Den Finger in der Wunde: Die fünf besten Bücher von Ralph Giordano

Seit seinem Tod am Mittwochmorgen sind die Zeitungen voll des Lobes für den verstorbenen Schriftsteller und Publizisten Ralph Giordano - aber das war nicht immer so. Mit seiner scharfsichtigen, geradlinigen Art hat sich der Holocaust-Überlebende unter den Ewiggestrigen keine Freunde gemacht. Die fünf besten Zeugnisse seiner Wortgewalt haben wir Ihnen ausgesucht:
Er war ein streitbarer Geist und als Holocaust-Überlebender zeitlebens ein mahnender Zeuge von Deutschlands dunkelstem Kapitel: Der vielfach ausgezeichnete Journalist, Publizist, Schriftsteller und Regisseur Ralph Giordano (1923-2014) hat seinen messerscharfen Intellekt und seine Wortgewalt genutzt, um den Deutschen ihre Vergangenheit immer wieder deutlich vor Augen zu führen - und die eigene Entwicklung kritisch zu betrachten. Sein Tod hinterlässt einen leeren Platz in der Denker-Elite dieses Landes. Aber mit seinem umfangreichen literarischen Werk hat Giordano sich unsterblich gemacht. Das Beste daraus finden Sie hier vorgestellt:
Nachdem britische Soldaten den 22-jährigen Giordano und seine ausgehungerte Familie 1945 aus ihrem Kellerversteck in Hamburg befreiten, hatte er schon seit etwa drei Jahren Notizen zu einem großen Werk in der Tasche: An dem Verfolgten-Roman "Die Bertinis" sollte er dann noch bis 1982 arbeiten. Mit den 800 Seiten der stark autobiographischen Familien-Saga wurde der Schriftsteller einer breiten Öffentlichkeit bekannt und 1988 wurde die Geschichte um eine jüdische Familie in der Zeit des Nationalsozialismus für das ZDF verfilmt .
Aber Giordano wäre nicht Giordano gewesen, hätte er sich mit der bloßen Betroffenheit der "Bertini"-Leser zufrieden gegeben. Stattdessen erinnerte er die Täter und deren Nachkommen an die irreversiblen Vergehen, für die sie die Verantwortung vor der Welt zu tragen haben: In "Die zweite Schuld oder Von der Last, Deutscher zu sein" setzt sich 1987 der von der Gestapo einst mehrfach verhaftete und gefolterte Giordano mit dem Fortleben des Nationalsozialismus und der Wiedereingliederung seiner Schergen in der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Nach der Veröffentlichung erreichten ihn rund 1200 Leserbriefe - darunter auch zahlreiche Morddrohungen.
Es folgten Jahre, in denen er sich für die Umbenennung von Bundeswehr-Kasernen einsetzte, die noch in den Neunzigern nach Wehrmachts-Generälen benannt waren und sich mit Büchern wie "Die Traditionslüge" über den unverbesserlichen deutschen "Kriegerkult" mächtige Feinde machte. Zwei seiner drei Frauen hat er an den Krebs verloren und er selbst ist am Morgen des 10. Dezember an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs verstorben. Aber nicht ohne vorher zwei Rückblicke auf dieses 91-jährige, schicksalsschwerere Leben zu werfen: 2007 erschien mit "Die Erinnerungen eines Davongekommenen" seine Autobiographie und 2012 versammelte er in seinem letzten Buch "Von der Leistung, kein Zyniker geworden zu sein" seine Reden und Schriften über Deutschland von 1999 bis 2011.