen Zuschauer ein. Ursprünglich war die Rolle nicht so humorvoll gedacht. Wie kam es, dass Sie die Figur mitgestalten?
Wnuk: Damals kam ich von "Stromberg" und fand dieses "Wo waren Sie gestern Abend?" irgendwie öde. Überhaupt wird mir wahnsinnig schnell langweilig. Und dann schaue ich eben, was so rumliegt: Wo kann man was noch besser, lustiger, leichter machen? Im Gegensatz zu meinem Leben kann ich im Beruf extrem gut auf meine Intuition und meine Impulse vertrauen.
teleschau: Können Sie sich vorstellen, das noch mal 15 Jahre zu machen?
Wnuk: Ich mag die Reihe sehr. Aber man kann ja nicht absehen, ob es in 15 Jahren noch lineares Fernsehen geben wird. Ich entscheide von Jahr zu Jahr, wie ich mein Leben gestalte.
"Wir haben unsere Streitkultur verloren"
teleschau: Welche Werte sind Ihnen dabei wichtig?
Wnuk: Ich habe eine persönliche Werteliste, die ich regelmäßig überprüfe und an der ich arbeite. Ich frage mich: Was macht mich aus? Was repräsentiere ich? Das ist eine andere Werteliste als die, von der ich sage, dass sie gerade für uns als Gesellschaft heute sehr wichtig ist.
teleschau: Was brauchen wir als Gesellschaft am nötigsten?
Wnuk: Was mir immer mehr auffällt: Wir haben unsere Streitkultur verloren. Wir leben in einer reinen Zank-Kultur. Oft geht es nicht mehr darum, was ich sage, und wie ich wirklich verstanden werden will. Es geht auch nicht mehr darum, zu sagen: "Ich habe die Meinung, du hast die Meinung - politisch, menschlich, wie auch immer. Lass uns was zusammen trinken, und wir gehen als Freunde auseinander. Im besten Fall haben wir was voneinander gelernt." Heute geht es oft nur darum, seinen Standpunkt zu verteidigen. Das alles hat immer mit Liebe und Angst zu tun. Um es pathetischer auszudrücken: Ich kann mich immer für Liebe oder für Angst entscheiden. Im Moment wird sich - verständlicherweise - extrem viel für die Angst entschieden. Ich wünsche mir, dass wir unser Ego in den Griff bekommen. Ich wünsche mir, dass wir einander wieder zuhören.