"Der König der Gosse": Dresden zeigt Haltung

Tatort Dresden: Zweiter Einsatz für Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski). © MDR/Gordon Mühle
Krasser Gegensatz zum Debüt-Fall: Statt in der glitzernden Schlager-Welt verschlägt es die Dresdner Kommissarinnen bei ihrem zweiten Tatort zu Obdachlosen und ihren vermeintlichen Gönnern. Das Team gefiel uns schon beim ersten Mal auf Anhieb, die Geschichte war damals noch suboptimal. Kommt mit "Der König der Gosse" der Durchbruch?
Die Profile der Figuren werden weiter geschärft, zum einen über die Reaktionen auf den Fall, zum anderen durch wohl unvermeidliche Ausflüge ins Privatleben. So erfahren wir, dass Henni Sieland (Alwara Höfels) noch immer Beziehungsprobleme hat und lieber schmollend im Bett verschwindet, Karin Gorniak (Karin Hanczewski) kämpft nach wie vor mit ihrem rebellischen Sohn, der die Wohnung verwüstet und beim Klauen erwischt wird. Nach außen hin geben sich beide aber souverän, die Fassade der Powerfrau muss glänzen.
Das Geschäft mit den Obdachlosen
Eine glänzende Fassade hat auch Hans-Martin Taubert (Michael Sideris) zu bieten. Er betreibt mehrere Unterkünfte für Obdachlose und Flüchtlinge, kassiert staatliche Hilfen ein und lebt davon selber in exquisiter Umgebung. Nach einem offenbar feucht-fröhlichen Abend beim Nobel-Italiener wurde Taubert von einer Brücke gestoßen.
Tauberts "Security-Team" aus drei Obdachlosen (Arved Birnbaum, David Bredin, Alexander Hörbe) hat kaum etwas gesehen und strapaziert die Geduld der Kommissarinnen über Gebühr. Der Bruder des Toten (Urs Jucker) hatte Schulden beim Opfer, der größte Konkurrent Schleibusch (Stephan Baumecker) kandidiert für den Stadtrat und lässt alle Vorwürfe an sich abgleiten.
Sieland und Gorniak machen das, wofür sie bezahlt werden: Sie suchen nach dem Mörder. Sozialkritik wird zwar angerissen, aber unkommentiert stehen gelassen. Die Dresdner Ermittlerinnen versinken nicht in Mitleid und plötzlichem Engagement, sondern begegnen auch den Obdachlosen auf Augenhöhe. Selbst als Henni Sieland die drei mit nach Hause nimmt und bewirtet, tut sie das nur aus dem Kalkül, Informationen zu bekommen.
Flagge zeigen gegen Pegida & Co.
Doch dem Dresdner Tatort kann man nicht vorwerfen, er zeige keine Haltung. Ein Theaterstück Schleibuschs, in dem einige Obdachlose mitspielen, ist eine offene Anklage gegen Fremdenfeindlichkeit und die Dresdner Pegida-Demonstationen. Ein schlauer Schachzug, auf dieser Meta-Ebene eine starke Botschaft zu senden, ohne einen rührseligen Problem-Krimi zu erzählen.
Apropos schlau: Auch wenn Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) bisweilen arg trottelig daherkommt, ist diese Figur und die mit ihr verbundenen lauen Witzchen ein gut erdachter Anker für all die, die beim Münster-Tatort lachend unterm Tisch liegen und von der Frauen-Power ansonsten überfordert sind. Wer eine "Schnabel-Tasse" lustig findet und seinen Kaffee mit Kondens-Milch mag, wird begeistert sein.
Der neue Dresden-Tatort nimmt Form an, auch einem "normalen" Fall wie " Der König der Gosse" kann das Duo Sieland/Gorniak überzeugen. Einige Figuren bleiben Karikaturen-haft, nicht jede Wendung der Geschichte ist gleich nachvollziehbar, aber das Gesamtpaket stimmt. Es scheint, als habe der MDR dieses Mal wirklich ein glückliches Händchen gehabt. Hoffentlich bleibt auch "Stromberg"-Erfinder Ralf Husmann als Autor mit an Bord, dann kann nicht mehr viel passieren.