Tom Hiddleston: "Die Griechen hatten Götter, wir haben Superhelden"

"Crimson Peak" von Guillermo del Toro ist eine Hommage an die Geistergeschichten des 19. Jahrhunderts. Im Interview verrät Hauptdarsteller Tom Hiddleston, warum der Glaube an Gespenster unabdingbar ist, was ihm als Kind Angst machte und wie seine Chancen auf eine "James Bond"-Rolle stehen.
Schauspieler Tom Hiddleston wird spaßeshalber gerne als der netteste Mensch der Welt bezeichnet. Ein Ruf, dem er selbst während eines anstrengenden Pressetages eindrucksvoll gerecht wird. Dem freundlichen Händedruck folgt prompt die prophylaktische Entschuldigung, sollte er sich an eine frühere Begegnung nicht mehr erinnern können. Seine Rolle in Guillermo del Toros "Crimson Peak" muss für Hiddleston die willkommene Abwechslung zu seinem "Mister Nice Guy"-Image gewesen sein: Denn in dem düsteren Horror-Märchen, das im 19. Jahrhundert spielt, hat er mehr als nur eine Leiche im Keller. Die Nachrichtenagentur spot on news traf den charmanten Engländer und sprach mit ihm über seine Ängste, den nicht enden wollenden Hype um seine Figur Loki und seine Aussichten auf einen Part in einem "James Bond"-Film.
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"Crimson Peak" spricht eine Vielzahl unserer Ur-Ängste an. Womit konnte man dem kleinen Tom eine Heidenangst einjagen?
Tom Hiddleston: Ich hatte wohl relativ herkömmliche Ängste als Kind. Aber ich fürchtete mich immer davor, mich zu verirren. Ich weiß noch, wie ich mich bei einem Familienausflug in England im Wald verlief und den Weg zurück einfach nicht mehr finden konnte. Ich muss sechs oder sieben gewesen sein. Ich fühlte mich buchstäblich wie der Maulwurf in "Der Wind in den Weiden" - ich hatte meine Familie verloren, konnte sie nicht sehen, nicht hören, nicht finden. Ich glaube die meisten Kindheits-Ängste werden aus dem Unbekannten geboren. Wir fürchten uns vor dem, was wir nicht kennen.
Wie sieht es mit irrationalen Ängsten vor dem Übernatürlichen aus?
Hiddleston: Ich bin von der absoluten Notwenigkeit der Menschheit überzeugt, an Geister zu glauben. Es sind unzählige Aufnahmegeräte vor mir ausgebreitet, auf dem Mars gibt es offenbar Wasser, und alle Phänomene können von Experten rational erklärt werden. Nichtsdestotrotz brauchen wird das Unbekannte. Die Idee des Übernatürlichen war schon immer ein wichtiger Faktor in der Vorstellungskraft unserer Gesellschaft. Ich weiß, dass Geister nicht real sind, aber dennoch glaube ich an sie. Schließlich müssen wir doch irgendwie erklären können, wie uns die Vergangenheit, unsere Reue oder zerbrochenen Träume und Beziehungen verfolgen können. Geister sind Sinnbilder unverarbeiteten Schmerzes.
Ein Geschwisterpaar in einem einsamen Haus, das letztendlich zu ihrem Verhängnis wird: "Crimson Peak" erinnert sehr stark an "Der Untergang des Hauses Usher" von Edgar Allan Poe.
Hiddleston: Guillermo hat neben Filmen auch Bücher empfohlen. Gleich zu Beginn haben wir etwa über "Jane Eyre" gesprochen, der Novelle von Brontë, und auch über "Der Untergang des Hauses Usher". Er legte uns aber auch zwei Bücher ans Herz, die ich noch nicht kannte. Das erste war "Udolphos Geheimnisse" von Ann Radcliffe, das als das erste "Gothic Romance"-Buch gilt. Und "Das Schloss von Otranto" von Horace Walpole. Beide handeln von jungen Frauen, die sich zu einem Mann hingezogen fühlen, der mysteriös und charismatisch ist. Ich verstand schnell, was er mit den Archetypen vorhatte.
Inwiefern sehen Sie Ihren Charakter im Film als ein Opfer seiner Schwester an?
Hiddleston: Als Kind war er das sicherlich. Er war jemand, der sozusagen vor der Wahrheit beschützt wurde. Der eindringlichste Moment für mich im Film ist, als er sich dazu entschließt, sich gegen sie zu stellen und beginnt, einen eigenen Kopf zu haben. Was sich letztendlich als sein tragischster Moment herausstellt.
Das Theater oder der Hollywood-Film - was ist fordernder?
Hiddleston: Ich liebe beides ungemein und auf unterschiedliche Weise. Es ist schon etwas Einzigartiges an der Beziehung zwischen einem Schauspieler und dem Publikum live auf der Bühne. Für mich ist das die Quintessenz der Schauspielerei: Eine Verbindung mit den Zuschauern herzustellen, sie zu unterhalten, zu inspirieren, zu verzücken, zu bewegen und herauszufordern. Ich glaube an die Kraft des Geschichtenerzählens. Es existiert, um die Gesellschaft zu reflektieren - im Theater direkt auf der Bühne, beim Kino etwas später.
In "I Saw The Light" widmen Sie sich einem weiteren Talent, dem Gesang. Was reizte Sie an der Rolle als Hank Williams?
Hiddleston: Er hatte ein so unglaubliches und kurzes Leben im Rampenlicht. Er war einer der größten Songwriter Amerikas des 20. Jahrhunderts. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs änderte er die Weise, wie Menschen über Musik nachdachten. Er war der erste Rockstar und inspirierte Bob Dylan, Johnny Cash und Bruce Springsteen. Aber er wurde von vermeidbaren Dämonen heimgesucht - er war Alkoholiker. Zugleich war er auch ein Rebell und wahrhaftig, seine Songs kamen von Herzen. Der Film handelt vom Show-Business und davon, wie man sich als Künstler trotz großer Erfolge treu bleibt.
Überrascht sie manchmal die Inbrunst, mit der ihre Rolle als Loki von den Fans bedacht wird?
Hiddleston: Es gibt nichts anderes, was mich fortwährend derart verwundert. Es war eine wunderbare Erfahrung, für die ich am Ende des Tages einfach nur dankbar bin. Es ist ausgesprochen selten für einen Schauspieler, eine Rolle verkörpern zu dürfen, welche die Vorstellungskraft der Menschen derart einzufangen vermag. Ich habe es enorm genossen.
Warum sind Comic-Bücher und -Verfilmungen aktuell so beliebt?
Hiddleston: Das hängt, glaube ich, mit Eskapismus zusammen, was ich aber als nichts Schlechtes ansehe. Wir haben immer schon Wege gefunden um herauszufinden, wer wir sind, indem wir imaginäre Szenarien ersonnen haben. Dieser Akt ist so alt wie die Zeit selbst. Die Griechen hatten Götter und Monster, wir haben Superhelden.
Wie wäre es mit einer Rolle in einem "James Bond"-Film?
Hiddleston: Ich würde eines Tages wahnsinnig gerne bei "James Bond" mitwirken. Ich bin ein großer Fan und mehr damit aufgewachsen als etwa mit Marvel. Man müsste schon verdammt lange nach jemanden suchen, der in England großgeworden ist und "James Bond" nicht liebt.