"Schrecklich": Jan Böhmermann spricht über Erdogan-Nachwirkungen

Erst hatte er eine kleine diplomatische Krise ausgelöst - dann fühlte er sich "erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe". Jan Böhmermann hat mit der Erdogan-Affäre Deutschland in Atem gehalten. Jetzt erzählt er, wie er diese Tage erlebt hat.
Als Jan Böhmermann (35, "Alles, alles über Deutschland") Ende März vor laufenden TV-Kameras seine "Schmähkritik" am türkischen Präsidenten Recep Erdogan verlas, war eigentlich klar: das wird Ärger geben. Das Ausmaß der Verstrickungen überraschte dann aber doch. Diplomaten in Aufruhr, Kritik aus dem Munde der Kanzlerin, Polizeischutz vor Böhmermanns Tür. Nun hat der ZDFneo-Satiriker erstaunlich offen auf seine schwere Zeit in dieser Phase zurückgeblickt.
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In einem Youtube-Interview mit dem "hiphop.de"-Journalisten Rooz Lee ließ Böhmermann durchblicken, vor allem die Auswirkungen des Skandals auf sein Privatleben und seine Familie hätten ihn erschüttert. "Was schrecklich ist, ist, wenn das das Privatleben bedrückt. Wenn du nicht mehr das Gefühl hast, dass du die Sachen überblicken kannst." Aus Selbstschutz habe er sich "in einen abgesicherten Modus gefahren wie so ein Windows-Computer".
"Das erlaubt mir die Verfassung unseres Landes"
Es habe auch Drohungen gegeben, bestätigte Böhmermann in dem Gespräch indirekt. "Die Leute die einen dann bedrohen, oder wo's dann gefährlich wird, das sind genau solche Asis, wie das deutsche Nazis sind." Allerdings sei die Menge an unangenehmen Äußerungen nicht größer gewesen, als nach Witzen über die AfD. Insgesamt sei die Affäre für ihn eine neue Dimension gewesen: Ein Rechtsstreit sei für ihn okay. "Aber wenn auf einmal dein eigenes Land anfängt, 'ah, was ist da passiert, wir müssen intervenieren' und wenn sich die Bundeskanzlerin mit dir beschäftigt - das fühlt sich schon anders an, als alles andere, was man sonst erlebt hat."
Trotzdem will Böhmermann offenbar weiterhin die Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit ausreizen. "Ich darf mich auf die Grenze der Meinungsfreiheit stellen", betonte er. "Dass ich hier stehe, erlaubt mir die Verfassung unseres Landes. Das erlaubt mir all das, wofür unser Land steht." Der Satiriker hält sich damit auch für einen wichtigen Indikator für die Meinungsfreiheit: Er fühle sich "wie ein Kanarienvogel in einer Kohlegrube. Niemand muss mich ernst nehmen, aber wenn der Sauerstoff knapp wird, bin ich der erste, der umfällt".