Clueso: "Jedes Album ist eine spirituelle Reise"

Eigene Wohnung, neue Band: Clueso hat sein Leben umgekrempelt. Wie ihm dieser "Neuanfang" gelungen ist, erzählt er auf seinem neuen Album und im Interview.
Wer eine Trennung hinter sich hat, steht häufig vor einem kompletten Neuanfang. Auch Clueso war an diesem Punkt: Er hat sich von seiner alten Band und seiner WG in Erfurt verabschiedet und einen neuen Schritt gewagt. Verarbeitet hat er seine Erfahrungen und Gefühle in einem Album. Es heißt "Neuanfang". Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht der 36-Jährige über Selbstfindung und seine erste große Liebe, zu der er in schwierigen Zeiten immer wieder zurückkehren kann.
Sie haben Ihr neues Album "Neuanfang" genannt. Gab es einen solchen nur musikalisch oder auch privat?
Clueso: Da die Musik einen sehr großen Teil meines Lebens einnimmt und ich viele Freundschaften in diesem Umfeld habe, ist das schwer zu trennen. Für mich ist es beides.
Wie zeigt sich dieser Einfluss der Musik auf Ihr Privatleben?
Clueso: Ich habe keinen Nine-to-Five-Job, bei dem ich jeden Tag ins Büro gehe und Arbeitskollegen habe, stattdessen bin ich die ganze Zeit mit meinen Freunden unterwegs. Es zieht sich einfach sehr ins Private, wenn man 15 Jahre lang mit der gleichen Band zusammenarbeitet. Ich habe hinterfragt, was es bedeutet, so viel Verantwortung zu haben und die Zukunft für so viele Leute zu kreieren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, nicht mehr so in der Verantwortung stehen zu wollen und es einfach mal alleine zu probieren. Außerdem bin ich aus meiner Wohngemeinschaft ausgezogen. Ich habe mich neu aufgestellt.
Und das hat zum Albumtitel geführt?
Clueso: Jedes Album ist eine spirituelle Reise. Mein Album habe ich "Neuanfang" genannt, weil es diesen Teilabschnitt meines Lebens am besten dokumentiert.
Ist es also das Album, das bisher am meisten von Clueso preisgibt?
Clueso: Man hat immer einen Interessenkonflikt, wenn man am Blatt sitzt. Man will sich selbst nicht zitieren und man versucht etwas Neues zu gestalten. All das war bei "Neuanfang" für mich gar keine Frage, denn ich hatte so viel zu erzählen, dass ich fast geplatzt bin. Eigentlich wollte ich das alles nur für mich selbst erzählen. Und nach zehn Songs habe ich mein Blatt und meinen Stift hingelegt und gesagt: "Das ist es, was ich sagen wollte. Jetzt hab ich's." Deswegen würde ich sagen, dass es eines der privatesten Alben ist.
Ist es auch eine Aufforderung an alle, die einen Neuanfang wagen wollen, sich bisher aber nicht trauen?
Clueso: Ich finde, dass die Leute sich selbst raussuchen müssen, welche Botschaft sie hören wollen. Ich habe natürlich eine Kernbotschaft, aber ich möchte sehr ungern den Antrieb mit dem Album mitliefern. Ich bin der Meinung, dass der Mensch sehr gerne betont, was er verliert, anstatt herauszufinden, was er gewinnen kann, wenn er Sachen aufgibt, die er sehr lieb hat.
Um nochmal auf Ihren Umzug zurückzukommen: Wie sieht Ihre neue Wohnsituation aus?
Clueso: Ich habe eine wundervolle Wohnung und renne da voller Freude durch die Räume, weil ich die Zimmer mit Bedacht und sehr platzsparend eingerichtet habe. Ich stehe auf Platz und Holz und Raum. Es sieht eher wie eine Ferienwohnung und weniger nach Ikea-Katalog aus. Ich liebe es, nach Hause zu kommen.
Was haben Sie durch den Neuanfang gewonnen?
Clueso: Eine ganz andere Beziehung zu mir selbst. Ich kann besser Nein sagen und ich kann ein Nein besser akzeptieren. Die meisten Menschen fahren einfach ein bisschen anders, wenn jemand hinten drin sitzt und ich kann jetzt auch mal ein bisschen in die Kurve gehen.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihr bisheriger Erfolg Sie lähmt?
Clueso: An bestimmten Stellen. Das lag aber eher daran, dass ich keine Antwort auf bestimmte Fragen hatte. Erfolg ist ein großes, helles, stolzes Tier, das aber auch mal ausbrechen kann. Und das nimmt viel Kraft in Kauf, die man manchmal nicht einkalkuliert, weil man es vergisst. Es gab Situationen, da war ich ein bisschen erfolgsmüde. Deswegen bin ich mit der neuen Band auch erst in die kleineren Clubs gegangen, um sie nicht sofort dem Endgegner vorzusetzen. Für mich ist es ja kein gänzlicher Neuanfang, noch habe ich ja eine Fan-Welt (lacht).
Meiner Meinung nach wird Ihnen die Fan-Welt auch erhalten bleiben, denn trotz "Neuanfang" klingt es doch immer noch nach Clueso...
Clueso: Ich bin auf der Suche nicht verloren gegangen. Es ist eins der wenigen Alben, auf dem nicht alles perfekt ist und Dinge auch mal unerklärt bleiben.
Hat dieses Bedürfnis nach Selbstfindung etwas mit dem Älterwerden zu tun?
Meiner Meinung nach hat auch jeder junge Mensch das Bedürfnis, sich selbst zu finden. Nur ist es so, dass man, wenn man älter wird, die Sterblichkeit akzeptiert und weiß, dass man für die Selbstfindung jetzt nicht Ewigkeiten Zeit hat. Wenn man da vorankommen will, muss man ab und zu auch mal ein paar Sprünge machen.
In einem der neuen Songs mit dem Titel "Wenn du sie liebst" beschäftigen Sie sich mit dem Zerbrechen einer Liebesbeziehung. Wie gehen Sie mit Liebeskummer um?
Clueso: Ich habe zum Glück meine erste große Liebe in der Musik gefunden, zu der ich zurückrennen kann, wenn es brennt. Da darf ich klingeln und sie lässt mich immer rein.
Eine Zeile lautet "Wenn du sie liebst, dann lass sie gehen". Sind Sie nicht der Meinung, dass man um die große Liebe kämpfen sollte?
Clueso: Doch, aber das geht nicht mit dem Schwert. Das geht nur mit Verständnis. Darum singe ich am Ende auch "Ich will noch nicht gehen". Natürlich muss man umeinander kämpfen, aber man muss auch bereit sein, jemanden loszulassen. Das klingt total bescheuert, aber so ist es.