"2016. Die Europameisterschaft. Das Buch." - Tortur de France

Der Bundesligastart naht, die EM ist längst Geschichte. Doch wird das europäische Kontinentalturnier nachhaltig in Erinnerung bleiben? Zumal es keine rauschende Party war. Niveautechnisch oft eher Tortur als Freude. Wie auch das neueste Buch-Werk der SZ-Redaktion zeigt, das dennoch schöne Seiten präsentiert, in Wort und Bild.
Vor zwei Jahren passte einfach alles: Ein WM-Turnier in Brasilien. Sonne, Strand, Party. Die historische Demütigung für Brasilien im Halbfinale durch die DFB-Elf. Das Titel-Tor durch "Du-bist-besser-als Messi"-Götze - eine Steilvorlage, die das Team der Süddeutschen Zeitung dankbar aufnahm und, um im Bild zu bleiben, in den Winkel setzte. Ein Buch, das allen anderen WM-Rückblicks-Publikationen überlegen war.
Nun mag nicht alles Gold gewesen sein, was in Brasilien glänzte. Doch das Niveau war unbestritten höher als bei der EM 2016, zumindest die Wahrnehmung dessen. Die Matches in Frankreich sorgten nicht unbedingt für Begeisterungsstürme bei Fans und Experten.
Die Letzten werden die Ersten sein
Das zeigt "2016. Die Europameisterschaft. Das Buch.", das SZ-Werk zur Fußball-Europameisterschaft 2016 bei unseren Nachbarn aus Frankreich. Wieder hat sich die "Süddeutsche Zeitung" ein bisschen mehr Zeit gelassen als die Konkurrenten, abermals hat es sich gelohnt.
So erfährt der Leser Interessantes über die Einwürfe des Isländers Gunnarson, Russlands komplettes Versagen, - was schön an einer kleinen Begebenheit um die Kapitänsbinde illustriert wird -, das Märchen der Waliser, die gnadenlose Abwehr der Italiener und und und. Natürlich darf auch Will Gregg nicht fehlen oder ein Stück über Albanien.
Was gibt es zu kritisieren? Ein paar Bilder hätten sich die Macher sparen sollen, denn wenn diese von der Pixelqualität nicht ausreichend sind, haben sie in einem Werk, das auch von seinen Bildern lebt, nichts zu suchen. Manchmal wurde ein wenig geschludert, beispielsweise aus nordirischen Fans irische gemacht. Zudem wären noch ein paar Themen zu besetzen gewesen: Dass Frankreich keine wirkliche Fußballnation ist, Hintergrundgeschichten zu den Fans, die Witzpreise der Tickets - so war das Finale offiziell ausverkauft, doch vor dem Endspiel gab es schließlich noch Karten auf dem Schwarzmarkt für weit unter 100 Euro.
Schön dagegen, dass klar angesprochen wird, dass Zuschauer in Stadien und vor dem TV keinen wirklich schönen Fußball sahen, es keine bahnbrechenden taktischen Neuerungen gab. Gut auch die Idee, das kollektive Versagen der Elfer-Schützen beider Teams beim Spiel Deutschland gegen Italien in Bildern darzustellen - mit doch sehr passenden Ausdrücken wie "grotesk" oder "infam mickrig".
Xavi: Viel geredet, nichts gesagt
Ein Interview mit dem ehemaligen spanischen Nationalspieler Xavi zeigt, dass Gespräche mit einem Weltklassespieler nicht zwangsläufig auch interessant sein müssen. Denn man liest darin Plattitüden wie: "Der Fußball ist der einzige Sport, bei dem du gewinnen kannst, obwohl du schlecht spielst." Oder Lobeshymnen auf seine ehemaligen Trainer. Oder verquaste Erklärungen dazu, warum sein Spanien bei der WM 2014 ausgeschieden ist.
Fazit: Wer auf Geschichten hinter den Geschichten aus ist, und diese gerne mit schönen Bildern garniert bekommt, dazu auch in einer Sport-Publikation sprachlich begeistert werden und sich nicht durch einen stumpfen, reinen Berichterstattungsduktus quälen lassen will, wird seine Freude haben mit dem SZ-Werk. Wenn er das prächtige Werk denn stemmen kann. Denn für den Strand oder den Weg zur Arbeit ist dieser Brocken nichts. Also besser an einem verregneten Sommertag Zeit nehmen und genießen.
Bestellt werden kann das Buch zum Normalpreis für 24,90 Euro im SZ Shop; SZ-Abonnenten bekommen es verbilligt für 19,90 Euro.