Günter Grass: Sein Lebensstil, seine Frauen, sein Geld

Günter Grass war nicht nur wegen seiner Bücher in der Literaturszene beliebt: Die Schriftstellerkollegen ließen sich gerne von ihm bekochen. Und auch bei der Damenwelt kam Grass gut an.
Der verstorbene Schriftsteller Günter Grass (1927-2015) war ein wortgewaltiger Mann, der den Streit ebenso schätzte wie die Sinnesfreuden. Und er hatte viele Gesichter. Als ihn sein Freund und Kollege Uwe Johnson (1934-1984) Anfang der 1960er-Jahre in Berlin vom Flughafen abholte, traf er auf einen Grass "der manchmal aussieht wie ein brasilianischer Kaffeegroßhändler, manchmal wie ein spanischer Viehhändler, manchmal wie ein Zigeuner aus der Kaschubei".
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Zweimal verheirateter Womanizer
Diese Exotik, gepaart mit blitzschnellen und überraschenden geistigen Reflexen, kam vor allem bei Frauen an. Der Schriftsteller Günter Grass war nicht nur ein Jahrhundertautor, sondern auch ein Womanizer. Der gelernte Steinmetz und Bildhauer, der seinen Lebensunterhalt während des Studiums an der Kunstakademie zeitweise auch als Türsteher in der Düsseldorfer Altstadt verdiente, hat sechs leibliche Kinder von drei Frauen. Zweimal war er verheiratet.
Von 1956 bis 1960 lebte er mit der Schweizer Balletttänzerin Anna Schwarz, die er 1954 geheiratet hatte, in Paris. In dieser Zeit entstand sein großer Roman "Die Blechtrommel" . Später erzählte Grass in verschiedenen TV-Interviews, dass diese Zeit nicht von finanziellen Nöten geprägt war, sondern von der ständigen Angst vor einer Schwangerschaft. Dennoch wurden in Paris die Zwillingssöhne Raoul und Franz geboren.
Landhaus in Berlin nach "Blechtrommel"-Erfolg
1960 zog die Grass-Familie nach dem überwältigenden Erfolg der "Blechtrommel" nach Berlin. Im Ortsteil Friedenau kaufte er ein "kleines, romantisches" Landhaus und verblüffte seinen Freund Johnson sowie den Makler "mit der Ankündigung, er sei interessiert, dafür Sechzigtausend auf den Tisch zu legen", wie Johnson später berichtete.
Grass kannte Berlin. Er hatte zuvor in der Karlsbader Straße 16 in Schmargendorf eine Viereinhalb-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock samt Atelier unterm Dach bewohnt und in den 1950er-Jahren für das Berlin.r Handelsunternehmen Bolle als Reklamemann gearbeitet. "Neben der Jubiläumsschrift entstanden weitere unveröffentlichte Entwürfe und ein hübscher Werbefilm, der 1958 in den Kinos lief - mit Kängurus als Vorreiter der noch neuen Selbstbedienung: Einfach alles in den Beutel!", schreibt der "Tagesspiegel".
Gastgeber der Bohème
Das Haus in Friedenau wurde schnell zum Treffpunkt der Berlin.r Bohème, die Grass mit großer Leidenschaft bekochte. Der Gourmet Grass erzählte selbst: "Wenn wir am Sonnabend auf unseren Friedenauer Wochenmarkt gehen, dann kaufen wir Dill und Gurken, Havelaal und Heilbutt, Birnen und Pfifferlinge, Hasenläufe und Vierländer Mastenten, wo wir wollen und lustig sind." In Friedenau war man zugleich engagierter Schriftsteller, Bohemien und Nachbar. Max Frisch (1911-1991) etwa gestand, wegen Grass und Co. nach Friedenau gezogen zu sein. Dort ging es denn auch gleich auf den Wochenmarkt am Breslauer Platz: "... eingeführt durch Günter Grass; Fischkunde."
An diesen Hang zum Bacchantischen konnte sich der Literkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) erinnern, der später zu einem erbitterten Gegner von Günter Grass werden sollte. Ihre erste Begegnung in Warschau schilderte Reich-Ranicki in seinen Memoiren. Grass habe "nicht wie ein Schriftsteller aus dem Wirtschaftswunderland ausgesehen, sondern wie ein ehemaliger bulgarischer Partisan". Er sei "nachlässig gekleidet und auch nicht rasiert" und keineswegs nüchtern gewesen: "Er hatte, was er mir freilich erst zwei Stunden später sagte, zum einsamen Mittagessen eine ganze Flasche Wodka getrunken."
Mit der neuen Liebe nach Schleswig-Holstein./p>
In seinem autobiografischen Roman "Die Box" ließ er seine sechs leiblichen Kinder und die Söhne von Ute Grunert als "seine acht Kinder" auftreten. Nach einem gemeinsamen Intermezzo in Indien, meist in Kalkutta (1986/1987) zog das Paar in ein Haus in Behlendorf im Kreis Herzogtum Lauenburg, etwa 25 Kilometer südlich von Lübeck. Dort lebte Günter Grass bis zu seinem Tod.
Das Erbe von Günter Grass
Wie vermögend war der Schriftsteller? Die Grass-Werke haben sich blendend verkauft. Experten schätzen die Gesamtauflage auf über zehn Millionen. Hinzu kommt, dass Grass ein erstklassiger Bildhauer war, der mehrere öffentliche Aufträge wahrgenommen hatte. Das Vermögen des Dichters dürfte weit über eine Million Euro betragen, zumal der Literaturnobelpreis, der ihm 1999 verliehen wurde, mit der Zahlung von 1,8 Millionen Mark verbunden war. Überdies dürfte sein letztes Werk "Vonne Endlichkait" posthum einen wahren Tantiemenregen auslösen. Das alles dürfte an seine Kinder, die letzte Ehefrau und an etliche Grass-Stiftungen fallen.
Vor einem dreiviertel Jahr gab er der Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum" ein Interview zum Thema "Was bleibt?". Darin sagte Günter Grass: "Meine Frau und ich haben zusammen acht Kinder und mittlerweile 18 Enkelkinder, bald werde ich Urgroßvater. Die Gefahr ist heute, so beobachte ich es, dass die Kinder zugedeckt sind mit einer Überfürsorge. Die Eltern sind sehr bedacht, die Kinder haben überhaupt keine Chance mehr sich zu verlaufen. Ich hatte nicht vor, meinen Kindern übermäßig viel zu vererben. Ich wollte sie nicht unglücklich machen mit nicht-verdientem Geld. So habe ich eine Reihe von Stiftungen errichtet, die auch mit meiner Tätigkeit zu tun haben. Zum Beispiel fördern wir junge Literaten, polnische Grafiker und Menschen, die sich um das Volk der Sinti und Roma - die größte misshandelte Minderheit in Europa - verdient gemacht haben."