Udo Jürgens: So war er wirklich!

People-Journalist Paul Sahner schildert in seinem neuen Buch "Merci, Udo!", das heute erschienen ist, sein Verhältnis zum verstorbenen Komponisten und Sänger Udo Jürgens. Im Interview spricht er über seinen alten Freund.
Abschied von einem Freund, so könnte man es nennen: Paul Sahner (70), Deutschlands bekanntester People-Journalist, schildert in seinem neuen Buch "Merci, Udo!" (Herder-Verlag), das heute erschienen ist, sein Verhältnis zum verstorbenen Komponisten und Sänger Udo Jürgens. In der bemerkenswerten Biografie reflektiert der Münchner Autor Ausstrahlung und Wesen des größten deutschsprachigen Musikentertainers.
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Gleich im ersten Kapitel "Ein Paukenschlag - der Tote am Bodensee" beschreibt der Journalist, wie sich einige geschockte Freunde um das Totenbett des Künstlers versammeln, u. a. auch der Bandleader Pepe Lienhard (68), den Sahner zitiert: "Udo lag ganz friedlich da, die Arme über die Brust gefaltet. Es sah aus, als würde er schlafen. Ich dachte, er würde jeden Moment die Augen aufschlagen, aber das tat er natürlich nicht. Ich konnte einfach nicht begreifen, dass er tot war." Spot on news sprach mit dem Buchautor, der Udo Jürgens seit 1970 kannte.
Wie haben Sie sich kennengelernt?
Sahner: "Das war vor 45 Jahren in einer Schwabinger Wohnung, als er weit nach Mitternacht auftauchte. Eine seiner Freundin.en und meine damalige Freundin teilten sich eine WG. Dass ich da war, jemand, den er nicht kannte, schien ihn zu stören. Doch nach ein paar Schoppen Wein duzte er mich und ich, mit 25 Jahren gerade als Lokalredakteur der ostwestfälischen Provinz entkommen, rief am nächsten Tag meine Eltern an: Stellt euch vor, wen ich gestern getroffen habe..."
Sie haben ihn dann noch viele Male getroffen. Wie war eigentlich Ihr Verhältnis?
Sahner: "Es war freundschaftlich distanziert. Eigentlich konnte ich anfangs mit seiner Musik nicht viel anfangen. Aber mich faszinierte seine Professionalität. Es war eine Art Win-win-Situation: Wir hatten beide gute Gespräche. Wenn man mit ihm nur kurz redete, war das nicht sehr ergiebig. Wenn man ihn aber lange hatte, hat er auch lange und gern geredet."
War er wirklich so ein Frauenliebling?
Sahner: "Das war schon sagenhaft, wenn man den weiblichen Andrang vor der Bühne oder dem Hotel gesehen hat. Er konnte sich bedienen. Er hatte oft einen Harem um sich, damit kokettierte er auch. Er lebte, um zu leben und zu lieben. Als er mit seiner ersten Frau Panja in Kitzbühel gewohnt hat, hab ich die beiden mal getroffen. Sie brachte ihren Freund mit und er seine neue Freundin. Ganz selbstverständlich, ohne Verkrampfung."
Er hat mal zu Ihnen gesagt, dass er allen Frauen sehr dankbar sei, weil sie ihm einen Teil seiner Einsamkeit genommen hätten...
Sahner: "Der Udo wäre vielleicht ganz anders geworden, wenn eine Frau ihm nicht alles hätte durchgehen lassen."
Haben Sie ihn jemals fassungslos erlebt?
Sahner: "Das war, als ich ihm gesagt habe, dass seine zweite Exfrau Corinna ein Verhältnis mit dem durchgeknallten Ex-Richter und Politiker Ronald Schill habe. Da war er entsetzt und sagte: 'Wenn es wenigstens der Joschka Fischer gewesen wäre...'"
Was hat Sie am meisten an Udo Jürgens erstaunt?
Sahner: "1992 hatte ich mit ihm ein langes Interview, das großes Aufsehen erregen sollte. Wir redeten offen und schonungslos über seine Libido, und er sagte, dass sein kleiner Freund ein Eigenleben führen würde. Als ich das Gespräch zur Veröffentlichung autorisieren lassen wollte, gab es großen Ärger. Sein damaliger Manager Freddy Burger war entsetzt über Udos Äußerung. Er fürchtete eine negative Reaktion in der Öffentlichkeit, vor allem beim weiblichen Publikum. Er wollte alles streichen und hätte am liebsten das ganze Interview gecancelt. Da ist Udo eingeschritten und hat alles druckfrei gegeben. Er meinte nur: Gesagt ist gesagt! Das war eine große Haltung, die man im Showbusiness nicht oft erlebt."
Sie haben sich mit Udo Jürgens beschäftigt wie mit kaum einem anderen Star. Wie war er wirklich?
Sahner: "Erstens war er der spannendste Künstler, dem ich zumindest in Deutschland begegnet bin. Sensibel und professionell bis zur Erschöpfung. Und er war ein Menschenfreund. Wenn Sie ein Publikum zweieinhalb Stunden mit solchen Lieder begeistern wollen, müssen Sie es lieben. Das geht nicht nur mit Show. Er aber liebte die Menschen. Er hatte sicher auch seine Probleme, seinen vier Kindern diese Liebe zu zeigen, weil er oft im Stress war, aber er kümmerte sich um sie. Er hat sie relativ kurz gehalten, weil er selbst auch keine ganz einfache Kindheit hatte und sie auf das Leben vorbereitet sein sollten. Die Jüngste von ihnen ist die uneheliche Tochter Gloria Burda (20) aus Wien. In meinem Buch sagte sie, dass es am schlimmsten sei, dass sie die Sachen, die sie noch erleben werde, nicht mehr mit ihrem Vater teilen könne."
Auch mit seinem ehemaligen Schwiegersohn, dem Soziologieprofessor Thomas Druyen, der mit Tochter Jenny verheiratet war, soll Udo Jürgens ein enges Verhältnis gehabt haben.
Sahner: "Udo war ihm wie ein Vater. Thomas Druyen sagte mir: 'Immer wenn es irgendwo etwas Schwieriges gab - natürlich war die schwierigste Phase die der Trennung von Jenny -, war Udo als Freund in einer Vorbildlichkeit da, die ihresgleichen sucht.'"
In Ihrem Buch lästert der Modedesigner Wolfgang Joop über Udo Jürgens ab, er fände "die Heiligsprechung dieses Mannes ziemlich ruckartig... Diese Altfrauenemotionalität, wenn er als Womanizer mit gefärbtem Haar an seinem Acryl-Klavier saß, entsetzlich."
Sahner: "Das ist nun mal die Meinung von Wolfgang Joop. Das hat er mir bestätigt, als ich ihm seine Aussage noch mal als Text telefonisch vorgelesen habe. Aber soll man so etwas unterdrücken? Wir haben keine Zensur!"
Dafür hat sich Udo in den deutschen Feuilletons Respekt verschafft.
Sahner: "Er liebte die Hochkultur, sie war ihm wichtig. Der Umgang mit Intellektuellen wie Joachim Kaiser von der "Süddeutschen Zeitung" oder mit dem leider viel zu früh verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hat er gesucht und gepflegt. Schirrmacher hat sich mal bei einem Besuch bei mir als Udo-Fan entpuppt. Udos ehemaliger Schwiegersohn Druyen glaubt, dass Frank Schirrmacher wahrscheinlich den authentischsten Nachruf auf Udo Jürgens hätte schreiben können. Sein früher Herztod im Sommer 2014 hatte Udo zutiefst geängstigt."