Domian über seine Bulimie: "Das war kein Kampf, das war Krieg"

Seit 20 Jahren lauscht Jürgen Domian in seiner Telefon-Talk-Sendung den Problemen anderer. Dabei hat auch er es in seinem Leben nicht immer leicht gehabt. Als Schüler wurde er gedemütigt, später litt er an Bulimie, weil er seinen Glauben verlor und um seine sexuelle Orientierung kämpfte.
Im März gab Jürgen Domian (57) bekannt, dass er 2016 mit seinem Kult-Talk "Domian" Schluss macht. Dieses Jahr feiert er mit seiner Anruf-Sendung 20-jähriges Jubiläum. In einem ausführlichen Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" hat der Moderator nun über persönliche Kränkungen während der Schulzeit, seine Bulimie, seine Bisexualität und den Verlust des Glaubens gesprochen.
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Domian über seinen Glauben
In seiner Jugend war Domian ein "fanatischer Christ. Mein ganzes Leben war bestimmt vom Glauben", erzählt er. "Ich war besessen von der Richtigkeit meines Glaubens und wollte, dass alle Menschen die Welt so sehen wie ich." Während seines Konfirmandenunterrichts überzeugte ihn damals ein charismatischer Pastor von den Ansichten der Kirche.
Sein Fanatismus hielt bis zu seinem 20. Lebensjahr. "Ich wollte Theologie studieren, aber kurz vorher brach alles zusammen. Im Philosophieunterricht im Gymnasium hatte ich mitbekommen, dass die größten Kritiker des Christentums Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche sind. Ich dachte, du musst deine Gegner kennen, also lies die beiden." Doch umso genauer Domian die Werke "Das Wesen des Christentums" und der "Antichrist" studierte, "desto mehr Risse bekam das Fundament meines Glaubens", erinnert sich der gebürtige Gummersbacher. "Gott war weg", sein Glaube verloren.
Domian über seine Schulzeit
Im Gespräch mit der Zeitung gibt er zu, dass er "ein schlechter Schüler" war, "der sich im Unterricht verängstigt zurückhielt". Zunächst besuchte Domian die Hauptschule, in der er äußerst negative Erfahrung.n erleben musste. "Ich wurde vom ersten Schuljahr an wie das Letzte behandelt", sagt er und erklärt, dass sein Lehrer "das pädagogische Talent einer Bratwurst" besaß. "Er verteilte Kopfnüsse und demütigte die Schwachen", so Domian.
An eine weitere demütigende Episode aus seiner Schulzeit kann er sich nur zu gut erinnern: "Als ich bei einer Erdkundefrage versagte, schrie ein anderer Lehrer, ob ich denn nur Hasenscheiße im Kopf hätte. Dann ging er genüsslich durch die Klasse und sagte: 'Der Jürgen kann noch nicht mal einen Putzlappen richtig auswringen. Wir sollten ihn Doofian nennen.'"
Domian über seine Bulimie./p>
Lediglich eine Freundin habe von seiner "Kotzerei" gewusst. "Gut zwei Jahre" ging das so. "Dann las ich im Spiegel einen Bericht über eine Krankheit namens Bulimie. Und der Zufall oder das Schicksal wollte es, dass in dem Bericht eine Selbsthilfegruppe erwähnt wurde, die sich bei mir in der Nähe traf." Nach langem Ringen habe er sich "dann entschieden, da gehst du mal hin". Zugegangen sei es dort "wie bei den Anonymen Alkoholikern", erinnert sich der Radio-Talker. "Es war wirklich das geballte Elend, mit dem ich da zusammensaß - und genau das hat meine Selbsterhaltungskräfte geweckt. Ich dachte, nee, zu denen willst du nicht gehören!"
Deshalb ging er schlussendlich auch nur ein einziges Mal zu diesem Treffen. "Hinterher habe ich gesagt, jetzt kämpfst du, jetzt ringst du mit dir selbst bis zum endgültigen Sieg. Das war kein Kampf, das war ein Krieg", findet Domian drastische Worte über seinen harten Widerstand gegen die Bulimie. "Ich zwang mich zur Selbstzucht und kaufte im Supermarkt nur noch die Mengen ein, die ein gesunder Mensch essen würde. Um nachts keinen Fressflash zu kriegen, schloss ich abends die Küchentür ab und brachte den Schlüssel in den Keller." Ein Erfolg sei es für ihn gewesen, wenn er "es zwei oder drei Tage geschafft hatte, nicht zu kotzen". "Es dauerte ein Jahr, bis ich es geschafft hatte", erinnert sich Domian zurück.
Domian über seine Bisexualität
"Bis Anfang 20 habe ich völlig normal als heterosexueller Mann gelebt", erklärt der Moderator. Seinen ersten Sex hatte er damals mit 16 mit einem Mädchen. Doch irgendwann musste er sich eingestehen, "dass ich meinen damals besten Freund genauso mochte wie meine damalige Freundin". Plötzlich stellte er sich Fragen: "Was bedeutet das? Willst du ihn mal umarmen? Ja, klar. An Sexualität habe ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gedacht", so Domian in der "SZ". "Es war der Wunsch, einen Hauch Zärtlichkeit und Erotik mit ihm zu teilen. Das brachte meine Identität natürlich gehörig ins Wanken. Das Schöne war dann, dass ich mein Coming-out mit genau diesem besten Freund hatte."
Dem ging es nämlich ähnlich. "Das war großes Glück, denn so musste ich nicht in irgendwelche schmuddeligen Schwulenkneipen gehen." Über sich selbst sagt Domian, dass er bisexuell sei. Damit habe er sich "über viele Jahre keine Freunde in der Schwulenszene gemacht". Ihm sei "dann immer unterstellt" worden, "ich wäre zu feige, mich zu meinem Schwulsein zu bekennen. Was für ein Schwachsinn!", resümiert der 57-Jährige. "Um meine Ruhe zu haben", griff Domian lange Zeit in die Trickkiste und behauptete: "Ja, Leute, ich bin schwul." Seine Ausrichtung sei aber "klar bisexuell".
Seit einigen Jahren lebt Domian als Single. "Je älter man wird, desto schwieriger ist es, eine Liebe zu finden", so seine Erfahrung. "Ich möchte keine Kompromisse und Konzessionen machen. Dann verzichte ich lieber, denn ich kann wirklich gut allein leben." Seine längste Beziehung dauerte übrigens 13 Jahre. "Das war ein Mann", sagt Domian. "Vor elf Jahren haben wir uns getrennt."